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GL 1/2011 - der Lorber-Gesellschaft ev

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<strong>GL</strong> 1/<strong>2011</strong> Gotteserfahrung<br />

23<br />

Erlebten und Geschauten.“ (Scheler)<br />

Als CG. Jung in einem Interview gefragt wurde, ob er als junger Mann<br />

an Gott geglaubt habe, antwortete er mit „Ja“. Als <strong>der</strong> Reporter weiter<br />

wissen wollte, ob das auch noch jetzt auf ihn als alten Mann zuträfe,<br />

meinte Jung: „Nein, ich glaube nicht, ich weiß - denn ich habe Gott<br />

erfahren.“<br />

Während in <strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong> Intellekt an erster Stelle steht, ist es in<br />

<strong>der</strong> Mystik die Intuition. Die Philosophie versucht von außen her, die<br />

Wahrheit in den Griff zu bekommen; <strong>der</strong> Mystiker von innen, ihr auf den<br />

Grund zu kommen. Der Philosoph trachtet danach, die Wahrheit zu begreifen,<br />

<strong>der</strong> Mystiker lässt sich von ihr er-greifen. Der Philosoph bildet<br />

sich eine Anschauung, eine Welt-Anschauung; dem Mystiker wird die<br />

Welt, das, was sie im Innersten zusammenhält, in einer inneren Schau<br />

zuteil. Der Philosoph analysiert und spekuliert; <strong>der</strong> Mystiker schaut und<br />

wird gewahr. Mystisches Wissen ist konkretes, persönliches Erlebnis-<br />

Wissen, Herz-Wissen, „intelletto d'amore“ (wie es die Italiener nennen);<br />

philosophisches: abstraktes, unpersönliches Gelehrten-Wissen, Hirn-<br />

Wissen. In <strong>der</strong> Mystik geht es um die Wissenschaft des Herzens, des<br />

warmen Gefühls; die Philosophie ist die Wissenschaft des Verstandes, <strong>der</strong><br />

kühlen ratio. Sie verhalten sich zueinan<strong>der</strong> wie (persönliche) Offenbarung<br />

zu (abstrakter) Theorie.<br />

Weil mystisches Wissen auf persönlicher Erfahrung beruht und damit<br />

nicht ohne Weiteres objektivierbar ist, meldet man <strong>der</strong> Mystik gegenüber<br />

Vorbehalte an:<br />

• „eine unreife Poesie, eine unreife Philosophie, die ins Abstruse, in<br />

den Abgrund des Subjekts geht.“ (Goethe)<br />

• „Schwärmerei, „Vernunfttötend“ (Kant)<br />

• „unreife Grübeleien“ (Schleiermacher)<br />

• „dunkel“, „unbestimmt“, „trügerisch“ (Feuerbach)<br />

• „nebulös“, „irrational“, „unbewusst“, „unklar“ (Marx)<br />

Kurz: Ausgeburt einer überspannten Phantasie, pathologischer Natur, reif<br />

für die Nervenheilanstalt. Diesen Einwänden lässt sich mit dem großen,<br />

griech. neuplatonischen mystischen Philosophen Plotin (�270) entgegnen:<br />

„Wer es aber geschaut hat, <strong>der</strong> weiß, was ich sage.“<br />

Und Jakob Böhme (�1624), den man schon zu Lebzeiten „philosophus<br />

teutonicus“ nannte, bekannte: „Ich habe die tiefe und wahre Erkenntnis des<br />

einzigen großen Gottes, <strong>der</strong> alles ist“ ... „Ich sah und erkannte das Wesen<br />

aller Wesen, den Grund und Urgrund; die Geburt <strong>der</strong> Hl. Dreifaltigkeit“ ...<br />

„das Herkommen und den Urständ dieser Welt und aller Kreaturen durch<br />

die göttliche Weisheit.“

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