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Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

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<strong>Jennyfer</strong> <strong>Großauer</strong>-<strong>Zöbinger</strong>: Das Leopoldstädter Theater (1781–1806)<br />

wiß lächerlich ist – wenn aber wirklich der gute Geschmack fest zu bestimmen<br />

wäre – so frag ich Sie erst – ob diese Regeln des Geschmacks – Regeln seyn<br />

können, nach denen man ein Privattheater beurtheilen dürfte – es wäre denn,<br />

daß einer aus Ihrer Gesellschaft – den Unternehmer von Kopf und Herzen<br />

vorstellen wolle – der ohne Absicht auf seine Kassa so viele Philosophie hätte,<br />

sich und seine Leute von der Luft leben zu machen, um als ein Professor des<br />

guten Geschmackes die geschraubten Regelwerke eines trocknen Gehirns – für<br />

den Staub seiner Bänke vorzustellen; und darüber das Vergnügen zu finden –<br />

am ersten Donnerstag darauf sich in Ihren Blat [!] – als ein Bekehrer der Sitten<br />

verderbenden Zeit, mit Lorbern umwunden zu sehen – Nennen Sie uns also die<br />

Regeln nach denen ein Privattheater beurtheilet werden kann – Nennen Sie uns<br />

aber auch die Regeln nach welchen Sie Schaubühnen überhaupt, und insbesondere<br />

die Marinellische beurtheilen wollen; ich und kein Vernünftiger wird je<br />

eine andere, als das Gesetz des Wohlstandes erkennen – und mit welch einer<br />

frechen Stirne kann es die Verläumdung beweisen, daß bey Herrn Marinelli<br />

diese Gesetze vergessen würden – ich habe schon einmal gesagt – daß meine<br />

Stücke alle gedruckt erscheinen – und fordere also jeden auf, mir Unanständigkeiten<br />

und Schmutzereien darinnen zu erweisen. […] Wo sind dann aber<br />

auch Ihre Werke, auf die sie sich allenfalls berufen dürften, um doch einigermassen<br />

die Kühnheit zu rechtfertigen, mit der Sie sich vor dem Angesicht eines<br />

ganzen Publikums der Freyheit anmassen, über Geschmack und Sitte – über<br />

Schauspiele und Schauspieler – ein Urtheil hinzuschütten – das ein ganzes Publikum,<br />

als einen Machtspruch annehmen, und in dem Wohlgefallen seiner Unterhaltungen,<br />

sich nach den Grillen solcher Köpfe richten sollte? […] Darüber<br />

sich näher zu erklären: hätten Sie doch bey manchem auf dem Nationaltheater<br />

aufgeführtem Stücke Gelegenheit gehabt, – denn dieß ist der Ort wo sich Geschmack,<br />

und Verfeinerung handhaben läßt“. 82<br />

Für die öffentliche Diffamierung der Leopoldstädter Bühne waren angeprangerter<br />

Sittenverstoß und Religionshäme die schlagenden Argumente, hinter denen sich ein<br />

anderes Stil- und Geschmacksgefühl verbarg, als es an dieser Stätte des Schauspiels<br />

definiert wurde. Wesentlich an diesen zitierten Zeilen ist der auch unter Bourdieuschen<br />

Kriterien gültige Hinweis, dass „guter Geschmack“ etwas Relatives sei, das<br />

die Angehörigen eines sozial-kulturellen Feldes jeweils für sich selbst definieren, die<br />

wiederum zu anders Positionierten als Opponenten fungieren. Damit ist die innere<br />

Homogenität eines kulturellen Feldes, wie es das literarische Feld im 18. Jahrhundert<br />

darstellt, reine Fiktion und „guter Geschmack“ nicht eindeutig zu bestimmen,<br />

da es hiervon immer verschiedene Ausprägungen innerhalb eines Kräftefeldes gibt.<br />

Der Kunstbegriff der Leopoldstädter Bühne war damit nur einer unter mehreren<br />

und – Eberl deutet es an – größtenteils von kommerziellen und nicht ästhetischen<br />

Faktoren bestimmt. Die von den Kritikern in Form eines rigiden Anspruchs auf<br />

Definitionsmacht eingeforderten „Regelwerke“ ließen sich hier nicht verkaufen.<br />

Sie entsprachen nicht dem Profil der Bühne (gewinnorientiertes, auf Unterhaltung<br />

82 Ferdinand Eberl: Abgedrungene Antwort auf das im zweiten Vierteljahre des kritischen<br />

Theater-Journals erschienene sechste Stück. Wien: [o. V.] 1789, S. 6–22.<br />

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