Erinnern und Verstehen â Schwerpunkte einer nachhaltigen ...
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Gerade die 1987 eröffnete Dokumentationsausstellung<br />
»Topographie des Terrors« hat mit ihrer<br />
sachlichen <strong>und</strong> in der Verbindung von kurzen<br />
Überblickstexten, Dokumenten <strong>und</strong> Fotografien<br />
sehr zurückgenommenen Darstellungsform einen<br />
Weg aufgezeigt, wie man sich in Deutschland mit<br />
den Verstrickungen mit den NS-Verbrechen auseinandersetzen<br />
kann. 5 Die Ausstellung haben<br />
sich, stetig zunehmend, im letzten Jahr 250.000<br />
Besucher angesehen.<br />
Gedenkstätten - Begriff <strong>und</strong> Arbeitsweise<br />
In der Zwischenzeit sind viele Gedenkstätten<br />
entstanden <strong>und</strong> haben sich - wenn auch im Vergleich<br />
zu zeitgeschichtlichen Museen mit gleicher<br />
Besucherzahl immer noch auf sehr niedrigem<br />
Niveau ausgestattet - etabliert.<br />
Von Gedenkstätten wird hier gesprochen, wenn<br />
folgende Voraussetzungen vorliegen: 1. Der authentische<br />
Ort, der im Zusammenhang mit den<br />
NS-Verbrechen steht, muss für die Öffentlichkeit<br />
zugänglich sein. 2. Es muss eine Ausstellung<br />
existieren, die die Geschichte des Ortes <strong>und</strong> seine<br />
historischen Zusammenhänge erklärt. 3. Es muss<br />
in irgend<strong>einer</strong> Form eine kontinuierliche Arbeit<br />
geleistet werden.<br />
Gerade die Beachtung der letzten Voraussetzung<br />
zeigt die Spannbreite der Gedenkstätten auf.<br />
Einrichtungen mit über 50 Mitarbeitern, wie die<br />
Gedenkstätte Buchenwald, zählen hierzu ebenso<br />
wie Bürgerinitiativen, die eine kleine (Open Air-)<br />
Ausstellung erarbeitet haben, Gespräche <strong>und</strong><br />
Führungen auf Anfrage anbieten <strong>und</strong> zu den entsprechenden<br />
Jahrestagen Gedenkfeierlichkeiten<br />
organisieren.<br />
Nach dieser Definition bestehen in Deutschland<br />
etwa 100 Gedenkstätten, die zusammengerechnet<br />
in den letzten Jahren jeweils über drei Millionen<br />
Besucher hatten. 6 Daneben gibt es noch Tausende<br />
von Gedenksteinen, -tafeln, -plastiken <strong>und</strong> ähnliche<br />
Landmarken, die Anlass zur Auseinandersetzung<br />
mit NS-Verbrechen <strong>und</strong> dem Gedenken an<br />
die Opfer bieten können. 7<br />
Die Gedenkstätten befinden sich an Orten mit<br />
<strong>einer</strong> jeweils sehr speziellen Geschichte <strong>und</strong><br />
praktizieren unterschiedliche Ansätze in ihren<br />
Formen der Darstellung <strong>und</strong> Bearbeitung. An<br />
Orten von KZ <strong>und</strong> deren Außenlager werden alle<br />
Gruppen der Häftlinge dargestellt: Juden, Sinti<br />
<strong>und</strong> Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle,<br />
Jehovas Zeugen, so genannte »Asoziale« <strong>und</strong><br />
epd-Dokumentation 3/2005 17<br />
»Befristete Vorbeugehäftlinge«, Deutsche <strong>und</strong> aus<br />
den besetzten Ländern Europas hierher Verschleppte.<br />
An Orten der »Euthanasie«-Mordstätten<br />
wird der kranken <strong>und</strong> behinderten Opfern gedacht.<br />
An Stätten von Polizeiterror sowie Justiz<strong>und</strong><br />
Wehrmachtsjustizgefängnissen findet die<br />
würdige Darstellung der durch diese staatlichen<br />
Behörden Ermordeten statt. An Stätten ehemaliger<br />
Kriegsgefangenenlager wird vor allem an die<br />
sehr hohe Anzahl sowjetischer Toter erinnert. An<br />
anderen Orten wird den Zwangsarbeitern, an<br />
wieder anderen den Jugendlichen, die in KZ gesperrt<br />
worden sind, gedacht. In einigen Städten,<br />
vor allem im Ruhrgebiet, wird in den bestehenden<br />
Gedenkstätten über alle Gruppen der NS-<br />
Verfolgten aus der Stadt oder Region informiert.<br />
An »Orten der Täter«, wie etwa der Gedenk- <strong>und</strong><br />
Bildungsstätte »Haus der Wannsee-Konferenz«<br />
bestehen Gedenkstätten, die sich mit der Erforschung<br />
<strong>und</strong> Dokumentation der dort durchgeführten<br />
Planungen <strong>und</strong> ihren Folgen für die Opfer<br />
beschäftigen.<br />
Häufig ist es auch vom Selbstverständnis der<br />
jeweiligen Einrichtungen abhängig, ob man sie<br />
zum Kreis der Gedenkstätten für NS-Opfer rechnen<br />
kann. Vor allem an Orten jüdischer Geschichte,<br />
zumeist ehemaligen Synagogen oder<br />
Friedhöfen, bestehen Informationszentren. Einige<br />
von ihnen beschäftigen sich ausschließlich mit<br />
jüdischer Religion, Kultur <strong>und</strong> Geschichte - <strong>und</strong><br />
nicht mit deren Zerstörung in der NS-Zeit. Andere<br />
wiederum beziehen auch den Holocaust in ihre<br />
Bildungsarbeit mit ein.<br />
Die Geschichte des Ortes <strong>und</strong> dessen historische<br />
Zusammenhänge bilden den Fokus der jeweiligen<br />
Dokumentations- <strong>und</strong> Bildungsarbeit in den Gedenkstätten.<br />
Ausgehend von den Tatorten ist es nicht möglich,<br />
alleine an einem authentischen Ort die gesamte<br />
Breite des nationalsozialistischen Terrors darzustellen.<br />
Die Gedenkstätten in Deutschland verstehen<br />
sich jedoch als Netzwerk, das in s<strong>einer</strong> Gesamtheit<br />
alle Verbrechenskomplexe umfasst.<br />
Das Netzwerk der vielen Gedenkstätten mit den<br />
engen Formen des Austausches <strong>und</strong> der Zusammenarbeit<br />
untereinander, die vor allem durch das<br />
Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie<br />
des Terrors gefördert werden, ist Ausdruck <strong>einer</strong><br />
demokratischen Entwicklung dieser Erinnerungsinstitutionen.<br />
Die Erinnerungskultur wird<br />
nicht von <strong>einer</strong> übermächtigen Institution vorgegeben.<br />
Stattdessen befinden sich die zahlreichen<br />
Gedenkstätten in einem produktiven Wettstreit