GL 1/2011 - der Lorber-Gesellschaft ev
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<strong>GL</strong> 1/<strong>2011</strong> Gotteserfahrung<br />
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Erlebten und Geschauten.“ (Scheler)<br />
Als CG. Jung in einem Interview gefragt wurde, ob er als junger Mann<br />
an Gott geglaubt habe, antwortete er mit „Ja“. Als <strong>der</strong> Reporter weiter<br />
wissen wollte, ob das auch noch jetzt auf ihn als alten Mann zuträfe,<br />
meinte Jung: „Nein, ich glaube nicht, ich weiß - denn ich habe Gott<br />
erfahren.“<br />
Während in <strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong> Intellekt an erster Stelle steht, ist es in<br />
<strong>der</strong> Mystik die Intuition. Die Philosophie versucht von außen her, die<br />
Wahrheit in den Griff zu bekommen; <strong>der</strong> Mystiker von innen, ihr auf den<br />
Grund zu kommen. Der Philosoph trachtet danach, die Wahrheit zu begreifen,<br />
<strong>der</strong> Mystiker lässt sich von ihr er-greifen. Der Philosoph bildet<br />
sich eine Anschauung, eine Welt-Anschauung; dem Mystiker wird die<br />
Welt, das, was sie im Innersten zusammenhält, in einer inneren Schau<br />
zuteil. Der Philosoph analysiert und spekuliert; <strong>der</strong> Mystiker schaut und<br />
wird gewahr. Mystisches Wissen ist konkretes, persönliches Erlebnis-<br />
Wissen, Herz-Wissen, „intelletto d'amore“ (wie es die Italiener nennen);<br />
philosophisches: abstraktes, unpersönliches Gelehrten-Wissen, Hirn-<br />
Wissen. In <strong>der</strong> Mystik geht es um die Wissenschaft des Herzens, des<br />
warmen Gefühls; die Philosophie ist die Wissenschaft des Verstandes, <strong>der</strong><br />
kühlen ratio. Sie verhalten sich zueinan<strong>der</strong> wie (persönliche) Offenbarung<br />
zu (abstrakter) Theorie.<br />
Weil mystisches Wissen auf persönlicher Erfahrung beruht und damit<br />
nicht ohne Weiteres objektivierbar ist, meldet man <strong>der</strong> Mystik gegenüber<br />
Vorbehalte an:<br />
• „eine unreife Poesie, eine unreife Philosophie, die ins Abstruse, in<br />
den Abgrund des Subjekts geht.“ (Goethe)<br />
• „Schwärmerei, „Vernunfttötend“ (Kant)<br />
• „unreife Grübeleien“ (Schleiermacher)<br />
• „dunkel“, „unbestimmt“, „trügerisch“ (Feuerbach)<br />
• „nebulös“, „irrational“, „unbewusst“, „unklar“ (Marx)<br />
Kurz: Ausgeburt einer überspannten Phantasie, pathologischer Natur, reif<br />
für die Nervenheilanstalt. Diesen Einwänden lässt sich mit dem großen,<br />
griech. neuplatonischen mystischen Philosophen Plotin (�270) entgegnen:<br />
„Wer es aber geschaut hat, <strong>der</strong> weiß, was ich sage.“<br />
Und Jakob Böhme (�1624), den man schon zu Lebzeiten „philosophus<br />
teutonicus“ nannte, bekannte: „Ich habe die tiefe und wahre Erkenntnis des<br />
einzigen großen Gottes, <strong>der</strong> alles ist“ ... „Ich sah und erkannte das Wesen<br />
aller Wesen, den Grund und Urgrund; die Geburt <strong>der</strong> Hl. Dreifaltigkeit“ ...<br />
„das Herkommen und den Urständ dieser Welt und aller Kreaturen durch<br />
die göttliche Weisheit.“