3,7 Mrd. Menschen mit Internetzugang 3 Mrd. Menschen ohne Internetzugang
Foto: NASA, JPL Das Internet aus dem Weltall Wirtschaft Satelliten 61 Man stelle sich eine Welt vor, in der jeder Bewohner Zugang zum Internet hat. Was sich wie eine Utopie anhört, könnte dank Satellitentechnologie schon bald Realität werden. Neben Internetschwergewichten wie Google arbeiten auch die führenden Satellitenbetreiber am Internet aus dem All. Das eröffnet auch Chancen für Anleger. Text: Uwe Neumann, Research Analyst, Zürich Mit dem Codenamen O3B will der Internetmarktführer Google zusammen mit der britischen Bank HSBC einen Internetzugang über Satellit einführen. Die Abkürzung O3B steht für «other 3 billion» (die anderen 3 Milliarden), womit die Menschen gemeint sind, die noch keinen Zugang zum Internet haben, weil sie sich keinen leisten können oder weil die Infrastruktur dafür nicht zur Verfügung steht. Bis zum Jahr 2010 soll dieser Dienst aufgebaut werden. Die beiden Firmen sind gewillt, bis zu 750 Millionen US-Dollar in den Aufbau zu investieren. Neue Satelliteninfrastruktur für Europa Internet via Satellit wird auch in Paris propagiert. Die Initiative «Digital France 2012» sieht vor, bis ins Jahr 2012 jedem französischen Haushalt Zugang zum Internet zu ermöglichen, auch dort, wo es keine Kabelanschlüsse gibt. Eutelsat will dabei mit seinem Tooway Internetdienst eine bedeutende Rolle spielen. Der zweitgrösste europäische Satellitenbetreiber hat dieses Jahr begonnen, in eine neue Satelliteninfrastruktur für ganz Europa zu investieren, die den Internetzugang via Satellit auf die Qualitätsstufe des terrestrischen Kabelnetzzugangs heben soll. In der Schweiz hat sich Swisscom Anfang des Jahres dafür ausgesprochen, diesen Dienst komplementär zum Breitbandangebot künftig via DSL-Leitung anzubieten. Damit könnte das Unternehmen die Auflage des Gesetzgebers erfüllen, die Grundversorgung in allen Landesteilen bis ins Jahr 2017 zu garantieren. Bisher verdienen die Betreiber von Satellitendiensten ihr Geld vorwiegend über Fernseh- oder Video-on-demand-Angebote. Wachstumstreiber sind der rapide Anstieg von neuen Pay-TV-Sendern vor allem in Schwellenländern sowie das steigende Angebot an Fernsehkanälen und der zunehmende Wunsch nach besserer Übertragungsqualität (High-Definition TV). Hauptabnehmer der Übertragungskapazitäten von Satellitenbetreibern sind Medien- und Fernsehgesellschaften, die öffentliche Hand (beispielsweise das Militär), aber eben auch zunehmend Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche. Seit Juli letzten Jahres bietet zum Beispiel der grösste europäische Satellitenbetreiber SES Telekommunikationsfirmen in den USA mit Erfolg das Produkt IP-Prime an. Es bietet eine kostengünstige Einspeisung von Fernseh-, Pay-TV- und Musikkanälen in die IP-TV-Plattformen (TV über Internetprotokoll) der Telekommunikationsdienstleister an. Ähnliches will das europäische Satelliten- Duopol Eutelsat und SES mit jeweils eigenen Produkten auch in Europa umsetzen. Beide Unternehmen sehen einen potenziellen Markt von 15 bis 30 Millionen Haushalten, die Telekommunikationsunternehmen mit Internet über Satellit kostengünstiger und qualitativ besser versorgen könnten als über ihr Kupferdrahtnetz. Das von SES seit rund einem Jahr angebotene Produkt ASTRA- 2Connect kann nach anfänglichen Startschwierigkeiten derzeit einen Zuwachs von 10 000 Anschlüssen pro Monat aufweisen. Mit einem geschätzten Jahresumsatz von 35 Millionen Euro ab 2010 dürfte dieser Service jedoch eher ein Nischendasein fristen, zumal der potenzielle Kunde relativ hohe Ausrüstungskosten zu tragen hat. Das Interesse der Telekommunikationsdienstleister an Internetdiensten über Satellit geht allerdings noch viel weiter. Über die Nutzung von Satelliten eröffnen sich vor allem für Mobilfunkdienste interessante neue und kostengünstige Möglichkeiten. Bisher bieten die Telekommunikationsunternehmen mobiles Internet und Fernsehen über ihre UMTS-Netzwerke an, was viel Bandbreite benötigt und daher für den Endverbraucher noch relativ teuer ist. Zukünftig könnten dagegen TV-, Internet-, Video- oder Musikinhalte digital von Satelliten in terrestrische Netzwerke eingespeist werden und kostengünstig an den mobilen Endverbraucher weitergeleitet werden. Diese Dienste könnten mit Navigations- und Standortinformationen kombiniert werden (GPS), was ein breites Spektrum an neuen Diensten eröffnen würde. Das europäische Satelliten-Duopol Eutelsat und SES hat bereits 2006 ein Joint Venture namens Solaris gegründet, der solche Dienste Telekommunikationsfirmen anbieten soll. Im Frühjahr 2009 sollen die nötigen Frequenzen vergeben werden. Nachfrage übersteigt Angebot In einem sich verschlechternden ökonomischen Umfeld dürften sich Satellitenbetreiber relativ gut schlagen. Ihre langfristigen Kundenverträge machen die zukünftigen Einnahmen relativ transparent. Überkapazitäten existieren nicht, die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. Die Branche ist zwar kapitalintensiv und der Verschuldungsgrad relativ hoch, die Refinanzierungen sind jedoch entsprechend langfristig gesichert und Preisüberwälzungsspielräume sind hoch. Der Sektor ist daher als relativ defensives Investment zu sehen, dessen neue, beschriebenen Perspektiven noch nicht vom Markt wahrgenommen werden. < <strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin 1/09