20.07.2013 Aufrufe

Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

12<br />

<strong>LiTheS</strong> Sonderband Nr. 1 (Juni 2010)<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/10_sonderband_1.html<br />

und wurden – auch wenn es nicht immer den erwarteten Erfolg brachte 27 – präventiv<br />

zensiert. Je nachdem, ob die Texte „schlüpfrige“ Reden, sittlich inadäquate<br />

Aktionen und fragwürdige Charaktere enthielten, wurden sie zum Teil zensiert bzw.<br />

der Umar<strong>bei</strong>tung des Urhebers überlassen oder, wenn die gesamte Geschichte wie<br />

auch der Stoff selber für Sitten, Staat oder Religion bedenklich waren, zur Gänze<br />

indiziert. 28<br />

„Wenn ich einem Fürsten zu rathen hätte, so würd’ ich ihm nichts eifriger empfehlen,<br />

als – sein Volk in gute Laune zu setzen. Kurzsichtige Leute sehen nicht,<br />

wie viel auf diesen einzigen Umstand ankommt. Ein fröhliches Volk thut alles,<br />

was es zu tun hat, munterer und mit besserem Willen als ein […] schwermüthiges;<br />

[Nur wenn die Menschen] bey guter Laune sind, so vergessen sie über<br />

einer Komödie, einer neuen Tänzerin, einem neuen fröhlichen Liedchen, den<br />

Verdruß über eine verlorene Schlacht, oder die Schlimme Verwaltung ihrer<br />

öffentlichen Einkünfte.“ 29<br />

Es sind treffende Worte, die Christoph Martin Wieland seinem Diogenes von Sinope<br />

in den Mund gelegt hat. Denn vermutlich trug damals nichts mehr zur Aggressionsbewältigung<br />

und Triebreduktion <strong>bei</strong> und half besser über schlechte Zeiten und<br />

private Nöte hinweg, als das komische Theater. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts<br />

ist es das Marinellische Theater in der Leopoldstadt, das als prototypisches<br />

Lachtheater die Bewohner Wiens, aber auch Touristen aus dem Kaiserreich und<br />

diverse Staatsgäste <strong>bei</strong> Laune hält. Vor allem der Kasperl-Darsteller Johann Josef<br />

La Roche zog mit seiner individual-komischen Spielweise die Massen an und bot<br />

somit die passende Ablenkung von größeren und kleineren Sorgen des Alltages, vom<br />

politischen Geschehen oder, pauschaler beurteilt, vom Weltgeschehen überhaupt.<br />

So war den Theaterreformern in der Mitte des 18. Jahrhundert zwar ein Schlag<br />

gegen das ungebändigte deutsche Spaßtheater samt seinen zotigen Figuren Hanswurst<br />

und Bernardon gelungen, sowie das Medium Theater (zumindest was die<br />

innerstädtischen stehenden Bühnen betrifft) von den Widrigkeiten gegen „die Sitten,<br />

den Staat und die Religion“ durch die Zensur bedingt zu befreien. Bei all den<br />

literarisierungspolitischen Maßnahmen des deutschen Theaters und hier v. a. der<br />

Komödie konnte und sollte aber die zweckfreie Unterhaltungslust der Wiener nicht<br />

eingedämmt werden. Sie wurde nun in gemäßigter Form im Leopoldstädter Theater<br />

gestillt.<br />

27 „Wie gering aber die Macht dieser Theaterpolizei war, geht schon daraus hervor, daß der<br />

Possenreißer sogar die Kühnheit hatte, von der Büchercensur zum Druck nicht zugelassene<br />

Liederstrophen dennoch auf der Bühne zu singen.“ Glossy, Zur Geschichte der Wiener<br />

Theaterzensur, S. 253.<br />

28 Zu den Zensurrichtlinien siehe: Ebenda, S. 279–282.<br />

29 Christoph Martin Wieland: Nachlass des Diogenes von Sinope. Aus einer alten Hand-<br />

Christoph Martin Wieland: Nachlass des Diogenes von Sinope. Aus einer alten Handschrift.<br />

In: C. M. Wielands sämtliche Werke. Bd. 13. Leipzig: Göschen 1795, S. 3–148, hier<br />

S. 88.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!