Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS
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<strong>LiTheS</strong> Sonderband Nr. 1 (Juni 2010)<br />
http://lithes.uni-graz.at/lithes/10_sonderband_1.html<br />
den Kassenhof mündenden, schlecht beleuchteten Gang durch das Marinellische<br />
Wohnhaus erreichbar, welches der Straßenseite zugewandt, den Besucher empfing.<br />
„Die Worte ,das alte Leopoldstädter Theater sei eine Goldgrube‘ waren mehr als<br />
eitle Redensart […]. Wer hätte das dem kleinen, niedrigen und unscheinbaren<br />
Hause in der Jägerzeile angesehen, und vollends erst, wenn man in dasselbe<br />
durch einen schmalen, niedrigen Gang eingetreten war. Welch’ traurigen Anblick<br />
gewährte da das düstere, räumlich sehr beengte, unfreundliche und unsaubere<br />
Haus, das noch durch keinen Luster erhellt wurde, und dessen Schnürboden<br />
sich in einem solchen primitiven Zustande befand, daß die Decorationen<br />
nicht wie anderswo herabgelassen, sondern herabgerollt werden mußten – eine<br />
Manipulation, welche für die auf der Bühne Beschäftigten nicht ohne Gefahr<br />
war, denn da hieß es behutsam sein, daß Einem nicht eine Decoration mit<br />
ihrem schweren Holzrahmen als Einsäumung an den Kopf flog. Dieser Vorgang<br />
war auch für die Decorationen von schädlichem Einfluß, welche sich viel<br />
schneller als jetzt abnützten; – doch was lag an dem Stückchen Leinwand, auf<br />
welchem eben keine Meisterwerke gemalt waren, denn die schmale und niedrige<br />
Bühne erheischte nur ganz kleine Decorationen, die, einmal unbrauchbar<br />
geworden, ohne große Kosten durch neue ersetzt werden konnten. Und wie<br />
wenig Aufwand brauchte dieses kleine Theaterchen für seine Ausschmückung?<br />
So viel wie gar keinen, denn was Luxus und Comfort war, davon wußte man<br />
in diesem Hause nichts.“ 125<br />
Die wertende Tendenz der Beschreibung Seyfrieds’ ist nicht von der Hand zu weisen;<br />
dennoch gibt es weitere Quellen, die mit der Schilderung des Theaters durch<br />
die Adjektive „unfreundlich und unsauber“ korrelieren sowie den als „primitiv“ beschriebenen<br />
„Zustand“ des Theaters (sei es nun dessen Publikumsraum, Theaterapparat,<br />
Trottoir 126 oder Beleuchtung) herausstreichen. So ist eine Schilderung der<br />
Hygienebedingungen aus heutiger Sicht nicht nur amüsant zu lesen, sondern erhellt<br />
auch die Motive für die Darstellung des Theaters als sudelig:<br />
„Eine dritte Gattung Leute, welche, größere Sorgfalt für die Reinlichkeit ihrer<br />
Kleider, als die Gesundheit ihres Körpers zu haben schienen, war nimmermehr<br />
zu besänftigen, wenn kleine Kinder aus Unwissenheit, und ungezogene Purschen<br />
[!] und Dirnen aus Bosheit der Natur freyen Lauf liessen, und so die Kleidung<br />
ehrliebender Leute bewässerten, oder wohl gar eine Kanne Bier darüber<br />
vergossen.“ 127<br />
125 Aus: Ferdinand Ritter von Seyfried: Rückschau in das Theaterleben Wiens seit den letzten<br />
fünfzig Jahren. Wien: Selbstverlag des Verfassers 1864, S. 47–49.<br />
126 „[…] eine gute Ordnung der Wägen bey der Zu- und Abfahrt, welche gegenwärtig noch im- immer<br />
fehlt, ein ihnen zur Stellung angewiesener Platz, ein vom sumpfichten [!] Kothe gereinigter<br />
Fußsteig […]“ etc. Gotthold August von Stranden: Unpartheyische Betrachtungen<br />
über das neuerbaute Schauspielhaus in der Leopoldstadt, und die sämtlichen Glieder der<br />
Gesellschaft. Von Gotthold August van der Stranden, gewesener Unternehmer einer Schauspielergesellschaft,<br />
nebst dessen Lebensgeschichte. Wien: Hartl und Grund 1781, S. 20.<br />
127 Ebenda, S. 22.