Tätigkeitsbericht 2004/2005 - Max-Planck-Institut für Immaterialgüter ...
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die die kartellrechtliche Beurteilung horizontaler<br />
Technologietransfer-Vereinbarungen<br />
zum Ge genstand hat (del Tiempo). Dabei<br />
werden insbesondere die ökonomische Rechtfertigung<br />
einer getrennten Analyse von horizontalen<br />
und vertikalen Vereinbarungen, die<br />
Festlegung des relevanten Analysezeitpunktes<br />
sowie die Auswirkungen der Verordnung<br />
(EG) Nr. 1/2003 auf die Lizenzpraxis behandelt.<br />
bb) Lizenzverweigerung als<br />
Missbrauch marktbeherrschender<br />
Stellung<br />
Intensive institutsinterne Diskussionen und<br />
eine Reihe von Veröffentlichungen aus dem<br />
<strong>Institut</strong> betreffen die Frage der Lizenzerteilungspfl<br />
icht marktbeherrschender Unternehmen<br />
nach europäischem Kartellrecht.<br />
Anstoß hier<strong>für</strong> gaben die lange erwartete<br />
Entscheidung des EuGH in der Rechtssache<br />
IMS Health im April <strong>2004</strong> sowie die kurz zuvor<br />
ergangene Entscheidung der Kommission<br />
im Fall Microsoft. In IMS Health trug der<br />
EuGH zu einer Klärung vor allem der früheren<br />
Magill-Entscheidung bei.<br />
Nach Ansicht des EuGH ist die Verhinderung<br />
eines neuen Produkts unerlässliche Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> die Annahme einer Lizenzpfl<br />
icht nach Art. 82 EG. Im Ergebnis dürfte<br />
der EuGH mit dieser „kumulativen Theorie“<br />
die Anwendung von Art. 82 EG auf wenige<br />
Fälle reduziert haben. Ob sich die Microsoft-<br />
Entscheidung, in der die Kommission eine<br />
Pfl icht zur Offenlegung von Informationen<br />
über das Microsoft-Betriebssystem gegenüber<br />
Konkurrenten auf dem Markt <strong>für</strong> Anwendungsprogramme<br />
begründet hat, im<br />
Lichte von IMS Health halten lässt, ist unklar.<br />
Während das englischsprachige Schrifttum<br />
die Entscheidung in IMS Health überwiegend<br />
positiv aufnahm und heute vor allem<br />
die Voraussetzungen <strong>für</strong> die Annahme eines<br />
neuen Produkts diskutiert, führte die Entscheidung<br />
im Kreise der <strong>Institut</strong>smitarbeiter<br />
zu kritischen Stellungnahmen (Conde<br />
Gallego, Drexl, Leistner, Riziotis).<br />
Gefördert wurde diese Kritik durch die Entscheidung<br />
in der Rechtssache Standard-<br />
Spundfass, in der der BGH wenige Wochen<br />
nach der IMS Health-Entscheidung in ei-<br />
nem patentrechtlichen Fall eine Lizenzpfl<br />
icht aufgrund deutschen Kartellrechts<br />
ohne Rücksicht auf die vom EuGH <strong>für</strong> Art.<br />
82 EG entwickelten Grundsätze annahm. In<br />
IMS Health bleiben die vom EuGH formulierten<br />
Voraussetzungen ohne ausreichende<br />
ökonomische Begründung. Vielmehr deutet<br />
der Gerichtshof einen grundsätzlichen Konfl<br />
ikt zwischen der Freiheit des Rechteinhabers,<br />
die Lizenz zu verweigern, und dem Interesse<br />
am Wettbewerbsschutz an. Hierauf<br />
stützt der EuGH die Voraussetzung der Verhinderung<br />
eines neuen Produkts zum Nachteil<br />
der Verbraucher. Der Ansatz des EuGH<br />
steht in Widerspruch zur heute ganz überwiegend<br />
anerkannten Komplementaritätstheorie,<br />
wonach das <strong>Immaterialgüter</strong>recht<br />
und das Kartellrecht im Grundsatz gleichermaßen<br />
das Ziel der Förderung eines dynamischen<br />
Wettbewerbs verfolgen. Die Intervention<br />
des Kartellrechts im Sinne einer<br />
Lizenzpfl icht sollte daher am Nachweis der<br />
Störung der Funktionsmechanismen des dynamischen<br />
Wettbewerbs ansetzen. Im Lichte<br />
dieser Anforderung überzeugt der Ansatz<br />
des BGH erheblich mehr, der seine Entscheidung<br />
mit dem Versagen des Substitutionswettbewerbs<br />
im konkreten Fall eines gesetzten<br />
Industriestandards begründet.<br />
Im wissenschaftlichen Schrifttum wurde<br />
bislang die kartellrechtliche Lizenzpfl icht<br />
überwiegend auf der Grundlage einer Essential-Facilities-Doktrin<br />
und der Ausdehnung<br />
von Marktmacht von einem Lizenzmarkt auf<br />
einen abgeleiteten Produktmarkt (Leveraging-Theorie)<br />
diskutiert. An diese Leveraging-Theorie<br />
knüpft auch der EuGH in<br />
IMS Health an. In einem Vortrag anlässlich<br />
einer wettbewerbsrechtlichen Tagung am<br />
Europäischen Hochschulinstitut in Florenz<br />
wurde dagegen die Rationalität der Übertragung<br />
der Regeln bekannter Fallgruppen der<br />
Missbrauchskontrolle angesichts der eigenen<br />
Ökonomie der <strong>Immaterialgüter</strong>rechte in<br />
Frage gestellt (Drexl). Mit der – künstlichen<br />
– Annahme eines eigenen Lizenzmarktes,<br />
auf dem der Rechteinhaber marktbeherrschend<br />
ist, wird <strong>für</strong> die Frage, ob das marktbeherrschende<br />
Unternehmen eine Pfl icht<br />
zur Lizenzerteilung trifft, nichts gewonnen.<br />
Ziel müsse es vielmehr sein, aus der ökonomischen<br />
Funktionalität des Schutzrechts<br />
heraus eine immaterialgüterrechtsspezifi -<br />
sche wettbewerbspolitische Theorie <strong>für</strong> die<br />
Anwendung des Art. 82 EG zu entwickeln.<br />
<strong>Tätigkeitsbericht</strong><br />
<strong>2004</strong>/<strong>2005</strong><br />
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