GL 1/2011 - der Lorber-Gesellschaft ev
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<strong>GL</strong> 1/<strong>2011</strong> Das Gebet<br />
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einen Rest von Barbarei. Dabei wissen wir so gut wie nichts über seine<br />
Auswirkungen.<br />
Welches sind die Gründe für unsere Unwissenheit? Zunächst die<br />
Seltenheit des Gebets. Der Sinn für das Heilige kommt den Zivilisierten<br />
immer mehr abhanden. Wahrscheinlich macht die Zahl <strong>der</strong> Franzosen, die<br />
regelmäßig beten, nicht mehr als vier o<strong>der</strong> fünf Prozent <strong>der</strong><br />
Gesamtb<strong>ev</strong>ölkerung aus. Sodann sind die Gebete häufig unfruchtbar.<br />
Denn die Mehrzahl <strong>der</strong> Beter besteht aus Egoisten, Heuchlern,<br />
Hochmütigen o<strong>der</strong> Pharisäern, unfähig zum Glauben o<strong>der</strong> Lieben. Und<br />
wenn sich Wirkungen einstellen, entgehen sie uns oft. Die Antwort auf<br />
unsere Bitten und auf unsere Liebe ergeht in <strong>der</strong> Regel langsam,<br />
unmerklich, fast unhörbar. Das Stimmchen, das diese Antwort tief in<br />
unserm Inneren flüstert, wird vom Lärm <strong>der</strong> Welt leicht erstickt. Auch<br />
die materiellen Ergebnisse des Betens bleiben im Dunkeln. Meist<br />
vermischen sie sich mit an<strong>der</strong>n Erscheinungen. Nur wenige Menschen,<br />
selbst unter den Priestern, haben daher Gelegenheit, sie genau zu beobachten.<br />
Und die Ärzte lassen sich die Fälle, die ihnen vor Augen<br />
kommen, aus Mangel an Interesse häufig unbeachtet entgehen. Überdies<br />
werden die Beobachter oft durch den Umstand irregeführt, dass die<br />
Antwort längst nicht immer die erwartete ist. Manch einer, zum<br />
Beispiel, <strong>der</strong> um Heilung von einer organischen Krankheit bittet,<br />
bleibt zwar krank, erfährt aber eine tiefe und unerklärliche seelische<br />
Wandlung. Immerhin ist die Gewohnheit des Betens, so selten im<br />
Ganzen <strong>der</strong> B<strong>ev</strong>ölkerung, noch verhältnismäßig verbreitet unter jenen<br />
Gruppen, die <strong>der</strong> Religion <strong>der</strong> Väter treu geblieben sind. Dort ist es auch<br />
heute noch möglich, ihren Einfluss zu studieren. Der Arzt hat<br />
Gelegenheit, von ihren unzähligen Auswirkungen vor allem jene zu beobachten,<br />
die man psycho-physiologisch und heilend nennt.<br />
Psycho-physiologische Auswirkungen<br />
Die Auswirkungen des Gebets auf Geist und Körper scheinen von<br />
seiner Qualität, seiner Intensität und seiner Häufigkeit abzuhängen. Die<br />
Häufigkeit des Betens ist leicht in Erfahrung zu bringen und bis zu<br />
einem gewissen Maße auch seine Intensität. Seine Qualität dagegen<br />
bleibt eine Unbekannte, denn wir verfügen über keine Möglichkeit, den<br />
Glauben und die Kapazität <strong>der</strong> Nächstenliebe zu messen. Immerhin<br />
vermag uns die Lebensweise des Beters über die Qualität <strong>der</strong><br />
Anrufungen aufzuklären, die er an Gott richtet. Selbst wenn das Gebet<br />
von geringem Werte ist und hauptsächlich aus dem automatenhaften<br />
Hersagen bestimmter Formeln besteht, übt es einen Einfluss auf das