Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS
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<strong>Jennyfer</strong> <strong>Großauer</strong>-<strong>Zöbinger</strong>: Das Leopoldstädter Theater (1781–1806)<br />
Herabwürdigung 140 seines Standes begannen folglich der Vergangenheit anzugehören<br />
(sofern die als pauschal einzustufende Verurteilung der Schauspieler überhaupt<br />
jemals auf die Badner Gesellschaft anwendbar war, was aufgrund der verliehenen<br />
Spielgenehmigung und den Privilegien für die Leopoldstadt von höchster Stelle<br />
recht unwahrscheinlich scheint 141 ).<br />
Wie andere Vorstadttheater 142 geriet auch das Leopoldstädter Theaterbetrieb zuweilen<br />
in Verruf, in seinem Publikumsraum „leichte Mädchen“ zu beherbergen, was der<br />
Spielstätte nicht alleine die sittliche Disziplin absprechen mag, sondern viel mehr<br />
auf die zusätzliche Funktion als Umschlagplatz des gesellschaftlichen Lebens, in<br />
eben allen seinen Ausprägungen, verweist.<br />
„Wagen wir einmal einen Gang in das Innere des Hauses, so werden wir, abweichend<br />
von dem Gebrauche in andern Theatern, die Ecksperrsitze im Parterre<br />
zum großen Theile von weiblichen Wesen besetzt finden, deren häufig dick mit<br />
Schminke belegte Wangen und frech herausfordernde Blicke jedem Besucher,<br />
der eben nicht zu den Blöden zählte, die Ueberzeugung aufdringen mußten,<br />
diese lebendige Garnierung der Bänke bestehe ausschließlich aus ,gefälligen‘<br />
Damen. In dieser Beziehung hatte das in dem Hause herrschende Chair’ oscuro<br />
auch seine volle Berechtigung. Dieses Theater brauchte eben eine solche und<br />
keine andere Beleuchtung. Wie hätte auch die stets lauernde Polizei ein Treiben<br />
übersehen sollen, ohne dem Publicum gerade Aergerniß zu geben, wenn sich im<br />
hellerleuchteten Hause die Ecksitze periodisch leerten und nachher wieder füllten,<br />
jenachdem ihre Besitzerinnen in ,Geschäftsangelegenheiten‘ das Theater<br />
zeitweilig verlassen mußten, um es später wieder zu besuchen. Es gibt Dinge,<br />
die eben kein helles Licht vertragen, und ein solches Ding war das Parterre des<br />
alten Leopoldstädter Theaters bis in die Zwanzigerjahre mit seinen Besuchern<br />
und stereotypen Besucherinnen.“ 143<br />
„Das Leopold- und Josephstädter Theater ist dem Pöbel, den Huren, und denen<br />
die sie suchen, geweiht; es verdient nicht erst beschrieben zu werden. […]<br />
Um mich zu überzeugen, wie die Huren in Wien ihr Wesen treiben, ging ich<br />
140 Noch Joseph von Sonnenfels quittiert den Schauspielerberuf mit den wenig rühmlichen<br />
Worten, „jeder Vater“ ließe „den Sohn eher ins Zuchthaus sperren […] als Schauspieler<br />
werden“ und „jede Mutter verläugne ihre Tochter […], sobald sie Schauspielerin geworden“.<br />
Joseph von Sonnenfels: Der Mann ohne Vorurtheil. In: J. S.: Gesammelte Schriften. Bd. 3.<br />
Wien: Baumeister 1783, S. 99.<br />
141 In dem Eröffnungsstück Aller Anfang ist schwer aus der Feder Marinellis heißt es: „Marinelli.<br />
Der Schauspielerstand wird durch ein redliches, bürgerliches Betragen schätzbar. Und<br />
dies hat uns den höchsten Schutz, Gnade und Unterstützung der Gönner verschafft.“ Karl<br />
von Marinelli: Aller Anfang ist schwer. Ein Gelegenheitsstück in einem Aufzuge. Bey Eröfnung<br />
des neuerbauten Schauspielhauses in der Leopoldstadt. Wien: [o. V.] 1781. In: Gugitz,<br />
Der Weiland Kasperl, S. 53–73, hier S. 65.<br />
142 Vgl. auch: Johann Kaspar Riesbeck: Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an<br />
seinen Bruder in Paris. Bd. 1. [o. O.]: [o. V.] 1784, S. 231.<br />
143 Seyfried, Rückschau in das Theaterleben Wiens, S. 50–54.<br />
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