Durchbruch - Credit Suisse eMagazine - Deutschland
Durchbruch - Credit Suisse eMagazine - Deutschland
Durchbruch - Credit Suisse eMagazine - Deutschland
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
72<br />
Leader Lorin Maazel<br />
Geborenam6.März1930im<br />
französischen Neuilly-sur-Seine<br />
als Kind amerikanischer Eltern,<br />
wuchs Lorin Maazel in den USA auf.<br />
MitfünfJahrennahmerseineerste<br />
Geigenstunde, mit sieben Jahren<br />
Unterricht in Orchesterleitung.<br />
Im Alter von 9 bis 15 Jahren dirigierte<br />
er die meisten der bekannten<br />
amerikanischen Orchester. Mit 17<br />
schriebersichanderUniversität<br />
Pittsburgh ein, um Sprachen,<br />
Mathematik und Philosophie zu<br />
studieren. Als Student spielte<br />
er Geige im Pittsburgh Symphony<br />
Orchestra.Mit23Jahrenkehrte<br />
er als Dirigent auf die Bühne zurück<br />
und etablierte sich schnell als<br />
bedeutender Künstler. Maazel, der<br />
über 150 Orchester in über 5000<br />
Opern- und Konzertaufführungen<br />
dirigierte, wurde im September<br />
2002 zum Musikdirektor des New<br />
York Philharmonic ernannt. Ausserdem<br />
komponierte er eine Oper,<br />
«1984», die auf dem gleichnamigen<br />
Roman von George Orwell basiert.<br />
<br />
Ehrungen amtet Lorin Maazel auch<br />
als Goodwill-Botschafter der<br />
Vereinten Nationen.<br />
www.maestromaazel.com<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin 1/09<br />
positiv. Wenn uns dies Mal für Mal gelingt,<br />
werden wir berühmt, aber der Ruhm vergeht<br />
bald, und in 30 Jahren werden sich die Menschen<br />
nicht mehr an unseren Namen erinnern.<br />
Wir sind Menschen des Augenblicks. Das gilt<br />
für uns alle, aber vor allem für Interpreten.<br />
Im Rampenlicht zu stehen, hat auch<br />
Nachteile – denken wir an die Kritiken.<br />
Nur Leute, die keine Ahnung von Musik haben,<br />
werden Musikkritiker. Deshalb mache<br />
ich mir nichts aus ihrer Meinung.<br />
Welche Charaktereigenschaften sollte<br />
ein erfolgreicher Dirigent mitbringen?<br />
Es gibt gewisse natürliche Anlagen, wie zum<br />
Beispiel ein hervorragendes Gedächtnis und<br />
vorzugsweise ein perfektes Tonbewusstsein,<br />
das heisst die Fähigkeit, die Anzahl Schwingungen<br />
in jeder Note zu erkennen und damit<br />
die Note selbst zu benennen. Man muss auch<br />
öffentlich auftreten und den Leuten, für die<br />
man spielt, vertrauen können. Man sollte den<br />
Wunsch haben, ihnen neue musikalische<br />
Perspektiven zu eröffnen und sie als Zuhörer<br />
zu erfreuen. Und man muss Respekt haben<br />
vor den grossen Komponisten, die uns die<br />
Musik geschenkt haben, die wir aufführen.<br />
Wie wichtig ist es für einen Dirigenten,<br />
sein Orchester zu motivieren?<br />
Dazu sind wir da. Meine Aufgabe ist es, den<br />
Musikern das Gefühl zu geben, dass all die<br />
Jahre, die sie mit ihrem Instrument geübt<br />
haben, und die vielen Stunden, die sie täglich<br />
investieren, um technisch fit zu bleiben, einem<br />
Zweck dienen und wertvoll sind.<br />
DasisteinhoherAnspruch.<br />
Offenbar ist Vertrauen ein wesentliches<br />
Element der Motivation.<br />
In der Tat versucht man als Erstes, die Erwartungen<br />
in professioneller Hinsicht zu<br />
erfüllen, um den Respekt der Musiker zu gewinnen.<br />
Respekt lässt sich nicht aufoktroyieren,<br />
man muss ihn sich verdienen. An zweiter<br />
Stelle kommt die musikalische Motivation.<br />
Man muss spüren, dass die Musik, die man<br />
verlangt, auf einer Art musikalischer Logik<br />
beruht, auf einer gezielten Nutzung des musikalischen<br />
Instinkts.<br />
Ihr Orchester besteht aus hoch<br />
begabten Musikern. Wie gehen<br />
Sie mit individuellen Temperamenten<br />
und Bedürfnissen um?<br />
Jeder Musiker hat seine eigene Art, Musik<br />
zu machen und sich auszudrücken. Ich versuche<br />
nach Kräften, eine persönliche musikalische<br />
Auffassung in eine grössere<br />
Struktur einzubringen. Wenn ich mit dem<br />
musikalischen Standpunkt eines Solisten<br />
grundsätzlich nicht einverstanden bin, er-<br />
kläre ich ihm oder ihr meine Gründe im persönlichen<br />
Gespräch. Neun von zehn Malen<br />
ist das, was die Vorspieler bieten, von höchster<br />
Qualität. Ich liebe es, die Individualität<br />
ihres Ausdrucks in diese übergeordnete<br />
Struktur einzubauen. Daraus entsteht ein<br />
Kaleidoskop von Farben und Phrasierungen,<br />
die dank der führenden Hand des Dirigenten,<br />
der sich um das Timing und die Struktur kümmert,<br />
optimal ineinandergreifen.<br />
Sie erklären Ihre Tätigkeit auf<br />
poetische Art. Liegt das an der Natur<br />
der Musik?<br />
<br />
einer gewissen Religiosität entstammt, wo<br />
Mitgefühl mit den Massen in Requiems zum<br />
<br />
sehr emotionalen Ebene zu berühren.<br />
Ist die Musik Ihrer Ansicht nach in<br />
der Lage, die Kluft zwischen Klassen und<br />
Kulturenzuüberbrücken?<br />
Das ist in jedem Fall ein anspruchsvolles Ziel,<br />
aber die klassische Musik kann der universellen<br />
Anziehungskraft näher kommen als<br />
jede andere Aktivität. Die Empfänglichkeit<br />
für klassische Musik vereint Menschen der<br />
unterschiedlichsten Klassen.<br />
In mein Gedächtnis sind Momente eingraviert,<br />
die dies veranschaulichen, zum Beispiel,<br />
als das «Star-Spangled Banner» (das<br />
Sternenbanner), die offizielle Nationalhymne<br />
der USA, vom New York Philharmonic im<br />
Februar 2008 erstmals in Nordkorea gespielt<br />
wurde – vor einem Publikum, das hauptsächlich<br />
aus Regierungskadern bestand. Und am<br />
Ende spendeten sie Applaus. Das war ein<br />
denkwürdiges Ereignis. Ich kann mir kein<br />
besseres Beispiel für die Art und Weise vorstellen,<br />
wie Musik die Menschen zusammen-<br />
<br />
Banner» kein klassisches Werk ist.<br />
Seit drei Jahrzehnten unterstützen Sie<br />
Organe der Vereinten Nationen. Werden<br />
Sie dies nach dieser Saison weiterhin tun?<br />
Ich versuche, unpolitische Organisationen zu<br />
unterstützen, aber die sind schwer zu finden.<br />
Meiner Ansicht nach sollten Künstler von der<br />
Parteipolitik und von politischen Neigungen<br />
getrennt werden. Wenn ich meine Dienste<br />
zur Verfügung stelle, versuche ich dies für<br />
einen konkreten Zweck zu tun, etwa für<br />
Kinder, die lebenswichtige Schutzimpfungen<br />
gegen Krankheiten benötigen. Ab 2010 will<br />
ich dem noch mehr Zeit widmen.<br />
Welches war Ihr denkwürdigstes<br />
Konzert für einen wohltätigen Zweck?<br />
Ich bin in vielen Ländern aufgetreten, in denen<br />
die politische Haltung gegenüber ><br />
Fotos: Chris Lee | Lucien Aigner, Corbis | Nina Leen, Getty Images | Erich Auerbach, Getty Images