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Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

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<strong>LiTheS</strong> Sonderband Nr. 1 (Juni 2010)<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/10_sonderband_1.html<br />

und Bösartigkeit ererbt wurden – zurechtgestutzt, was die Soziabilität des Kasperl<br />

im Prozess des sozialpolitischen und mentalitätsgeschichtlichen Wandels erhöhte.<br />

Ganz allgemein ist der lustige Zentraltypus nur in den <strong>bei</strong>den ältesten der edierten<br />

Texte „lustig“. In Die Liebesgeschichte in Hirschau (1780) und Der Spaziergang im<br />

Brader (1770) ist die Figur des Kasperl noch präsent und Garant für Lacher. In<br />

ersterem wird die klassische „Liebesgeschichte“ der Commedia dell’arte erzählt: Ein<br />

närrisch verliebter, geiziger, argwöhnischer Pantalone (hier Kilian) umwirbt ein viel<br />

jüngeres Weibsbild (Bonaventura), für das die Avancen des alten Zieraffen wenig attraktiv<br />

sind, weshalb sie sofort beginnt, sich nach einer besseren Partie umzusehen.<br />

Es dauert auch nicht lange, findet sich ein junger Liebhaber ganz im Stile Anselmos<br />

bzw. Octavios (hier der Leutnant Denckner), der, unterstützt von Colombine (Bonaventuras<br />

Magd Margereth) und den <strong>bei</strong>den harlekinischen Dienern (Kaspar und<br />

Jackel), den Alten narren, sodass dieser, weichgekocht von den zahlreichen Streichen,<br />

Beleidigungen, Betrügereien und Farcen am Ende gerne auf das Mädchen verzichtet<br />

und dem jungen Glück kein alter Geck mehr im Wege steht. (Eine Auswahl:<br />

Kaspar klebt ihm einen verpappten Brief ins Gesicht 66 , er übergießt den Alten mit<br />

Löschwasser 67 , bindet ihn und schoppt ihn mit Brei 68 – eben der klassische Kasperl<br />

in seinem Metier.)<br />

Kaspar tritt als gewitzter Scherenschleifer auf, der sich, einem Zuverdienst nicht<br />

abgeneigt (das leibliche Wohl steht wie immer <strong>bei</strong> dieser Figur über allem anderen),<br />

aber bald in Diensten des Leutnant Denckners begibt und als dessen Diener gemeinsam<br />

mit der zweiten Lustigen Figur, Jackel, bereitwillig als Brieferlträger, Unterhändler,<br />

Brautwerber, Mann fürs Grobe und Tunichtgut bzw. summa summarum<br />

als Adjutanten in Liebesdingen und Gegenspieler des (zu prellenden) Alten agiert.<br />

Die Handlung, die voller Aktion, Lebhaftigkeit, Schwung und Witz ist, wird v. a.<br />

durch die meist vom Kaspar initiierten Missverständnisse, Foppereien, Verwechslungen<br />

und Verkleidungen vorangetrieben. Kaspar bleibt nicht Kaspar – stattdessen<br />

absolviert die Figur nicht weniger als fünf komikstiftende Maskeraden: Einmal ist<br />

Kasperl unruhestiftender, stets prügelbereiter Rauchfangkehrer (Hanswurst lässt<br />

grüßen), wird kurz darauf zum edlen Herrn von Schweinburg, dessen höchstkomisches<br />

Charakteristikum, sich sogar in den primärsten Dingen von seinem Diener<br />

(Jackel) zur Hand gehen zu lassen („schneuz mich“), nicht wenig vergnügt (körperzentrierte<br />

Komik), brilliert danach in der Paraderolle des Kleinkindes, dem man die<br />

66 Vgl. [Karl von Marinelli:] Die Liebesgeschichte in Hirschau, oder Kasperle in sechserley<br />

Gestalten ein Lustspiel in drey Aufzügen. [Wien, den 10ten Jänner 1780] [Ms.], [3 v ], S. 10.<br />

Hrsg. von <strong>Jennyfer</strong> <strong>Großauer</strong>-<strong>Zöbinger</strong>. In: Mäzene des Kasperls (2008/09). Online: http://<br />

lithes.uni-graz.at/maezene/marinelli_liebesgeschichte.html [Stand 2009].<br />

67 Vgl. ebenda, [4 v ], S. 13.<br />

68 Vgl. ebenda, [10 v ], S. 29.

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