Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS
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<strong>LiTheS</strong> Sonderband Nr. 1 (Juni 2010)<br />
44<br />
http://lithes.uni-graz.at/lithes/10_sonderband_1.html<br />
tem Geschmack einige mal vergnügen: aber wenn er sich an ernsthafte Stücke<br />
wagt, die höheres Studium und durchaus einen höheren Grad von Bildung<br />
erfordern, muß der Versuch allerdings immer sehr schlecht ausfallen. […] Die<br />
Herrn Kasperle und Schikaneder mögen ihre subordinierten Zwecke so ziemlich<br />
erreicht haben; aber das Nationaltheater ist, so wie ich es sah, noch weit<br />
entfernt, dem ersten Ort unseres Vaterlandes und der Residenz eines großen<br />
Monarchen durch seinen Gehalt Ehre zu machen.“ 115<br />
Hingegen wurden das Bildungstheater, die italienische und französische Oper vom<br />
Kärntnertor- und Burgtheater getragen. Im Ersteren fand sich das Bürgertum, im<br />
Zweiteren allen voran der Wiener (Hoch-)Adel ein. Der wirtschaftliche Aufschwung<br />
und das Anwachsen der Vorstädte, das Aufkeimen eines Mittelstandes, der sich sein<br />
Freizeitvergnügen abseits des bildungsnahen, fremdsprachigen Theaters suchte und<br />
auch die Umstrukturierung bzw. Intensivierung der Freizeitgestaltung 116 boten Platz<br />
für die Ausbildung von privat verwalteten, von der deutschen Sprache dominierten<br />
Kommerz-(Musik-)Theatern, die ihre Bestimmung in der Unterhaltung und Zerstreuung<br />
des Publikums fanden:<br />
„Uibrigens giebt sich diese Truppe sichtbare Mühe, sich über den Rang eines<br />
Nebentheaters empor zu ar<strong>bei</strong>ten, spielt neben den Faccen [!] auch verschiedene<br />
feine Stükke, die ihnen freilich noch blutschlecht gelingen, und nur durch einzelne<br />
Rollen, die nicht übel ausfallen, erträglich werden. Ihre Faccen aber fallen<br />
meists sehr gut aus, bringen auch brav Geld. Einige dieser Stükke werden oft<br />
in einem Monat zehn bis zwölfmal <strong>bei</strong> immer vollem Hause wiederholt, eine<br />
Ehre, die in Wien dem feinsten Stük nicht wiederfärt. Mit einem Wort […],<br />
ich halte wenn man nach verdrüslichen Geschäften nichts, als sein Zwergfell<br />
erschüttern will, dies Leopoldstädter Theater für eine recht gute Rekreazion.<br />
Feine Sachen, wahren pollirten Wiz mus man nicht hier suchen, aber der pollirte,<br />
feinere Wiz macht auch nur lächeln, und erschüttert das Zwergfell nicht.<br />
Wer seinen Geist nären will, hat überdem die Nazionalbühne, hingegen sind<br />
für den, der blos aus vollem Halse lachen will, was doch auch zu weilen gut und<br />
nüzlich ist, Kasperle und seine Konsorten trefliche Leute.“ 117<br />
Zur Entente der Theater mit derartiger Ausrichtung ist auch das 1788 errichtete,<br />
sich heute noch am selben Ort befindliche Josefstädter Theater 118 zu zählen, womit<br />
die drei größten Spielstätten in der Wiener Vorstadt komplett wären. Die „Grün-<br />
115 Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. In: J. G. S.: Werke in<br />
zwei Bänden. Hrsg. von Jörg Drews. Bd. 1. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag<br />
1993. (= Bibliothek deutscher Klassiker. 85.) S. 155–540, hier S. 190–191.<br />
116 Vgl. Tanzer, Spectacle müssen seyn, S. 133–276.<br />
117 Schink, Dramatische und andere Skizzen nebst Briefen, S. 126–127.<br />
118 Vgl. Österreichisches Musiklexikon. Online: http://www.musiklexikon.ac.at „Josefstädter<br />
Theater“ [Stand 2009].