Erinnern und Verstehen â Schwerpunkte einer nachhaltigen ...
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wollte. Denn vielfach waren <strong>und</strong> sind Mediziner,<br />
Psychiater, Psychotherapeut oder Sozialarbeiter<br />
nicht in der Lage oder auch bereit, sich die Greuel<br />
<strong>und</strong> ihre Folgen anzuhören.«<br />
Ein Trauma kann aber nur dann durchgearbeitet -<br />
<strong>und</strong> das heißt nicht verarbeitet oder geheilt -<br />
werden, wenn ein sicheres Band (Vertrauen) mit<br />
<strong>einer</strong> anderen Person geknüpft ist; dieses kann<br />
helfen, die Psyche zusammenzuhalten, wenn die<br />
Drohung physischer Desintegration wieder erlebt<br />
wird. Vor allem wiederholte Gespräche über die<br />
traumatischen Erinnerungen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen<br />
Gefühle können Furcht, depressive<br />
Verstimmungen, ängstliches Wiedererinnern,<br />
Schlafstörungen, Albträume, Resignation, gemütsmäßige<br />
»Ertaubung«, geistige Einbußen,<br />
vegetative Entgleisungen (z.B. Schweißausbrüche)<br />
sowie entsprechendes Vermeidungsverhalten<br />
<strong>und</strong> damit Rückzug <strong>und</strong> Isolationsgefahr verringern.<br />
Auf dem ersten esra-Seminar für Psychotherapeuten<br />
»Folgen der Extremtraumatisierung in der<br />
2. <strong>und</strong> 3. Generation« am 10. November 1991 in<br />
Berlin hat Johan Lansen (s.o.) erklärt, dass es<br />
kein generelles <strong>und</strong> verallgem<strong>einer</strong>bares »Zweite<br />
Generations-Syndrom« gibt. Es war <strong>und</strong> ist nicht<br />
möglich, klinische Erscheinungen gestörter Nachkommen<br />
von Überlebenden zu generalisieren.<br />
Wie ein traumatisches Erlebnis individuell wirkt,<br />
ist von vielen Faktoren abhängig, wie dem Alter,<br />
das der Überlebende zur Zeit der Verfolgung hatte,<br />
dem Verlust oder Nicht-Verlust von Ehepartnern<br />
<strong>und</strong> Kindern, den Umständen des Überlebens<br />
- ob im Ghetto <strong>und</strong> KZ oder im Untergr<strong>und</strong>,<br />
mit falschen Papieren als »Christ« oder als Partisan<br />
<strong>und</strong> Widerstandskämpfer - <strong>und</strong> von ganz<br />
persönlichen Ressourcen <strong>und</strong> Bewältigungsstrategien.<br />
So gibt es auch Überlebende, die trotz<br />
schwerster Traumatisierungen erstaunlich erfolgreiche<br />
Eltern waren. Generell aber kann eine<br />
erhöhte psychische Verletzbarkeit der Kinder von<br />
Überlebenden verzeichnet werden: Die Zweite<br />
Generation - <strong>und</strong> möglicherweise auch die dritte -<br />
habe mit psychischen Problemen in insbesondere<br />
drei Bereichen zu kämpfen: adäquate Gefühlsäußerung,<br />
Autonomie-Entwicklung <strong>und</strong> Identitätsbildung.<br />
9<br />
Kinder von Überlebenden können - infolge von<br />
Schweigen <strong>und</strong> Tabus - häufig Gefühle, v.a. Aggressionen<br />
<strong>und</strong> Wut, nicht angemessen empfinden<br />
<strong>und</strong> situationsadäquat äußern. »Ich fühle fast<br />
gar nichts, als wäre ich halb erfroren«, sagt Ziona,<br />
Tochter Überlebender, verheiratet <strong>und</strong> mehrfache<br />
epd-Dokumentation 3/2005 43<br />
Mutter, in <strong>einer</strong> therapeutischen Gruppensitzung.<br />
Sie fährt fort:<br />
»Manchmal spüre ich das Bedürfnis, Sefi [ihren<br />
Mann] zu provozieren, damit wir uns streiten<br />
<strong>und</strong> er mich anschreit. In m<strong>einer</strong> Phantasie wünsche<br />
ich mir vielleicht sogar, dass er mich<br />
schlägt, nur damit ich endlich etwas fühle...<br />
Kinder von Überlebenden können -<br />
infolge von Schweigen <strong>und</strong> Tabus -<br />
häufig Gefühle, v.a. Aggressionen <strong>und</strong> Wut,<br />
nicht angemessen empfinden <strong>und</strong> situationsadäquat<br />
äußern.<br />
Starke Empfindungen zu haben ist so beängstigend.<br />
Ich habe nie erlebt, dass meine Mutter die<br />
Gefühle von jemand anderem wirklich teilen<br />
konnte. Sie ist zwar >dort