Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
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EDITORIAL<br />
Anwaltschaft<br />
und Rechtswissenschaft<br />
Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Präsident<br />
des Deutschen <strong>Anwaltverein</strong>s<br />
Ludwig Koch ist einer der wenigen<br />
Anwälte, denen der Doktortitel honoris<br />
causa zuerkannt worden ist. Im<br />
Juni 70 Jahre alt geworden, galt dem<br />
ehemaligen Präsidenten des Deutschen<br />
<strong>Anwaltverein</strong>s eine akademische Feier<br />
an der Universität zu Köln. Vier Professoren<br />
sprachen zu aktuellen Fragen<br />
des Berufsrechts. Ihre Vorträge sind in<br />
diesem Heft vereinigt.<br />
Dies ist ein guter Anlass über das<br />
Verhältnis der Anwaltschaft zur<br />
Rechtswissenschaft nachzudenken. Hat<br />
doch jede Rechtsanwältin und jeder<br />
Rechtsanwalt ein rechtswissenschaftliches<br />
Studium absolviert. Soweit so gut<br />
und altvertraut – also selbstverständlich.<br />
Wirklich selbstverständlich? Der<br />
Anwalt ist ein Mann der Tat! Er ist<br />
Praktiker! Warum sollten nicht andere<br />
Abschlüsse (z. B. von Fachhochschulen)<br />
zum Anwaltsberuf ausreichen?<br />
Was halten wir entgegen? Was ist<br />
Wissenschaft? Lesebrille und Studierstübchen?<br />
Nein: Geisteswissenschaft<br />
dient der Bildung der Persönlichkeit.<br />
„Universitas“ hat ihren Sinn.<br />
Wir Rechtsanwälte sind mehr als bloße<br />
Paragraphenanwender. Es muss – im<br />
Interesse der Menschen – dabei bleiben,<br />
dass rechtwissenschaftlich ausgebildet<br />
ist, wer Recht anwenden soll.<br />
Halt! Schallt es entgegen. Findet<br />
denn an den Universitäten eine rechtwissenschaftliche<br />
Ausbildung überhaupt<br />
noch statt? Natürlich, heißt die<br />
Antwort. Nur leider: sie erreicht nicht<br />
mehr alle. Wer freischussgerecht studiert,<br />
wird den Anspruch der Universitas<br />
wohl nicht mehr erfüllen. Das ist<br />
ein Übelstand, der behoben werden<br />
muss. Aber er rechtfertigt nicht, Abschlüsse<br />
zuzulassen, die von vorn herein<br />
auf Rechtswissenschaft verzichten!<br />
Bachelor-Abschlüsse, inzwischen<br />
auch für Jura im Gespräch, können,<br />
wenn sie kein rechtswissenschaftliches<br />
Curriculum enthalten, keinesfalls zum<br />
Anwalt qualifizieren.<br />
Das heißt: Anwaltschaft und rechtswissenschaftliche<br />
Fakultäten sind natürliche<br />
Verbündete beim Kampf gegen<br />
eine Entwissenschaftlichung des<br />
I<br />
MN<br />
Rechtswesens – zusammen mit den anderen<br />
Berufsgruppen, die von Volljuristen<br />
gestellt werden. Nur gemeinsam<br />
können wir verhindern, dass man<br />
uns zu Rechtsanwendungsingenieuren<br />
degradiert. So verstanden macht es<br />
auch einen Sinn, wenn heute allenthalben<br />
von einer „anwaltsorientierten“<br />
Juristenausbildung gesprochen wird.<br />
Insoweit kann die Ausbildungsreform<br />
des letzten Jahres auch wirklich etwas<br />
bewirken.<br />
Erstens: die Förderung der Wissenschaft<br />
vom Recht des Anwalts muss<br />
oberste Priorität haben. Was – mit<br />
Ludwig Kochs Hilfe – am Institut für<br />
Anwaltsrecht der Universität zu Köln<br />
geschaffen worden ist, ist vorbildhaft.<br />
Zweitens: Rechtswissenschaft muss<br />
aber auch in der Lehre wieder die ihre<br />
zukommende Geltung erlangen. Es<br />
darf nicht bloß „praxisbezogen“<br />
geprüft werden.<br />
Drittens: Das Studium bildet nicht<br />
Anwälte aus. Das bedeutet: nach der<br />
Ersten juristischen Prüfung wird die<br />
praktische Ausbildung zum Anwalt<br />
(wie zu den anderen Berufen) weiterhin<br />
erforderlich sein. Nach dem Studium<br />
sollte aber jeder in der Lage sein,<br />
zu entscheiden, welchen Beruf er ergreifen<br />
will.<br />
Viertens: Rechtswissenschaft können<br />
nur Rechtswissenschaftler sinnvoll<br />
vermitteln. Wir Anwälte sollten uns<br />
auf diesem Feld zurückhalten.<br />
Im Ergebnis: nicht nur Berührungspunkte<br />
zwischen Anwaltschaft und<br />
Rechtswissenschaft. Sondern eine gemeinsame<br />
Option für eine sinnvolle<br />
Zukunft. Wir müssen uns alle mehr als<br />
bisher einer sachgerechten Zusammenarbeit<br />
mit den Universitäten widmen.<br />
Wie man das leistet, hat Ludwig Koch<br />
in seinem Bereich bereits vorgemacht.