20.04.2013 Aufrufe

Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ausdruck, wie wir uns als gegenwärtiges nationales<br />

Kollektiv sehen <strong>und</strong> wie wir gesehen werden<br />

wollen.« 4<br />

Hinsichtlich der inhaltlichen Besonderheiten der<br />

Gedenk- <strong>und</strong> Bildungsarbeit in Deutschland kann<br />

man immer noch auf die alten Texte von Theodor<br />

W. Adorno zurückgreifen. Adorno weist darauf<br />

hin, dass das Gedächtnis das Einzige ist »was<br />

unsere Ohnmacht ihnen [den Opfern] schenken<br />

kann, ...« 5 In erster Linie ist es Aufgabe der<br />

»nach-NS-Gesellschaften«, die Toten nicht als<br />

Nummern, die ihnen die Nazis gegeben haben,<br />

sondern wieder als Menschen anzusehen <strong>und</strong><br />

ihnen auch im Gedenken ihre Individualität zurückzugeben.<br />

Dass Menschen von den Nazis in<br />

dieser Weise verfolgt wurden, wird aber nur verständlich,<br />

wenn man sich mit den Tätern <strong>und</strong><br />

Strukturen auseinander setzt. Diese inhaltliche<br />

Auseinandersetzung ist auch deshalb von Nöten,<br />

da auf der Täterseite das Wiederholungsrisiko<br />

liegt. Aufgabe der Pädagogik ist es, »... die Mechanismen<br />

[zu] erkennen, die die Menschen so<br />

machen, dass sie solcher Taten fähig werden,<br />

[man] muss ihnen selbst diese Mechanismen<br />

aufzeigen <strong>und</strong> zu verhindern trachten, dass sie<br />

abermals so werden, indem man ein allgemeines<br />

Bewusstsein jener Mechanismen erweckt.« 6<br />

Wenn auch heute in der Bildungsarbeit in Gedenkstätten<br />

die Skepsis gewachsen ist, ob man<br />

allein mit Bildung Werte schaffen kann, so ist die<br />

Blickrichtung von Adorno doch richtig. Ohne<br />

nach den Tätern, ihren Motiven <strong>und</strong> ihren Taten<br />

zu fragen, kann man nicht erklären, warum bestimmte<br />

Gruppen von Menschen in welchen historischen<br />

Zusammenhängen in die NS-<br />

Verfolgungsmaschinerie geraten sind.<br />

Die besondere Form der Aufarbeitung der NS-<br />

Verbrechen materialisiert sich in den Gedenkstätten<br />

in Deutschland. Gerade im internationalen<br />

Vergleich werden drei Besonderheiten deutlich:<br />

– Die »authentischen Orte« der NS-Verfolgung<br />

mit ihrer Geschichte sind der Ausgangspunkt<br />

der Arbeit - sowohl als Friedhof als auch als<br />

Lernort.<br />

– Die Gedenkstätten sind sachlicher Anwalt aller<br />

Opfergruppen, die an dem jeweiligen Ort verfolgt<br />

wurden. Sie dokumentieren die unterschiedliche<br />

NS-Verfolgung, ohne eine hierarchische<br />

Wertung vorzunehmen.<br />

– Am Anfang stand die gesellschaftliche Würdigung<br />

der Opfer im Mittelpunkt der Tätigkeiten<br />

epd-Dokumentation 3/2005 57<br />

der Gedenkstätten. Im Laufe der Professionalisierung<br />

der Arbeit wurde an allen Orten immer<br />

deutlicher, dass man die Verfolgungsgeschichte<br />

nur verstehen kann, wenn man sich<br />

auch mit der Ideologie, den Strukturen <strong>und</strong><br />

den Persönlichkeiten der Täter beschäftigt.<br />

Ohne dies ist die NS-Verfolgung nicht zu verstehen.<br />

Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten sind<br />

eine Vielzahl von Einzelstudien auf allen Ebenen<br />

der Täter, von SS-Größen über Wachmannschaften,<br />

von Ärzten bis Juristen entstanden, die sich<br />

diesem Thema widmen. Auch in allen Ausstellungen,<br />

die in den letzten Jahren an Gedenkstätten<br />

neu entstanden oder in Planung sind, werden<br />

die Täter dargestellt. Im Unterschied zu den ersten<br />

Ausstellungen, in denen die NS-Täter als<br />

Biester dargestellt werden, wird nun versucht,<br />

durch eine sozialhistorische Darstellung eine<br />

Antwort auf die Frage zu finden, wie »ganz normale<br />

Männer« zu Massenmördern werden konnten.<br />

IV.<br />

Dieses in Deutschland praktizierte Konzept der<br />

Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen unterscheidet<br />

sich stark von Formen des Umgangs<br />

mit der NS-Vergangenheit in anderen Ländern.<br />

Das weltweit am meisten beachtete Konzept, das<br />

eine andere Ausrichtung als das in Deutschland<br />

mehrheitlich praktizierte hat, wird unter dem<br />

Stichwort »Holocaust-Education« zusammengefasst.<br />

Die große Bedeutung der Holocaust-<br />

Darstellung für die amerikanische<br />

Politik wird darin deutlich, dass bei der<br />

Vorbereitung von Kriegen in den letzten<br />

Jahren, insbesondere im ehemaligen Jugoslawien<br />

<strong>und</strong> im zweiten Irakkrieg, moralische<br />

Begründungen aus der Warnung vor<br />

<strong>einer</strong> Wiederholung des Holocaust abgeleitet<br />

wurden.<br />

Ich habe bislang noch keine Veröffentlichung<br />

gef<strong>und</strong>en, die explizit <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legend die Theorie<br />

der »Holocaust-Erziehung« darlegt. Bei <strong>einer</strong><br />

Darstellung <strong>und</strong> Bewertung der »Holocaust-<br />

Education« ist man daher auf beschreibende<br />

Texte etwa des US Holocaust Memorial Museums<br />

angewiesen. Auch haben zahlreiche B<strong>und</strong>esstaaten<br />

in den USA Holocaust-Curricula für den<br />

Schulunterricht entwickelt, die als Gr<strong>und</strong>lage für<br />

eine Beschreibung der Lernziele herangezogen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!