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Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

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Friedländer hin, der im Blick auf den Holocaust<br />

davon spricht, man müsse, um wirkliches Gedenken<br />

<strong>und</strong> <strong>Erinnern</strong> zu gewährleisten, das Herz<br />

dieser Finsternis berühren, schmecken, fühlen.<br />

Mit Blick auf den Holocaust geht es im Judentum<br />

nicht darum, »in anonymer <strong>und</strong> abstrakter Weise<br />

der ‚Opfer des Nationalsozialismus‘ zu gedenken,<br />

sondern zum Beispiel darum, Geschichten zu<br />

erzählen: so wie man die Geschichte des Auszugs<br />

aus Ägypten erzählt, so erzählt man mit Blick auf<br />

den Holocaust etwa die Geschichte dieses Mädchens<br />

Eva Heymann, dieses Jungen Mosche Flinker,<br />

dieses Vaters Shlomo Wiesel, dieser Mutter<br />

Lena Donat ...Der Holocaust ist nicht sechs Millionen,<br />

sondern Einer <strong>und</strong> Einer <strong>und</strong> Einer <strong>und</strong><br />

Einer...«, so Christoph Münz.<br />

Rachel Herweg erinnert in ihrem Beitrag u.a.<br />

daran, dass Projektion, Delegation <strong>und</strong> krankmachende<br />

innerfamiliäre Rollenübernahme sich<br />

auch an Kindern von Tätern <strong>und</strong> Mitläufern vollzogen,<br />

an den nachkriegsgeborenen nichtjüdischen<br />

Deutschen. Wie die Kindern von Überlebenden<br />

waren auch sie Reaktionen des Schweigens,<br />

der Verdrängung <strong>und</strong> Verleugnung ausgeliefert.<br />

In ihrem Beitrag weist sie u.a. auf die Verantwortung<br />

von Erziehung <strong>und</strong> Bildung hin <strong>und</strong><br />

zitiert die amerikanische Psychoanalytikern Judith<br />

Kerstenberg, die schreibt: »Wenn wir wirklich<br />

Kriege verhindern wollen, wenn wir vermeiden<br />

wollen, fremde Menschen zu verachten <strong>und</strong><br />

anzugreifen, dann müssen wir den Kindern die<br />

Wahrheit sagen - so früh wie möglich.«<br />

Thomas Lutz geht in seinen zwei Beiträgen darauf<br />

ein, dass die außerschulischen Lernorte Gedenkstätten<br />

besondere Voraussetzungen haben,<br />

da es sich bei ihnen um Orte in Verbindung mit<br />

Massenmorden <strong>und</strong> zumeist große europäische<br />

Friedhöfe handelt. Die damit verb<strong>und</strong>ene Beeindruckung<br />

der Besucher muss mit beachtet, dabei<br />

eher bewusst gemacht <strong>und</strong> abgebaut als moralisch<br />

verstärkt werden. So kann es gelingen, die<br />

Empathie der heutigen Besucher mit den Opfern<br />

in der Geschichte zu erreichen. Aus dem Lernen<br />

über die Vergangenheit kann die Einsicht in die<br />

Notwendigkeit der Übernahme eigener Verantwortung<br />

in heutiger Zeit entstehen, so Thomas<br />

epd-Dokumentation 3/2005 5<br />

Lutz. Zugleich weist er darauf hin, dass sich in<br />

den letzten zwei Jahrzehnten eine Gedenkkultur<br />

herausgebildet hat, die nach der deutschen Einheit<br />

an den historischen Orten der NS-Verfolgung<br />

einen erheblichen Professionalisierungsschub<br />

erlangt hat. Sie ist gekennzeichnet durch eine<br />

Anerkennung aller Gruppen der NS-Opfer.<br />

Anhand <strong>einer</strong> Auswahl von Zeitungslektüre geht<br />

Nicolas Berg der »Erinnerung«, »Gedächtnis«,<br />

»Gedenken«, »Rückblick« <strong>und</strong> »Jahrestage« in<br />

seinem Beitrag nach. Erinnerungskultur umfasst<br />

weniger einen Gegenstand als vielmehr ein Verhältnis.<br />

»Sie ist nicht allein auf Inhalte bezogen,<br />

sondern ist zunächst einmal ein Phänomen der<br />

‚zweiten Ebene‘, eine Form gewordene Beziehung<br />

zu Vergangenheit, zur Tradition <strong>und</strong> zum vorgef<strong>und</strong>enen<br />

historischen Erbe«, so Nicolas Berg.<br />

Erinnerungskultur, so der Referent, ist nicht nur<br />

das Ergebnis »wie Geschichte gemacht ist«, sondern<br />

sie ist auch Streitgeschichte, wie die Vergangenheitskontroversen<br />

gezeigt haben.<br />

Rudolf W. Sirsch weist in seinem Beitrag nach,<br />

welche Konsequenzen engagierte Christen <strong>und</strong><br />

Juden in den Gesellschaften für Christlich-<br />

Jüdische Zusammenarbeit <strong>und</strong> in den Erzieherausschüssen<br />

als Herausforderung für verantwortliches<br />

Handeln zu einem Neuanfang Deutschlands<br />

unternommen haben.<br />

Dem Andenken der Opfer verpflichtet, galt es in<br />

den GCJZ <strong>und</strong> dem DKR Anstrengungen zu unternehmen,<br />

den Mechanismus der Intoleranz zu<br />

durchbrechen <strong>und</strong> Wege zur Toleranz aufzuzeigen,<br />

um Gr<strong>und</strong>lagen zu schaffen für ein menschliches<br />

Mit- <strong>und</strong> Füreinander. Es kommt, so Adorno<br />

1959 auf der Erziehertagung, »wohl wesentlich<br />

darauf an, in welcher Weise das Vergangene vergegenwärtigt<br />

wird; ob man beim bloßen Vorwurf<br />

stehen bleibt oder dem Furchtbaren standhält<br />

durch die Kraft, es selbst noch zu begreifen. Dazu<br />

bedürfte es freilich <strong>einer</strong> ‚Erziehung der Erzieher‘.<br />

Zugleich bedarf es <strong>einer</strong> demokratischen Pädagogik.<br />

Vor allem muss Aufklärung über das Geschehene<br />

einem Vergessen entgegenarbeiten, das nur<br />

allzu leicht mit der Rechtfertigung des Vergessenen<br />

sich zusammenfindet.«

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