Erinnern und Verstehen â Schwerpunkte einer nachhaltigen ...
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auseinander setzt. Unter pädagogischen Gesichtspunkten<br />
ist die Veranschaulichung von Geschichte<br />
durch biografische Darstellungen zu<br />
befürworten. Sie ist aber nur dann aufklärerisch,<br />
wenn diese Geschichten in den historischen Zusammenhang<br />
eingebettet werden. Ansonsten<br />
besteht die Gefahr der Sentimentalität.<br />
VI.<br />
In allen Ländern Europas ist die zunehmende<br />
Verbreitung der Holocaust-Darstellung der NS-<br />
Geschichte in den letzten Jahren deutlich abzulesen.<br />
Im Imperial War Museum wurde 2001 eine<br />
eigene Holocaust-Ausstellung eröffnet. In Budapest<br />
hat in diesem Jahr ein Holocaust-Museum<br />
eröffnet - wenn es auch zurzeit eher als Potemkinsches<br />
Museum bezeichnet werden muss, da<br />
weder die Ausstellung vollendet, noch eine darauf<br />
aufbauende Bildungsarbeit angeboten wird.<br />
In Paris soll im nächsten Jahr ein Holocaust-<br />
Museum eröffnet werden. In Schweden gibt es<br />
eine Stiftung, die sich mit der Erinnerung an die<br />
Verfolgungsgeschichte der Juden im »III. Reich«<br />
befasst, in Norwegen ist ebenfalls ein Holocaust-<br />
Museum in der Hauptstadt geplant.<br />
Die höchsten politischen Weihen hat die Holocaust-Education<br />
durch die Aktivitäten der schwedischen<br />
Regierung erhalten. Nachdem Mitte der<br />
neunziger Jahre die schwedischen Rechtsextremen<br />
gut organisiert <strong>und</strong> besonders brutal in Erscheinung<br />
getreten sind, wurde von Staatsseite<br />
her eine Bildungsinitiative gestartet. Sie hat darin<br />
bestanden, dass zwei ausgewiesene Wissenschaftler<br />
gebeten wurden, eine kurze Gesamtdarstellung<br />
des Holocaust zu verfassen. 21 Das Buch<br />
wurde dann auf Nachfrage an alle schwedischen<br />
Haushalte kostenlos verschickt. Immerhin eine<br />
Million Exemplare wurden so unter das Volk<br />
gebracht. Bei neun Millionen Einwohnern eine<br />
stolze Zahl.<br />
Ausgehend von diesem Erfolg hat die schwedische<br />
Regierung 1998 - zunächst in Zusammenarbeit<br />
mit den USA <strong>und</strong> Groß-Britannien 22 - eine<br />
International Task Force for Holocaust Education,<br />
Rembrance and Research (ITF) angeregt. In den<br />
ersten Papieren ist dann in typisch militärischem<br />
Jargon nachzulesen, dass einheitliche Guidelines<br />
für die Implementierung der Holocaust-Education<br />
in allen Ländern erarbeitet werden sollen <strong>und</strong> die<br />
ITF-Mitgliedsländer in den »Entwicklungsländern«<br />
»Field Missions« durchführen sollten.<br />
epd-Dokumentation 3/2005 61<br />
Hier kommt eine weitere Bedeutung ans Tageslicht,<br />
die die Holocaust-Education im Rahmen des<br />
Niedergangs der sozialistischen Staatsform in den<br />
Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe<br />
erhalten soll: Das Bekenntnis zur Holocaust-<br />
Education soll nicht nur das Wissen über die NS-<br />
Verfolgung steigern, sondern hat einen sehr aktuellen<br />
politischen Bezug. Mit dem Bekenntnis, die<br />
Bildungsarbeit historisch entsprechend auszurichten,<br />
sollen die Bedenken hinsichtlich der demokratischen<br />
Entwicklungen in den Übergangsgesellschaften<br />
ausgeräumt <strong>und</strong> eine neue Art<br />
Europäische Menschenrechtsideologie nationenübergreifend<br />
eingeführt werden.<br />
Zum 27. Januar 2000 sind nach Einladung des<br />
schwedischen Regierungschef über 40 Staats- <strong>und</strong><br />
Regierungschefs nach Stockholm gekommen. In<br />
der hochoffiziellen Veranstaltung haben alle anwesenden<br />
Staatsmänner die Bedeutung der Holocaust-Education<br />
für ihr Land betont. Beispielhaft<br />
sei hier auf die Rede des polnischen Präsidenten<br />
Alexander Kwasniewski eingegangen: Er betont,<br />
wie wichtig die Holocaust-Education auch in Polen<br />
sei. 23<br />
Erstaunlich ist, dass er in s<strong>einer</strong> Rede<br />
nicht mehr die nichtjüdischen polnischen Opfer<br />
erwähnt. Woran lag das? Hat Präsident Kwasniewski<br />
es so verstanden, dass mit dem Begriff<br />
»Holocaust« nur noch die jüdischen Opfer behandelt<br />
werden? Hat er gehofft, dem Bild eines bis<br />
heute antisemitischen Polens durch diese Wendung<br />
um 180 Grad entgegentreten zu können?<br />
Sicherlich ist es auf der einen Seite von großer<br />
Bedeutung, dass ein polnischer Staatspräsident<br />
sich so eindeutig dazu bekennt, dass auch die<br />
Geschichte der Verfolgung <strong>und</strong> Ermordung der<br />
polnischen Juden viel genauer aufgearbeitet <strong>und</strong><br />
stärker ins Geschichtsbild einbezogen werden<br />
muss. Auf der anderen Seite wird aber eine staatlich<br />
verordnete Auseinandersetzung mit den NS-<br />
Verbrechen, der es nicht gelingt, die Verfolgung<br />
von polnischen jüdischen <strong>und</strong> nichtjüdischen<br />
Staatsbürgern im Zusammenhang darzustellen, in<br />
der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen, zumindest<br />
als neue Ideologie wahrgenommen <strong>und</strong> entsprechend<br />
oberflächlich behandelt werden.<br />
Die Diskussion, wie man nicht<br />
ethnisch Deutschen die NS-<br />
Geschichte nahe bringen kann, führt hoffentlich<br />
zu <strong>einer</strong> Sensibilisierung in der<br />
Bildungsarbeit.<br />
Ähnlich wie mit der »Amerikanisierung des Holocaust«<br />
wird in Europa mit der Entwicklung der<br />
Nutzung der Holocaust-Education in Richtung