GL 1/2011 - der Lorber-Gesellschaft ev
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44 Das Gebet<br />
<strong>GL</strong> 1/<strong>2011</strong><br />
Beten greifbare Wirkungen zeitigt. Wie seltsam uns die Sache auch<br />
vorkommen mag, wir müssen als wahr anerkennen, dass je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> bittet,<br />
empfängt und dass jedem, <strong>der</strong> anklopft, aufgetan wird.<br />
Bedeutung des Gebets<br />
Kurz, alles geschieht so, als ob Gott den Menschen hörte und ihm<br />
antwortete. Die Wirkungen des Betens sind keine Selbsttäuschungen.<br />
Man braucht den Sinn für das Heilige nicht auf die Angst zu reduzieren,<br />
die <strong>der</strong> Mensch angesichts <strong>der</strong> Gefahren, die ihn umgeben, und des<br />
geheimnisvollen Alls empfindet. Und man braucht aus dem Gebet auch<br />
nicht einen Schlaftrunk zu machen, ein Mittel gegen unsere Furcht<br />
vor dem Leiden, vor Krankheit und Tod. Welche Rolle spielt also <strong>der</strong><br />
Sinn für das Heilige? Und welchen Platz in unserem Leben weist die<br />
Natur selbst dem Gebet zu? Einen sehr wichtigen. Fast zu allen Zeiten<br />
haben die Menschen des Abendlandes gebetet. Die antike Stadt war in<br />
erster Linie eine religiöse Einrichtung. Die Römer errichteten Tempel<br />
überall. Im Mittelalter übersäten unsere Vorfahren das Gebiet <strong>der</strong><br />
Christenheit mit gotischen Kathedralen und Kapellen. Noch heutzutage<br />
ragt in jedem Dorf ein Glockenturm. Mit Kirchen, so gut wie<br />
mit Universitäten und Fabriken, haben die aus Europa gekommenen<br />
Pilgerväter die Kultur des Abendlandes in die Neue Welt verpflanzt. Im<br />
Laufe unserer Geschichte ist Beten ein ebenso elementares Bedürfnis<br />
gewesen wie Erobern, Arbeiten, Bauen o<strong>der</strong> Lieben. Ja, <strong>der</strong> Sinn für das<br />
Heilige erweist sich als ein Trieb aus <strong>der</strong> tiefsten Tiefe unserer Natur, als<br />
ein grundlegendes Tun. Seine Variationen innerhalb einer menschlichen<br />
Gruppe sind fast immer mit denen an<strong>der</strong>er grundlegen<strong>der</strong> Regungen<br />
verknüpft: mit Variationen des moralischen Sinnes, des Charakters und<br />
manchmal des Sinns für das Schöne. Und wir haben es zugelassen, dass<br />
dieser so wichtige Teil unseres Selbst verkümmert und mitunter<br />
verschwindet.<br />
Man muss bedenken, dass <strong>der</strong> Mensch den Launen seiner Phantasie<br />
nicht ohne Gefahr stattgibt. Soll das Leben gelingen, so muss es<br />
unwandelbaren Regeln folgen, die sich aus seiner Struktur selbst<br />
ergeben. Wir setzen viel aufs Spiel, wenn wir irgendeine grundlegende<br />
Regung in uns absterben lassen, sei sie nun physiologischer,<br />
intellektueller o<strong>der</strong> seelischer Art. So ist zum Beispiel die mangelhafte<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Muskeln, des Skeletts und <strong>der</strong> nicht-rationalen<br />
Regungen des Geistes bei gewissen Intellektuellen ebenso unheilvoll wie<br />
die Verkümmerung <strong>der</strong> Intelligenz und des moralischen Sinnes bei<br />
gewissen Athleten. Es gibt unzählige Beispiele fruchtbarer und starker