Erinnern und Verstehen â Schwerpunkte einer nachhaltigen ...
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sen. Jedoch berühren diese authentischen Orte<br />
viele Besucher. Dieser Umstand gibt zunächst<br />
k<strong>einer</strong>lei Erklärung über die Geschichte des Ortes.<br />
Er ist aber die Motivation, sich mit den historischen<br />
Abläufen auseinander setzen zu wollen,<br />
<strong>und</strong> ein Gr<strong>und</strong> für die Besonderheit dieses Lernortes.<br />
Die »st<strong>einer</strong>nen Zeugen« können die Zeitzeugen<br />
nicht ersetzen. Aber gerade im aktuellen Wandlungsprozess<br />
ist es von großer Bedeutung, die<br />
Bildungsarbeit so zu strukturieren, dass die Geschichte<br />
aus der Perspektive der Opfer dargestellt<br />
<strong>und</strong> zugleich dem zunehmenden zeitlichen <strong>und</strong><br />
biografischen Abstand zu dieser Geschichte<br />
Rechnung getragen wird.<br />
Die Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen<br />
hat sich vor vier Jahrzehnten zunächst an der<br />
»Schuldfrage« orientiert, indem durch die Studentenbewegung<br />
Ende der sechziger Jahre nach<br />
der Beteiligung der Väter an den NS-Verbrechen<br />
gefragt wurde. Der Begriff »Väter« wurde dabei<br />
durchaus im übertragenen Sinne auch für die<br />
Lehrkörper genutzt, bei denen man in der Ausbildung<br />
war. Bei Medizinern, Juristen sowie vielen<br />
anderen Fakultäten war das Entsetzen teilweise<br />
groß, als deren Verstrickung in das NS-Regime<br />
bekannt wurde.<br />
Für die nachfolgende Generation beschreibt der<br />
Begriff der »Verantwortung« am ehesten die Art<br />
<strong>und</strong> Weise des Umgangs mit der NS-Vergangenheit.<br />
Die Übernahme der Verantwortung, wie mit<br />
der Aufarbeitung der Geschichte im Nachkriegsdeutschland<br />
umgegangen wird <strong>und</strong> welche Lehren<br />
man daraus zog, war für die westdeutsche<br />
Gesellschaft neu. Wobei eine besondere Bedeutung<br />
spielt, dass die NS-Geschichte durch den<br />
Kontakt mit Überlebenden präsent war <strong>und</strong> der<br />
moralische <strong>und</strong> politische Anspruch, diese Menschen<br />
anzuerkennen <strong>und</strong> sie für die von Deutschen<br />
an ihnen begangenen Verbrechen finanziell<br />
zu entschädigen, immer wieder eingeklagt wurde.<br />
Die Forderung nach Bereitstellung von Finanzen<br />
rief immer wieder größten Widerstand in allen<br />
Bereichen der Politik <strong>und</strong> Wirtschaft hervor. Gerade<br />
bei dem Eintreten für die Entschädigung<br />
konnten am ehesten Zweifel auftreten, was sich<br />
in dieser Gesellschaft eigentlich verändert hat.<br />
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die gesellschaftliche<br />
Rezeption der NS-Geschichte verändert.<br />
Damit, dass die NS-Zeit vielfältig bearbeitet<br />
ist <strong>und</strong> mit jeder Buchneuerscheinung oder<br />
Filmpremiere eine weitere Information in das<br />
historische Mosaik eingefügt wird, bekennt sich<br />
epd-Dokumentation 3/2005 19<br />
die Gesellschaft auch zu den NS-Verbrechen.<br />
Symbolhafte <strong>und</strong> rituelle Handlungen werden Teil<br />
des öffentlichen Lebens, Denkmäler werden an<br />
vielen Orten neu geschaffen. Dieser Bestandteil<br />
des kulturellen Gedächtnisses ist sehr zweischneidig<br />
<strong>und</strong> es wird in Zukunft davon abhängen,<br />
wie man die Rituale <strong>und</strong> Symbole in eine<br />
lebendige Diskussion einbeziehen kann.<br />
Am Beispiel des in Berlin geplanten Mahnmals<br />
für die ermordeten Juden Europas kann man<br />
diese Problematik aufzeigen: Sehr ausführlich ist<br />
von Politikern über Standort <strong>und</strong> Inhalt des<br />
Mahnmals diskutiert worden, die Feuilletonseiten<br />
aller Zeitungen waren über einen langen Zeitraum<br />
voll von den Kontroversen über dieses<br />
Denkmal. Die parlamentarischen Vertreter<br />
Deutschlands haben sich am Ende entschieden,<br />
das Denkmal auf einem unübersehbaren, großen<br />
Platz im Zentrum der B<strong>und</strong>eshauptstadt zu errichten.<br />
Dies ist ein deutliches Zeichen dafür,<br />
dass sich die politische Klasse zur Darstellung des<br />
zentralen Verbrechenskomplexes der NS-Zeit<br />
bekennt.<br />
Mitglieder <strong>einer</strong> Gruppe von VW-Lehrlingen, die<br />
am Tag der Opfer des Nationalsozialismus, dem<br />
27. Januar 1999, vom B<strong>und</strong>estagspräsidenten<br />
eingeladen waren, haben in <strong>einer</strong> Diskussionsr<strong>und</strong>e<br />
im Reichstag deutlich darauf hingewiesen,<br />
dass sie dieses Holocaust-Denkmal als eine Sache<br />
der Politik ansehen, mit der sie wenig verbinden.<br />
Für sie ist ihre eigene Studienfahrt in die Gedenkstätte<br />
Auschwitz, die dortige Arbeit zusammen<br />
mit polnischen <strong>und</strong> tschechischen Auszubildenden<br />
zum Erhalt der Gedenkstätte, ihre persönliche<br />
Form der Beschäftigung mit der Geschichte<br />
<strong>und</strong> der Entwicklung <strong>einer</strong> Empathie für die Menschen,<br />
die dort gelitten haben. Das geplante Berliner<br />
Mahnmal sehen sie als etwas von der »großen<br />
Politik« Geschaffenes an, das nichts mit ihnen<br />
zu tun hat.<br />
Dieses eine Beispiel macht deutlich, wie notwendig<br />
es ist, die Rituale <strong>und</strong> Symbole, deren Bedeutung<br />
für die Gesellschaft vorhanden ist, so<br />
umzusetzen <strong>und</strong> zu vermitteln, dass sich auch<br />
durchaus engagierte <strong>und</strong> interessierte Bürger<br />
dieses Landes darin wiederfinden.<br />
U.a. die Gedenkfeierlichkeiten in der DDR haben<br />
gezeigt, wie groß die Gefahr ist, dass die Rituale<br />
sinnentleert <strong>und</strong> damit letztendlich kontraproduktiv<br />
werden können.<br />
Mit der größeren gesellschaftlichen Bedeutung<br />
des Gedenkens an die NS-Opfer besteht die Ge-