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Durchbruch - Credit Suisse eMagazine - Deutschland

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Fotos: Seiten 12–15; Gerard Til, Hollandse Hoogte, Laif | Goos van der Veen, Hollandse Hoogte, Laif<br />

Text: Ute Eberle<br />

Richtig schlimm wurde es, als die Flut zurückkam. Es war der erste<br />

Februar 1953 und Südwestholland war verwüstet. Ein Wintersturm<br />

hatte in der Nacht gewaltige Wassermassen auf die Küste geschoben.<br />

Die Sturmwelle vereinte sich mit einer Springflut, so dass im<br />

Fährhafen Hoek van Holland der Pegel auf 3,85 Meter über normal<br />

stieg. Im Küstenort Vlissingen waren es 4,55 Meter.<br />

Um drei Uhr früh brach der erste Deich, und bis zum Morgen hatte<br />

das Wasser 467 Breschen in die maritimen Verteidigungslinien<br />

geschlagen. Beim Dorf Stavenisse brachen gleich 1,8 Kilometer weg.<br />

Ganze Ansiedlungen sackten ein wie Strandburgen, und wo noch<br />

etwas stand, drängten sich Menschen auf Speichern und beteten,<br />

dass der Dachstuhl ihr Gewicht halten würde.<br />

Als die Flut am Nachmittag wiederkehrte, stieg das Wasser noch<br />

höher. Viele Leute flohen nun auf die Dächer, die freilich manchmal<br />

von den Wellen einfach abgehoben wurden, so dass ertrank, wer<br />

sich nicht festhalten konnte. 1835 Niederländer starben in der Flut<br />

von 1953. Rund 200000 wurden obdachlos. 47000 Gebäude wurden<br />

beschädigt oder zerstört. Mehrere zehntausend Kühe und 165000<br />

Hühner trieben tot durch die Landschaft. Und doch war dies nicht die<br />

schlimmste Katastrophe der Geschichte. 1421 ertranken bei einer<br />

Flut mindestens 10000 Niederländer, 1570 vermutlich über 3000.<br />

Und in den Jahrhunderten davor und danach Abertausende mehr.<br />

Zwei Drittel unter dem Meeresspiegel<br />

Wer heute nach Amsterdam fliegt, landet bereits drei Meter unter<br />

<br />

knappe Autostunde von einem der tiefsten Punkte Europas. Der Zuidplaspolder<br />

zwischen Rotterdam und Gouda liegt fast sieben Meter<br />

unter Null. Und in grossen Teilen des Lands sinkt der Boden – als<br />

Folge von geologischen Prozessen, Erdgasförderung oder absa-<br />

<strong>Durchbruch</strong> in den Niederlanden 15<br />

ckendem Grundwasserspiegel. Rund zwei Drittel der Niederlande<br />

liegen unter dem Meeresspiegel. Fast zehn Millionen Menschen<br />

leben hier, sie produzieren 65 Prozent des Bruttosozialprodukts.<br />

«Forscher sagen, dass wir hier nicht wohnen sollten», gesteht<br />

Herman Havekes von der Unie van Waterschappen, dem Zusammenschluss<br />

regionaler Wasserämter. «Aber die meisten Holländer<br />

denken sich da nichts mehr dabei.» Insgesamt wohnen gut 16 Millionen<br />

Menschen in den Niederlanden – es ist eine der dichtbevölkertsten<br />

Regionen der Welt.<br />

Im Norden des Lands entdeckten Archäologen vor einiger Zeit<br />

die Reste eines alten Erddeichs. Möglicherweise wurde er bereits<br />

zwei Jahrhunderte vor Christi aufgeschaufelt. Seither haben die<br />

Menschen hier nicht aufgehört, das Wasser zurückzudrängen.<br />

Was die Niederlande heute bewohnbar macht, sind rund 3500<br />

Kilometer an Deichen und Dünen entlang der Küsten und Flüsse –<br />

das entspricht rund zehn Mal der Längenausdehnung des Lands.<br />

Dazu kommen rund 14 000 Kilometer an sekundären Dämmen<br />

und Wällen entlang Kanälen, Buchten und Poldern. Tausende<br />

Menschen arbeiten ununterbrochen daran, die Republik trocken<br />

zu halten. Die Kosten dafür belaufen sich auf rund 1,4 Millionen<br />

Euro pro Tag.<br />

Mächtige Flutbarrikaden<br />

Als Antwort auf die Katastrophe von 1953 baute die Nation ein<br />

System dynamischer Flutbarrikaden, die derart mächtig sind, dass<br />

sie manchen als achtes Weltwunder gelten. Sie fertig zu stellen,<br />

beanspruchte Jahrzehnte. Erst 1997 wurde die letzte Komponente<br />

der so genannten Deltawerke vollendet. Die «Maeslantkering» vor<br />

Rotterdam besitzt zwei bewegliche Tore, die beide fast so lang sind<br />

wie der Eiffelturm hoch. Droht eine Sturmflut, riegelt sie die internationale<br />

Hafenstadt von der Nordsee ab. In den bisher elf Jahren<br />

ihres Bestehens wurde sie einmal geschlossen.<br />

><br />

Obwohl ein Grossteil der Übung ausschliesslich am Schreibtisch durchexerziert wird, kommt es an verschiedenen Orten zu handfesten<br />

Rettungsaktionen. Militär- und Zivilschutzeinheiten bergen Menschen von Dächern mit Booten und Helikoptern.<br />

<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin 1/09

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