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Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

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Keineswegs geht es um eine Relativierung oder<br />

Aufarbeitung der verschiedenen Verbrechenskomplexe.<br />

Für die in Zukunft voraussichtlich<br />

immer häufigere Frage nach den strukturellen<br />

Unterschieden <strong>und</strong> Vergleichbarkeiten von<br />

Staatsverbrechen <strong>und</strong> dem Suchen nach Möglichkeiten,<br />

diese zu verhindern, bietet die verwobene<br />

Geschichte zweier Diktaturen in Deutschland<br />

Ansatzpunkte für eine zukunftsweisende Beschäftigung,<br />

deren Chancen auf Gr<strong>und</strong> der bestehenden<br />

Ängste, von der falschen Seite instrumentalisiert<br />

zu werden, viel zu wenig bewusst<br />

sind. Dass die Darstellung der SED-Diktatur in<br />

Westdeutschland zu antikommunistischer Propaganda<br />

genutzt wurde, ist richtig. Gerade deshalb<br />

wäre es nötig gewesen, sich - ohne diese Formen<br />

von Chauvinismus <strong>und</strong> Revanchismus zu übernehmen<br />

- eine eigene Position zu den offensichtlichen<br />

Staatsverbrechen zu erarbeiten. Es ist bedauerlich,<br />

dass es auch heute, nachdem es zur<br />

Geschichte der NKWD-Lager <strong>und</strong> der SED-<br />

Diktatur wesentlich mehr Kenntnisse gibt, immer<br />

noch nur eine geringe Bereitschaft gibt, diese<br />

Fragen mit der notwendigen Sensibilität <strong>und</strong> Offenheit<br />

anzugehen.<br />

Überlegungen zur zukünftigen Bildungsarbeit<br />

Die Geschichte des Nationalsozialismus <strong>und</strong> s<strong>einer</strong><br />

Verbrechen hat eine so große Bedeutung auf<br />

fast allen Gebieten von historisch-politischem<br />

Lernen <strong>und</strong> für die Entwicklung unserer Gesellschaft,<br />

dass die Beschäftigung damit auch in Zukunft<br />

auf großes Interesse stoßen wird. Nicht<br />

mehr das »Ob«, sondern das »Wie« wird darüber<br />

bestimmen, welchen Einfluss die Gesellschaft auf<br />

dieses spezielle Thema <strong>und</strong> diese spezielle Form<br />

von politischer Bildung haben wird.<br />

Gedenkstätten sind ein Spiegelbild der gesellschaftlichen<br />

Auseinandersetzung mit der NS-<br />

Geschichte. Gerade bei der Schaffung eines »kulturellen<br />

Gedächtnisses« 9 ist zunächst die Verabredung<br />

der Gesellschaft, wie sie die Gedenkstätten<br />

als Gedächtnisinstitutionen ansehen <strong>und</strong> fördern<br />

möchte, von existenzieller Bedeutung für deren<br />

zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Als zweites sind für die Arbeit der Gedenkstätten<br />

vor allem die Multiplikatoren, die Leiter von Besuchergruppen<br />

sehr wichtig. Je nachdem wie<br />

Gruppen auf den Besuch des historischen Ortes<br />

eingestimmt werden, wird der Ort von den Besuchern<br />

sehr verschieden gestaltet. Hierzu gehört<br />

auch eine gute Nachbereitung des Besuchs.<br />

epd-Dokumentation 3/2005 21<br />

Wenn die meisten Gedenkstättenbesucher auch<br />

von den üblichen Besuchern kultureller Einrichtungen,<br />

den »Paarbesuchern« gestellt werden,<br />

sind die Gruppen ein sehr wichtiger Faktor. Viele<br />

Jugendliche besuchen in Gruppen zum ersten Mal<br />

eine Gedenkstätte <strong>und</strong> ihr Bezug zu dem Ort <strong>und</strong><br />

dem Thema wird damit geprägt. Gruppen werden<br />

in der Regel in pädagogische Programme einbezogen,<br />

die intensiver sein können, als es bei der<br />

Besichtigung des Ortes <strong>und</strong> der Ausstellung alleine<br />

der Fall ist.<br />

Gerade die Einbeziehung der<br />

Rezeption seit der Befreiung vom<br />

NS-Regime bietet die Möglichkeit, die zeitliche<br />

<strong>und</strong> gesellschaftliche Geb<strong>und</strong>enheit der<br />

bisherigen Erinnerung zu thematisieren.<br />

Das Gespräch mit Zeitzeugen spielt heute quantitativ<br />

bereits nur noch eine sehr untergeordnete<br />

Rolle in der Bildungsarbeit. Umso wichtiger ist es,<br />

dass die Gedenkstätten jetzt alle Informationen,<br />

die sie von den Überlebenden erhalten können,<br />

sammeln <strong>und</strong> bewahren. Dieses vorhandene Material<br />

muss in <strong>einer</strong> neuen Weise didaktisch dargeboten<br />

werden. In Ausstellungen oder Medien<br />

werden Berichte von Zeitzeugen zu bestimmten<br />

Themen zusammengestellt <strong>und</strong> in neuer Form<br />

präsentiert werden müssen.<br />

An die Stelle des Gesprächs mit Zeitzeugen wird<br />

das Gespräch mit den Gedenkstättenpädagogen<br />

treten. Dabei ist es wichtig, dass die Pädagogen in<br />

ihrer ganzen Person authentisch <strong>und</strong> glaubwürdig<br />

wirken. Im Unterschied zu den Zeitzeugen muss<br />

man von ihnen darüber hinaus verlangen, dass<br />

sie historisch gut gebildet sind <strong>und</strong> die Geschichte<br />

in ihren Zusammenhängen präsentieren können.<br />

Inhaltlich wird es wichtig sein, die NS-<br />

Verbrechen als Teil der deutschen Geschichte<br />

anzuerkennen. Den Besuchern muss ein sachlicher<br />

<strong>und</strong> helfender Umgang mit der Last der Geschichte<br />

geboten werden. Dabei darf nicht alle<br />

Bildungsanstrengung auf junge Menschen gerichtet<br />

werden. Gerade dadurch wird der moralische<br />

Zwang erhöht, wo Freiwilligkeit <strong>und</strong> das<br />

eigene Interesse Voraussetzung für das Lernen<br />

sein sollen. Das Lernen in den Gedenkstätten<br />

wird in Zukunft noch stärker wissenschaftlich<br />

geleitet sein. Dabei ist es nötig <strong>und</strong> sinnvoll, pädagogische<br />

Methoden zu adaptieren, die ein<br />

möglichst selbstständiges Lernen <strong>und</strong> eine eigenständige<br />

Aufdeckung der Geschichte ermöglichen.<br />

Die Lernenden in den Gedenkstätten sind dabei<br />

mit ihren Fragen <strong>und</strong> Bedürfnissen ernst zu nehmen.<br />

Letztendlich sind dies dieselben Arbeitsfor-

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