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Erinnern und Verstehen – Schwerpunkte einer nachhaltigen ...

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Judentum, aber ohne ein weiteres Mal zu enteignen,<br />

indem wir jüdische Erinnerungsformen einfach<br />

übernehmen? Auf welche vergessenen Elemente<br />

der eigenen christlichen Tradition, die wie<br />

die jüdische eine »Erinnerungs- <strong>und</strong> Erzählgemeinschaft«<br />

(J.B. Metz) ist, können wir zurückgreifen?<br />

Das Vorzeichen, unter dem die folgenden Überlegungen<br />

stehen, ist mit folgenden Zitat von Elie<br />

Wiesel, markiert:<br />

»Die Frage aber lautet: Kann die Geschichte<br />

des Holocaust überhaupt vermittelt werden?<br />

Ich glaube nicht. Trotzdem, wir müssen es<br />

versuchen. Ich weiß, ich bin unfähig dazu,<br />

aber ich werde niemals aufgeben, es zu versuchen.«<br />

13 (Elie Wiesel)<br />

Alles notwendige pädagogische Bemühen um die<br />

Frage nach der Vermittlung dessen, was das Wort<br />

Schoah bedeutet, hat dieses »TROTZDEM« zum<br />

Ausgangspunkt.<br />

Nicht um fertige Konzepte kann es gehen, wohl<br />

aber um die Suche nach Kriterien <strong>und</strong> nach Wegen<br />

aus diesem Dilemma.<br />

Welche Kriterien haben wir gewonnen im Blick<br />

auf das <strong>Erinnern</strong> an die Schoa?<br />

– Ein sehr wichtiges Kriterium angesichts der<br />

biblischen Erinnerungsgeschichte ist, dass es<br />

offenbar insbesondere befreiende Erinnerungen<br />

sind, die Menschen brauchen. Wie aber<br />

ist angesichts der schrecklichen Schuld- <strong>und</strong><br />

Leidensgeschichte des Holocaust Erinnerung<br />

möglich, die befreiend <strong>und</strong> heilend ist?<br />

Wer in Yad Vashem in Jerusalem, der jüdischen<br />

Erinnerungsstätte an die Schoa, war,<br />

weiß, dass der Weg zur den Orten der Erinnerung<br />

durch die »Allee der Gerechten« führt.<br />

Das Wissen, dass es Menschen gegeben hat,<br />

die sich der Mordmaschinerie widersetzt haben,<br />

die sich geweigert haben, die auch ihr<br />

Leben dafür verloren, ist notwendig - um nicht<br />

völlig zu verzweifeln.<br />

In der pädagogischen Arbeit ist es wichtig,<br />

nicht nur das Grauen, den Abgr<strong>und</strong> der Verfolgung<br />

<strong>und</strong> Vernichtung sehen zu lehren.<br />

Lernende brauchen auch Ermutigungen, Menschen,<br />

die zu positiver Identitätsbildung einladen.<br />

Die Geschichten von HelferInnen <strong>und</strong><br />

RetterInnen zu erinnern, zu erzählen, zu rekonstruieren,<br />

dem Vergessen abzuringen, ist<br />

epd-Dokumentation 3/2005 29<br />

eine wichtige <strong>und</strong> bis heute unabgeschlossene<br />

Aufgabe. Was waren das für Menschen, was<br />

waren ihre Motive, woher nahmen sie Mut,<br />

Entschlossenheit, Kraft? Warum wurden sie<br />

nicht zu Mitläufern, Zuschauern, Tätern? Was<br />

ist an ihrem Verhalten, ihrer Persönlichkeit,<br />

den Bedingungen ihres Handelns zu lernen?<br />

Konkrete Zugänge für Unterricht <strong>und</strong> Projektarbeit<br />

werden im Buch »Schoa. Schweigen ist<br />

unmöglich« von Albrecht Lohrbächer, Helmut<br />

Ruppel, Ingrid Schmidt, Jörg Thierfelder 1999<br />

herausgegeben, vorgestellt. Hier finden sich<br />

Hintergründe zur jüdischen Tradition der »36<br />

verborgenen Gerechten«, auf denen, wenn sie<br />

auch unbekannt <strong>und</strong> verborgen sind, das<br />

Schicksal der Welt ruht. Weiter finden sich<br />

Literaturvorschläge, Hilfen zu regionalgeschichtlicher<br />

Spurensuche, Erarbeitungshilfen<br />

zu verschiedenen Filmen, z.B. zum Film<br />

»Schindlers Liste« unter dem Titel »Entscheidungen<br />

- Probeweise Rollenübernahme«; <strong>und</strong><br />

andere vielfältige Anregungen für Unterricht<br />

<strong>und</strong> Projektarbeit sowie Materialien.<br />

Natürlich birgt auch dieser Zugang Gefahren:<br />

die der Mythisierung von Helden; die der Verharmlosung<br />

der Schoa, die der Entlastung von<br />

Verantwortung - Gefahren, denen begegnet<br />

werden muss. Die anderen Geschichten, die<br />

der Täter <strong>und</strong> Mitläufer, aber auch die der<br />

Opfer, die keine Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungsspielräume<br />

mehr hatten, werden darüber<br />

nicht vergessen.<br />

Immer aber ist wichtig, nach Wegen des <strong>Erinnern</strong>s<br />

zu suchen, die nicht lähmen, sondern<br />

befreien zum verantworteten Umgang mit der<br />

Vergangenheit <strong>und</strong> damit mit der Zukunft,<br />

befreien zum Handeln im Hier <strong>und</strong> Jetzt.<br />

– Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Notwendigkeit<br />

des Erzählens.<br />

Erzählungen sind etwas anderes als historische<br />

Berichte <strong>und</strong> Dokumentationen, Essays<br />

<strong>und</strong> wissenschaftliche Abhandlungen. Sich<br />

auch nur auf eine der mittlerweile sehr vielen<br />

Geschichten oder Erzählungen, die es gibt,<br />

einzulassen - etwa »Die Nacht«, von Elie Wiesel<br />

- reicht aus, den Keim zum Fragen zu legen,<br />

das »Interesse« zu wecken im wahrsten<br />

Sinne des Wortes: Wir sind auf einmal mittendrin,<br />

mitten in <strong>einer</strong> Welt, zu der wir sonst<br />

keinen Zugang haben; wir müssen uns mit<br />

dieser anderen Welt auseinander setzen <strong>und</strong><br />

werden damit konfrontiert, »dass die Welt, in

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