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GL 1/2011 - der Lorber-Gesellschaft ev

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<strong>GL</strong> 1/<strong>2011</strong> Das Gebet<br />

37<br />

Das Gebet<br />

Alexis Carrel (1873-1944)<br />

Einleitung<br />

Uns Abendlän<strong>der</strong>n will es scheinen, die Vernunft sei<br />

<strong>der</strong> Intuition stark überlegen. Wir ziehen die Intelligenz<br />

dem Empfinden kräftig vor. Die Wissenschaft leuchtet,<br />

während die Religion rußt. Wir folgen Descartes und<br />

verlassen Pascal.<br />

Daher suchen wir vor allem die Intelligenz in uns zu<br />

for<strong>der</strong>n. Die nicht-intellektuellen Regungen des Geistes -<br />

etwa <strong>der</strong> moralische Sinn, <strong>der</strong> Sinn für Schönheit und vor<br />

allem <strong>der</strong> Sinn für das Heilige - werden fast ganz<br />

Alexis Carrel<br />

Franz. Chirurg und<br />

Nobelpreisträger<br />

vernachlässigt. Das Verkümmern dieser wesentlichen Regungen macht<br />

den mo<strong>der</strong>nen Menschen geistig blind. Solche Verkrüppelung raubt ihm<br />

aber die Eignung zu einem gesunden Baustein <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong>. Das<br />

Zerbröckeln unserer Zivilisation ist <strong>der</strong> schlechten Qualität <strong>der</strong> einzelnen<br />

zuzuschreiben. Seelisches erweist sich in <strong>der</strong> Tat als ebenso<br />

unentbehrlich für das Gelingen des Lebens wie Intellektuelles und<br />

Materielles. Es ist daher dringend nötig, die Regungen <strong>der</strong> Seele in uns zu<br />

wecken, welche - viel mehr als die Intelligenz - <strong>der</strong> Persönlichkeit Kraft<br />

verleihen. Unter ihnen am meisten verkannt ist <strong>der</strong> Sinn für das Heilige<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> religiöse Sinn.<br />

Der Sinn für das Heilige findet seinen Ausdruck vor allem im Gebet.<br />

Das Gebet ist - wie <strong>der</strong> Sinn für das Heilige - offenkundig ein<br />

seelisches Phänomen. Die Welt <strong>der</strong> Seele entzieht sich nun aber<br />

unseren technischen Mitteln. Wie lässt sich da eine positive Kenntnis<br />

des Gebets erwerben? Der Bereich <strong>der</strong> Wissenschaft umfasst<br />

glücklicherweise alles Beobachtbare. Und so lässt er sich dank <strong>der</strong><br />

Mittlerschaft <strong>der</strong> Physiologie auf die Manifestationen des Seelischen<br />

ausdehnen. Wir werden also durch systematische Beobachtung des<br />

betenden Menschen erfahren, worin das Phänomen des Gebets, seine<br />

Technik und seine Wirkungen bestehen.<br />

Definition des Gebets<br />

Das Gebet erweist sich im Wesentlichen als Ausgreifen des Geistes<br />

nach dem unstofflichen Substrat <strong>der</strong> Welt. Im Allgemeinen besteht es<br />

aus einer Klage, einem Angstschrei o<strong>der</strong> einem Hilferuf. Mitunter wird<br />

es zu einer abgeklärten Schau des allen Dingen immanenten und<br />

transzendenten Prinzips. Es lässt sich auch als eine Erhebung <strong>der</strong> Seele

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