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Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

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Die erste Phase unmittelbar nach Kriegsende ist<br />

gekennzeichnet durch ein breites Gedenken an<br />

die NS-Opfer in allen Besatzungszonen. Zahlreiche<br />

Denkmäler wurden errichtet, große K<strong>und</strong>gebungen,<br />

wie etwa die vom Berliner Magistratshauptausschuss<br />

»Opfer des Faschismus« am 9.<br />

September 1945 in der Werner-Seelenbinder-<br />

Kampfbahn unter Beteiligung von Zehntausenden<br />

veranstaltete. Zahlreich war in den unmittelbaren<br />

Nachkriegsjahren die erschienene Literatur mit<br />

Zeitzeugenberichten von Überlebenden der NS-<br />

Verfolgung. Das Gedenken, das am Anfang viele<br />

Gruppen einbezogen hatte, konnte vor allem<br />

durch die Unterstützung <strong>und</strong> Schirmherrschaft<br />

der Alliierten umgesetzt werden.<br />

Mit dem Übergang der Zeitgeschichte<br />

zur Geschichte wird es<br />

notwendig sein, die Beschäftigung mit der<br />

NS-Geschichte, die Wissensvermittlung<br />

<strong>und</strong> das Gedenken an die Opfer mit sich<br />

ändernden Inhalten <strong>und</strong> Methoden<br />

fortzuführen.<br />

Mit dem Beginn des Kalten Kriegs änderte sich<br />

die Offenheit der Auseinandersetzung. Es begann<br />

die zweite Phase der Auseinandersetzung - beziehungsweise<br />

Verklärung <strong>und</strong> Verleugnung. Zudem<br />

hat sich mit der Teilung Deutschlands eine geteilte<br />

Erinnerungskultur entwickelt. Hierüber ist<br />

vielfältig publiziert worden, so dass ich im Folgenden<br />

nur den im Zusammenhang mit der Arbeit<br />

von Gedenkstätten zentralen Unterschied der<br />

Nutzung der Erinnerung an die NS-Verbrechen in<br />

Ost- <strong>und</strong> Westdeutschland beschreiben werde.<br />

In der Deutschen Demokratischen Republik wurde<br />

die Erinnerung an die NS-Verbrechen zur Traditionsbildung<br />

für das SED-Regime genutzt.<br />

Zwangsläufig hat sich daraus ergeben, dass eine<br />

Verherrlichung des kommunistischen Widerstandes<br />

einherging mit der Minimierung der Beschreibung<br />

<strong>und</strong> Darstellung der Geschichte an<br />

den historischen Orten der Verbrechen <strong>und</strong> <strong>einer</strong><br />

dann möglichen Optimierung der Deutung. Am<br />

Beispiel Buchenwald kann man dies verdeutlichen:<br />

Während der Bereich des Häftlingslagers<br />

leergeräumt <strong>und</strong> Teile davon bewusst der natürlichen<br />

Überwucherung überlassen wurden, errichtete<br />

man vor dem eigentlichen Lagergelände eine<br />

neue Gedenkanlage mit Glockenturm, Skulptur<br />

<strong>und</strong> <strong>einer</strong> Gräberanlage, deren Gestaltung der<br />

christlichen Form des Kreuzweges entlehnt wurde.<br />

An diesem neu gestalteten Ort war die Sinnstiftung<br />

nicht eingeengt durch die tatsächlichen<br />

historischen Zusammenhänge, die sich auf dem<br />

KZ-Gelände zugetragen haben.<br />

epd-Dokumentation 3/2005 15<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wurde mit<br />

zunehmender Restauration seit Ende der vierziger<br />

Jahre die Auseinandersetzung mit den NS-<br />

Verbrechen abgebrochen. Die literarischen Neuerscheinungen<br />

beinhalteten nun Erinnerungen<br />

von Kriegsveteranen, die die Verantwortung für<br />

die NS-Verbrechen leugneten. Zahlreiche Denkmale<br />

wurden zerstört oder sind verfallen. Bestenfalls<br />

wurden an ihrer Stelle »Kriegsgräberfriedhöfe«<br />

errichtet. Gepflegt <strong>und</strong> mit Skulpturen aus<br />

der christlichen Tradition geschmückt, gaben sie<br />

k<strong>einer</strong>lei Hinweis auf das Schicksal der dort Begrabenen.<br />

Die dritte Phase der Auseinandersetzung mit<br />

den NS-Verbrechen hat in Westdeutschland im<br />

Zusammenhang mit der Studentenbewegung 1968<br />

eingesetzt. Die Bearbeitung des Nationalsozialismus<br />

<strong>und</strong> s<strong>einer</strong> Verbrechen konzentrierte sich<br />

zunächst auf die Anklage der Väter wegen ihrer<br />

schuldhaften Verstrickung in die NS-Verbrechen<br />

sowie den Streit um verschiedene theoretische<br />

Erklärungsmodelle des deutschen Faschismus.<br />

Erste einige Jahre später, Ende der siebziger Jahre,<br />

kam es im Zusammenhang mit der »Grabe-wo-<br />

Du-stehst«-Bewegung der Geschichtswerkstätten<br />

zur Erforschung von Lokal- <strong>und</strong> Sozialgeschichte<br />

<strong>und</strong> regionalen Lebenszusammenhängen, die sich<br />

in Westdeutschland sehr intensiv <strong>und</strong> an sehr<br />

vielen Orten der NS-Geschichte zuwandten.<br />

Auch diese Bewegung war nicht frei von politischen<br />

Motiven. Die Suche nach neuen, von den<br />

NS-Verbrechen unbelasteten Personen aus dem<br />

Widerstand war zumeist Ausgangspunkt der Recherchen.<br />

Der bedeutende Unterschied zur bisherigen<br />

Aufarbeitung - auch im internationalen<br />

Vergleich - war jedoch die genaue Untersuchung<br />

der konkreten Zusammenhänge an den jeweiligen<br />

Orten. Dadurch wurden im Laufe kurzer Zeit<br />

Zusammenhänge von Verfolgungsschicksalen <strong>und</strong><br />

Verbrechenskomplexen deutlich, <strong>und</strong> es wurden<br />

Gruppen von Opfer in das Blickfeld gerückt, die<br />

zuvor über Jahrzehnte verleugnet wurden. Mit<br />

dieser Entdeckung der verschiedenen Gruppen<br />

der Opfer ging die Forderungen nach gesellschaftlicher<br />

Anerkennung <strong>und</strong> finanzieller Entschädigung<br />

für die Überlebenden einher. Die<br />

Geschichtsaufarbeitung war von Anfang an mit<br />

<strong>einer</strong> Bürgerrechtsbewegung für die Überlebenden<br />

der NS-Verfolgung verb<strong>und</strong>en, die häufig<br />

auch im Nachkriegsdeutschland an den Rand der<br />

Gesellschaft gedrängt worden waren.<br />

Die Beschäftigung mit der konkreten Geschichte<br />

vor Ort, sei es der authentische Ort eines Lagers,

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