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Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

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<strong>LiTheS</strong> Sonderband Nr. 1 (Juni 2010)<br />

Moral und Bildung im Theater<br />

14<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/10_sonderband_1.html<br />

Die Forderung nach der pädagogischen Zweckgebundenheit des Theaters wurde am<br />

Leopoldstädter Theater, wie behauptet, bedingt umgesetzt. Die Überwachung der<br />

Produktionen und des Spielplans durch die Zensurbehörde, die Neudefinition des<br />

Theaters als Erziehungsmedium, sowie generell der sich stetig verbreitende Einfluss<br />

der Geisteshaltung der Aufklärung gaben den Anlass zur Verar<strong>bei</strong>tung sittlich-moralischer<br />

Werte und gesellschaftlicher Tugenden in einem Teil der Repertoirestücke.<br />

Es sind v. a. die Komödien (überwiegend die reinen Sprechstücke ohne Musik)<br />

Henslers, Eberls und die bürgerlichen Komödien Marinellis 31 , die didaktisch aufbereitete,<br />

klischeehafte Moral enthalten und die Tendenzen eines Besserungsstückes<br />

aufweisen. Gepredigt wird da<strong>bei</strong> stets über dieselben sittlichen und moralischen<br />

Vergehen: über geplanten und vollzogenen Ehebruch, Kuppelei, Arglist, Prasserei<br />

(eigenartiger Weise sind es immer die Frauen, die verschwenderisch sind), Hochmut<br />

bis zum Adelsstolz, übersteigerte Arglosigkeit und Eifersucht (auch diese Unsitte<br />

wird fast stets an Frauen vorgeführt). Gepriesen werden hingegen der bedingungslose<br />

Gehorsam gegenüber dem Vater wie der Obrigkeit (Treue zum Regiment), die<br />

Pflichterfüllung gegenüber dem Kaiser, die Redlichkeit und der Fleiß des Bürgers,<br />

Ehrlichkeit und Sittsamkeit. Obwohl einige der eingesehenen Komödien diese lehrhaften<br />

Züge tragen, war der Hauptzweck des Leopoldstädter Theaters immer noch<br />

die Unterhaltung und nicht die Belehrung des Publikums. Diese Absicht zeigt sich<br />

v. a. in den Spieltexten Perinets, den Kasperliaden Marinellis und den Opernbear<strong>bei</strong>tungen<br />

Eberls, die kaum erzieherischen Wert haben und weitaus häufiger gespielt<br />

wurden, als jene mit Moral behafteten Stücke (Belege folgen unmittelbar).<br />

Im theatralen Feld positioniert sich das Leopoldstädter Theater damit inhaltlich am<br />

äußersten Rand des zum Bildungstheater gehörenden Subfeldes des meinungs- und<br />

verhaltensbildenden Theaters.<br />

Ein moralischer Unterton findet sich in Kasperl’ der Mandolettikrämer, wo Ehebruch<br />

und Untreue angeprangert werden. Jeweils ein Part von drei Pärchen (jedes Pärchen<br />

stammt aus einer anderen Gesellschaftsschicht, was für die Zuseher im Publikum,<br />

die ebenso anderen Ständen angehörten, die Identifikation erleichterte) erfährt im<br />

Laufe des nahezu endlos gedehnten Handlungsprozesses seine Läuterung bezüglich<br />

Hinterlist und (angedachtem 32 ) Seitensprung. Als Vertreter der Aristokratie wird<br />

31 Im Leopoldstädter Theater kamen nur noch Marinellis Der Ungar in Wien und Der Bürger<br />

und der Soldat zur Aufführung. Beide sollen an dieser Stelle nicht besprochen werden, da<br />

in ihrer Personen-Konzeption die Figur des Kasperl nicht vorgesehen ist. Vgl. Karl von<br />

Marinelli: Der Ungar in Wien. Ein Originallustspiel in drey Aufzügen. Wien: [o. V.] 1773<br />

und Karl Marinelli: Der Bürger und der Soldat. Ein Originallustspiel in drey Aufzügen.<br />

Preßburg: Landerer [1775].<br />

32 Mehr gestattete die Zensur v. a. den weiblichen Charakteren eines Bühnenstückes nicht, so-<br />

Mehr gestattete die Zensur v. a. den weiblichen Charakteren eines Bühnenstückes nicht, sodass<br />

auf betrügerisch-hinterhältige Worte zumeist keine entsprechenden Handlungen folgten.<br />

Darstellbar waren nur der Versuch der Untreue bzw. der Scheinehebruch. Vgl. Glossy,<br />

Zur Geschichte der Wiener Theaterzensur, S. 317.

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