Jennyfer Großauer-Zöbinger - bei LiTheS
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<strong>Jennyfer</strong> <strong>Großauer</strong>-<strong>Zöbinger</strong>: Das Leopoldstädter Theater (1781–1806)<br />
duzenten spalteten, zeigen die in diversen Flugschriften 76 und Theaterzeitschriften 77<br />
ausgetragenen Diskussionen um die Bühnenberechtigung des Kasperl 78 , der die Zeitgenossen<br />
nicht minder polarisierte, wie es einst der Hanswurst getan hatte. Auch die<br />
Frage, ob das auf der Leopoldstädter Bühne Gebotene den Diktaten der Zensur entspreche,<br />
beschäftigte die differenzierte Öffentlichkeit – kritische Stimmen gegen die<br />
Bühnenleitung und Spielplanbeschaffenheit, die nicht immer frei von Befangenheit<br />
und Kalkül waren, wurden laut. Zum Beispiel ist der in manchen schmähenden Rezensionen<br />
getätigte Vorwurf, die Bühne und die spielenden Protagonisten verstoßen<br />
gegen Sitten, Religion und die Vorgaben des Staates, nicht mehr als der Versuch, ein<br />
auf Subjektivität beruhendes Geschmacksurteil bzw. Geschmacksdiktat durch die<br />
Berufung auf ein Zensur-Delikt zu legitimieren:<br />
„So auch im Gegentheile: wo eine ähnliche Sorgfalt für die Sittenverbesserung<br />
eines Volkes von dem Staate nicht nur vernachlässigt wird; sondern, wo der<br />
Staat, ohne es zu ahnden, zusieht: wie ein Marinelli aufgeblasen und kühn, wie<br />
ein kalekutischer Hahn wieder [!] alle Sitten und Religion selbst zu Felde zieht,<br />
und noch manch anderen Unfug treibt – wo der Staat also so wenig aufmerksam<br />
auf die Unterhaltung seines Volkes ist; da muß freilich auch der Pöbel <strong>bei</strong><br />
den sittenwidrigen Lustspielen eines Marinelli nicht nur gleichgültig bleiben,<br />
und Schauspieler und Dichter nicht <strong>bei</strong>m Schopf nehmen; sondern an diesen<br />
Vorstellungen endlich gar Gefallen finden, und dadurch jedes Gefühl von Sittlichkeit<br />
ersticken. – Aber, wird man sagen, der Staat hat ja eine Censur, und<br />
Polizeikommission festgesetzt, die über dergleichen Unordnungen wachen sollen?<br />
Ohne zu untersuchen, wie weit sich die Gesetze der ersten erstrecken, und<br />
76 Kasperl das Insekt unseres Zeitalters. Nebst einer Wahrnung [!] an seine Gönner. Wien:<br />
[o. V.] 1781. In: In: Gustav Gugitz: Der Weiland Kasperl (Johann La Roche). Ein Beitrag<br />
zur Theater- und Sitten-geschichte Alt-Wiens. Wien, Prag und Leipzig: Strache 1920,<br />
S. 75–82. Etwas für Kasperls Gönner. Wien: Hartl 1781. In: Ebenda, S. 83–98. Kurze Antwort<br />
auf die <strong>bei</strong>den Schmähschriften. I. Kasperl, das Insekt unseres Zeitalters. II. Etwas für<br />
Kasperls Gönner. Wien: [o. V.] 1781. In: Ebenda, S. 99–107. Bitte an die Damen Wiens das<br />
Leopoldstädter Theater betreffend. Wien: [o. V.] 1789. Antwort auf die unverschämte Kritik<br />
über die Leopoldstädter Cosa Rara. Wien: [o. V.] 1787. Ferdinand Eberl: Abgedrungene<br />
Antwort auf das im zweiten Vierteljahre des kritischen Theater-Journals erschienene sechste<br />
Stück, Wien: [o. V.] 1789.<br />
77 Kritisches Theaterjournal von Wien. Eine Wochenschrift. Wien: Ludwig 1788/89, Johann<br />
Friedrich Schink: Dramaturgische Fragmente. 4 Bände. Graz: [o. V.] 1781–1784, Johann<br />
Friedrich Schink: Dramaturgische Monate. Bd. 1. Schwerin: Bödner 1790, Johann Friedrich<br />
von Schink: Dramatische und andere Skizzen nebst Briefen über das Theaterwesen zu<br />
Wien. Wien: Sonnleithner 1783.<br />
78 Der lustige Protagonist würde nur die „dümmsten Einfälle“ auf die Bühne bringen, „ab-<br />
Der lustige Protagonist würde nur die „dümmsten Einfälle“ auf die Bühne bringen, „abgedroschen“<br />
spielen (was ja nicht ganz von der Hand zu weisen ist), dass man wegen der<br />
Plumpheit (alles drehe sich nur um die eine Szene, in der Kasperl seinen Herrn „tüchtig<br />
herumkarwatscht“) „Gefahr läuft, Kopfweh zu bekommen“, summa summarum sei er kein<br />
sittlicher Charakter und ein schlechtes moralisches Vorbild für das Wiener Publikum – lauteten<br />
einige Vorwürfe der Kritiker. Nachzulesen in: Etwas für Kasperls Gönner, S. 86–97.<br />
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