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Neuweiler gestern und heute

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zurückkehrenden Kriegsgefangenen wieder einzugliedern.<br />

Dies ging natürlich alles nicht ohne Sorgen <strong>und</strong> Nöte<br />

ab. Noch <strong>heute</strong> sind Flächen in den Wäldern als „Franzosenschläge“<br />

bekannt: Hier war Holz zu schlagen <strong>und</strong> in<br />

Richtung Westen abzuliefern.<br />

Von den fremden Soldaten wurden Wohnungen durchwühlt,<br />

Schmuck, Uhren <strong>und</strong> andere Gegenstände konfisziert.<br />

Da mussten die Fahrräder, dort die Nähmaschinen<br />

abgeliefert werden. Manches Haus, mancher Gegenstand<br />

war einfach vorübergehend oder auf Dauer beschlagnahmt;<br />

Rechtsmittel gab es da ebenso wenig, wie wenn<br />

noch Schlimmeres erfolgte, etwa manche Frau vergewaltigt<br />

wurde. Eine mutige diesbezügliche Beschwerde des<br />

<strong>Neuweiler</strong>’ Bürgermeisters Friedrich Hanselmann beim<br />

örtlichen Truppenchef wurde mit einem Achselzucken <strong>und</strong><br />

der Bemerkung abgetan, dies hätten ja deutsche Soldaten<br />

genauso gemacht.<br />

Die Kuh der Zwerenberger Witwe durfte wieder heim<br />

Zur Versorgung der Besatzungsmacht hatte beispielsweise<br />

die Gemeindeverwaltung Zwerenberg zu einem<br />

Termin 20 Stück Vieh bereitzustellen, dessen Qualität vorgeschrieben<br />

war <strong>und</strong> dessen Auswahl von einem französischen<br />

Offizier überwacht wurde. So hart es dabei zuging,<br />

es gab auch hier gelegentlich einmal eine gnädige<br />

Wendung: Eine Witwe mit sieben Kindern <strong>und</strong> allein mit<br />

Einkommen aus ihrer Landwirtschaft sollte einer ihrer drei<br />

Kühe beraubt werden, die mit einer zweiten auch noch als<br />

Arbeitstier gewöhnt war. Der älteste Sohn begleitete das<br />

den Besitzern auferlegte Verbringen des Tieres nach Altensteig<br />

zum Bahnhof. Dort stand der Junge weinend neben<br />

dem zum Abtransport bestimmten Tier, was ein französischer<br />

Veterinär bemerkte <strong>und</strong> nach dem Gr<strong>und</strong> fragte.<br />

„Wir haben nur drei Kühe, davon müssen wir mit sieben<br />

Geschwistern leben“, war die Antwort. Der Franzose<br />

klopfte dem Jungen auf die Schulter <strong>und</strong> sagte: „Junge,<br />

du darfst die Kuh wieder mit nach Hause nehmen.“<br />

Aus allen Dörfern blieben Väter <strong>und</strong> Söhne im Feld, in<br />

allen Dörfern herrschte nach der Besetzung Angst <strong>und</strong><br />

Schrecken. Einzelne versteckten sich oder ihr Hab <strong>und</strong><br />

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Gut im Wald, manche mit Erfolg, die meisten nicht. Die<br />

französischen <strong>und</strong> vorwiegend polnischen Kriegsgefangenen<br />

durften nach Hause – <strong>und</strong> fehlten in der Landwirtschaft,<br />

wo eben mancher deutsche Soldat erst Jahre später<br />

nach der Kriegsgefangenschaft wieder Stütze sein<br />

konnte, wenn er Krieg <strong>und</strong> Gefangenendasein ges<strong>und</strong><br />

überlebt hatte. Es spricht für die Bevölkerung im Oberen<br />

Wald <strong>und</strong> deren Umgang mit den Gefangenen, dass diese<br />

sich vielfach gegenüber den Besatzungstruppen zugunsten<br />

der Einheimischen verwendeten – <strong>und</strong> inzwischen<br />

den zeitweiligen Zwangs-Arbeitsort <strong>und</strong> alte Bekannte<br />

aus jener Zeit hier oft mehr als einmal besuchten. Dass in<br />

böser Zeit Gutes mit Gutem vergolten wurde, ersparte der<br />

Bevölkerung <strong>und</strong> dem Einzelnen nach der Besetzung<br />

manches Problem.<br />

Geldmangel war nach dem Krieg meist nicht die große<br />

Sorge, sondern dass man für die Scheine <strong>und</strong> Münzen<br />

nichts bekam. Deshalb florierte der Tauschhandel. Holz<br />

gegen Schotter, Kleider, Schuhe <strong>und</strong> Ersatzteile für<br />

Maschinen gegen Lebensmittel oder Schnaps gegen<br />

Benzin hieß es da bereitzuhalten. Die unterschiedlich besetzten<br />

Zonen (also französische, amerikanische <strong>und</strong><br />

weiter entfernt englische <strong>und</strong> russische) wirkten wie Landesgrenzen,<br />

zu deren Überschreitung Passierscheine<br />

<strong>und</strong> Genehmigungen notwendig waren. Ausweise waren<br />

teils mehrsprachig. In Schwung kam die Wirtschaft erst<br />

nach der Währungsreform 1948 <strong>und</strong> der Einführung der<br />

D-Mark.<br />

GESCHICKT NUTZTE AGENBACH DIE ZEIT NACH<br />

DER WäHRUNGSREFORM<br />

Agenbach erkannte die Zeichen der neuen Zeit. Dort<br />

wurde rasch eine Bodenreform angegangen, deren Ergebnisse<br />

nach Rodungen <strong>und</strong> Zuteilung der neuen Felder<br />

1955 schon im Jahr danach rechtskräftig wurden. 1952<br />

wurde mit 80 % Staatszuschuss eine Kanalisation begonnen,<br />

deren Herstellung 1974 abgeschlossen <strong>und</strong> 1975 mit<br />

der Errichtung der Kläranlage schon durch die neue<br />

Gemeinde <strong>Neuweiler</strong> endgültig in eine geordnete Abwasserentsorgung<br />

führte. 1953 entstand ein Schlacht- <strong>und</strong>

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