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Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

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<strong>Jennyfer</strong> <strong>Großauer</strong>-<strong>Zöbinger</strong>: Das Leopoldstädter Theater (1781–1806)<br />

unbedeutender Verstoß „wider die Religion“ 53 – 12 Dukaten Strafe zu bezahlen. 54<br />

Im Jahre 1800 diktierte die Behörde schließlich Heroine, oder Die schöne Griechin<br />

in Alexandria. Ein militärisches Schauspiel mit Gesang in drey Aufzügen abzusetzen 55 ,<br />

nachdem es schon sechs Mal gegeben worden war, was ebenfalls auf ein Extempore-<br />

Vergehen zurückgegangen sein dürfte (denn wäre das Textbuch anstößig gewesen,<br />

hätte man es erst gar nicht passieren lassen).<br />

Das Diktat der Verschriftlichung traf auf alle für die Aufführung bestimmten Spieltexte<br />

zu. Als dessen unmittelbare Folge sind in Bezug auf das Repertoire La Roches<br />

zwei, am Rande zu erwähnende (Neben-)Effekte der Zensurpraxis feststell-bar: erstens<br />

die Verschriftlichung der Komödien und damit ihre Konservierung für die<br />

Nachwelt 56 – eine für die Erforschung des Metiers dienliche Hilfestellung –, und<br />

zweitens die damit kausal zusammenhängende Verfälschung des Quellenmaterials<br />

aufgrund von Informationskontrolle und einem eng definierten Index des Darstellbaren<br />

(nichts wider Religion, Staat und Sitten), als deren unmittelbare Auswirkung<br />

sich in Bezug auf Kasperls Komik ein verzerrtes Bild ergibt.<br />

Primär ist die Zensur für „die Literarisierung und damit das Überleben der Altwiener<br />

Komödie“ 57 mitverantwortlich, was im weitersten Sinn als wesentliches, wenn<br />

auch nicht beabsichtigtes Verdienst zu werten ist. Es ist nur schwer zu erahnen, wie<br />

schlecht die Quellenlage für La Roches Spieltexte wäre, wären die Theaterreformer<br />

nicht gegen das Stegreifspiel mit der Verschriftlichung der Texte für die Zensurbehörde<br />

vorgegangen.<br />

Die staatliche Kontrolle der Textbücher zu den Kasperliaden diente zwar ihrer Erhaltung,<br />

stellt für die heutige Komikforschung aber eine nicht weniger als fatal zu<br />

nennende Beeinträchtigung dar. So scheint es legitim, die noch zu dokumentierende<br />

„Fadheit“ der Kasperl-Figur, die mit an Naivität grenzenden, mehr lieblich-verklärt<br />

als zotig zu nennenden Charakterzügen ausgestattet ist, das Fehlen der Komik<br />

(harmlose Sprachkomik und mäßige Situationskomik, die vom lesenden Rezipienten<br />

nicht mehr nachzuvollziehen ist, einmal ausgenommen) in etwas weniger als<br />

zwei Drittel des Textkorpus der Zensur zuzuschreiben und wenn nicht ihr, dann<br />

53 Vgl. für Details dazu: Glossy, Zur Geschichte der Wiener Theaterzensur, S. 307–310.<br />

54 „Der Verfasser dieses Stückes ist der bekannte Eberl, der nämliche, in dessen Stücke, ,Das<br />

listige Stubenmädchen‘ betitel, auf dem Marinellischen Theater ein Präsent für den Beichtvater<br />

extemporiert wurde und dem Marinelli zwölf Dukaten kostete“. Ebenda, S. 34–35<br />

und S. 282.<br />

55 Vgl. Wenzel Müller: Tagebuch. Übertragen aus der Handschrift der Wiener Stadt- und<br />

Landesbibliothek von Girid und Walter Schlögl. Bd. 1. Wien: [Typoskript i. d. Wienbibliothek]<br />

[o. J.], S. 217.<br />

56 Vgl. Haider-Pregler, Des sittlichen Bürgers Abendschule, S. 347.<br />

57 Ebenda, S. 347.<br />

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