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Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

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<strong>LiTheS</strong> Sonderband Nr. 1 (Juni 2010)<br />

28<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/10_sonderband_1.html<br />

zumindest den ihr vorausgegangenen pädagogisch motivierten Reformen, die die<br />

Zivilisierung 58 der Lustigen Figur nach sich ziehen. So stellen sich <strong>bei</strong> der Lektüre<br />

der Texte die Erwartungen, die man nach der Lektüre der Sekundärliteratur an<br />

den vielgepriesenen Kasperl stellt, nicht ein – augenscheinlich existiert eine nicht<br />

zu überwindende Diskrepanz zwischen dem von Zeitzeugen als überaus lustig beschrieben<br />

Spiel La Roches und dem farblosen, unwitzigen, in Nebenrollen agierenden<br />

Charakter der Dramentexte, die schon Friedrich Schlögl bemerkte:<br />

„Da machten gleich in den nächsten Jahren zwei Perinet’sche Possen Furore,<br />

deren Werth uns hochgebildeten Epigonen ein veritables Räthsel, deren ,Witze‘,<br />

wenn wir in den Textbüchern geneigtest blättern, uns nur ein mitleidiges<br />

Lächeln entlocken, obwohl es historisch verbürgt ist, daß sich unsere geehrten<br />

Ahnen da<strong>bei</strong> ,halbtodt‘ lachten. Ich meine das am 10. October 1793<br />

zum erstenmale gegebene ,Neusonntagskind‘ und die am 11. März 1794 erschienen<br />

,Schwestern von Prag‘, Stücke, die wirklich ,ganz Wien‘ sehen mußte<br />

und auch sah, und von deren hinreißender Wirkung noch in den Zwanziger-Jahren<br />

mir geistig achtbare Männer leuchtenden Auges erzählten.“ 59<br />

Möchte man alleine den Zensurerlass verantwortlich machen, liegt der Schluss<br />

nahe, dass die Autoren die Kasperl-Passagen von vorneherein harmloser anlegten,<br />

ihre Texte also schon vor der Zensur selbst zensierten, sodass der Kasperl-Charakter<br />

erst im Moment der Verkörperung durch den Schauspieler La Roche auf der Bühne<br />

an Drolligkeit und Komik gewannen, womit alle Komik am Typus des Schauspielers<br />

60 und der Umsetzung auf der Bühne gehaftet hätte. Für die Annahme der<br />

körperzentrierten Komik spricht die Anwesenheit nicht deutschsprachigen bzw. mit<br />

dem Wiener Dialekt wenig vertrauten Publikums 61 in den Kasperl-Komödien, die<br />

den lustigen Protagonisten nicht verstanden, ihn aber dennoch als amüsant empfanden.<br />

Eine durch den Körper bzw. die Verkörperung bedingte Komik lässt den<br />

58 Vgl. Müller-Kampel, Hanswurst, Bernardon, Kasperl, S. 187.<br />

59 Zu beachten gilt hier<strong>bei</strong>, dass das Neusonntagskind kein ausgewiesenes Kasperl-Stück ist.<br />

Friedrich Schlögl: Vom Wiener Volkstheater. Erinnerungen und Aufzeichnungen. Wien<br />

und Teschen: Prochaska 1883, S. 36.<br />

60 „Laroche (Kasperl) war ein gedrungener Mann, mittlerer Statur, mit lebhaften Augen und<br />

stark markierten Zügen. Alle seine Bewegungen waren eckig und wurden eben dadurch<br />

lächerlich. Sein Dialekt war der gemeine Wiener Dialekt, nur sprach er mehr breit als flüssig<br />

und hing oft an einzelne Worte, besonders an das Wort Er, ein a an, worüber man stets<br />

lachte. […] Ich möchte Laroche die personifizierte populäre Komik nennen […]“ Ignaz<br />

Franz Castelli: Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Erfundenes. Erlebtes und Erstrebtes.<br />

Mit einer Einleitung und Anmerkungen neu herausgegeben von Josef Bindtner.<br />

Bd. 1. München: Müller [o. J.]. (= Denkwürdigkeiten aus Alt-Österreich. 9.) S. 259–262.<br />

61 Exemplarisch seien genannt: Der Napoleon-Bezwinger Lord Horatio Nelson und seine Mä-<br />

Exemplarisch seien genannt: Der Napoleon-Bezwinger Lord Horatio Nelson und seine Mätresse<br />

Lady Emma Hamilton, ein nicht namentlich erwähnter türkischer Botschafter [d. i.<br />

vermutlich Ismail Efendi], Herzog Ludwig I., Ferdinand Philipp von Parma (1773–1803),<br />

1801–1803 Großherzog der Toskana, Ferdinand I. (1751–1825), 1759–1806 König von<br />

Neapel und Friedrich Wilhelm Karl Prinz von Preußen (1783–1851). Vgl. der Reihe nach:<br />

Müller, Tagebuch, S. 219–220, S. 183, S. 222–238, S. 101, S. 229, S. 269.

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