Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
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MN<br />
DAV-Rednerwettstreit<br />
Sind Anwälte wirklich<br />
„Edel und Star(c)k“?<br />
Kein leichtes Thema für den 1. Preisträger des Rednerwettstreites<br />
auf dem Deutschen Anwaltstag. Zum fünften<br />
Mal hatte der DAV junge Kollegen (Altersgrenze 39 Jahre)<br />
eingeladen. „Die Rhetorikkultur ist bei den Anwälten noch<br />
entwicklungsfähig. Der große Zuspruch zum Rednerwettstreit<br />
zeigt aber, dass bei der jungen Anwaltschaft das Interesse<br />
daran wächst“, sagte Rechtsanwalt Georg Prasser,<br />
Vizepräsident des DAV und Vorsitzender der Jury, in Hamburg.<br />
Den ersten Platz sicherte sich Rechtsanwalt Dr.<br />
Friedrich Blase (Frankfurt am Main). Auf den zweiten Platz<br />
kam Rechtsanwalt Michael Wappner (Düsseldorf), gefolgt<br />
von Rechtsanwalt Chan-jo Jun (Würzburg). Die Preise sind<br />
mit 2 500 E, 1 000 E und 500 E dotiert. Zur Jury gehörten<br />
neben Prasser: Rechtsanwältin Dr. Lore Peschel-Gutzeit<br />
(Ex-Justizsenatorin in Hamburg sowie in Berlin), Rechtsanwalt<br />
Dr. Bernd Hirtz (Köln), Rechtsanwalt Dr. Ulrich<br />
Scharf (Celle, Vizepräsident der BRAK), Rhetorik-Prof. Dr.<br />
Gert Ueding (Universität Tübingen) und Dr. Thilo von<br />
Trotha (Präsident des Verbandes der Redenschreiber).<br />
Das <strong>Anwaltsblatt</strong> dokumentiert die Rede des 1. Preisträgers<br />
aus der Zentralveranstaltung des 55. Deutschen<br />
Anwaltstags in Hamburg:<br />
Eigentlich war es ja schon absehbar, als Barbara Salesch<br />
als Richterin über unsere Bildschirme flimmerte. In Kürze<br />
würde die sinnreduzierende Medienwelt hierzulande auch<br />
unseren Berufsstand entdecken. Pearsons? ???? konnte man<br />
ja noch als nicht repräsentative „Importware“ abstempeln.<br />
Ally McBeal war dann schon „Kultware“ mit gefährlichen<br />
Speerspitzen, die zu Vergleichen nötigten – sind deutsche<br />
Anwältinnen auch so emotional?? Die Herren blieben aber<br />
noch verschont.<br />
Und nun – seit etwas über einem Jahr – ist es geschehen:<br />
Unsere Schonzeit, meine Damen und Herren, ist<br />
endgültig abgelaufen. Wir werden beobachtet, durchleuchtet,<br />
transparent gemacht. Sie lächeln – warten Sie, das wird<br />
Ihnen vergehen.<br />
Sie haben vielleicht auch nicht gedacht, dass Sie einmal<br />
einen Mandanten hochkantig wieder aus der Kanzlei<br />
schmeißen mussten, weil er reinkam und forsch-fordernd<br />
rumposaunte: „Hier ist meine AdvoCard. Wo ist mein Anwalt?“.<br />
Und wer hat nicht noch gelächelt, als der gerichtsbekannte<br />
und sichtlich noch mitten in seiner letzten BTM-<br />
Straftat verharrende Angeklagte den tapferen Strafrichter<br />
mit „Euer Ehren“ ansprach.<br />
Jetzt warte ich auf den ersten Mandanten, der enttäuscht<br />
eine Kanzlei verlässt, weil er dort nicht die Anwalts-Wahl<br />
zwischen charmant-lässig und selbstbewusst-schlagfertig<br />
hat und schon gar nicht die lockeren Sprüche einander nur<br />
so jagen. Die Menschen in diesem Land – oder jedenfalls<br />
die, für die Montags, 21.15 h zur heiligen Zeit gehört –<br />
werden uns an Felix Edel und Sandra Starck messen.<br />
Aber sind wir wirklich edel und stark? Meine Damen<br />
und Herren, die Antwort kann nur lauten: NEIN. Mit allem<br />
Nachdruck: NEIN. Anwälte sind nicht edel und stark. Ich<br />
AnwBl 8 + 9/2004<br />
Anwaltstag 2004<br />
werde Ihnen das nun begründen – in guter juristischer Manier:<br />
Meine Argumentation basiert auf wörtlichen, systematischen,<br />
historischen und schließlich teleologischen Untersuchungen:<br />
Was heißt denn edel und stark? Diese Eigenschaftswörter<br />
werden im Duden definiert als ... Beschreibt das einen<br />
Anwalt? Ich weiß es nicht. Ist aber auch egal – denn seit<br />
der leidigen Diskussion um die Rechtschreibreform wissen<br />
wir Juristen ja: der Duden ist ein privates Werk – ohne jeden<br />
Normsetzungscharakter. Bleibt daher die Frage anders<br />
herum zu stellen: Was ist ein Anwalt? Nun hat der Duden<br />
in seiner alltäglich gebräuchlichen Taschenbuchausgabe<br />
Wir sind Organe der Rechtspflege –<br />
verbinden Sie damit jemanden, der<br />
edel und stark ist?<br />
hierfür keine Definition. Dafür aber unser Berufsrecht: Wir<br />
sind Organe der Rechtspflege. Ja, meine Damen und Herren;<br />
verbinden Sie mit dem „Organ der Rechtspflege“ jemand<br />
der edel und stark ist. Seit wann kann ein Organ einen<br />
edlen Charakter haben? Und wie soll es stark sein? Ein<br />
Organ ist ein Funktionsteil. Da bekommen Sie keine Emo-<br />
Rechtsanwalt Dr. Friedrich Blase aus Frankfurt am Main:<br />
1. Preisträger des DAV-Rednerwettstreites.<br />
tion hinein. Conlusio: aus dem Wortlaut ist kein Reim zu<br />
machen.<br />
Systematisch – ja, die systematische Untersuchung erscheint<br />
bei dieser Fragestellung auf den ersten Blick ein<br />
schwieriges Unterfangen. Da systematisch von System<br />
kommt, habe ich mich für die Empirie entschieden und bin<br />
mit Stift und Bogen bewaffnet auf die Suche nach anderen<br />
System-Vertretern gegangen. Auf dem Plan standen – das<br />
mag Sie jetzt nervös machen – Richter und Mandanten.<br />
Kaum hatte ich mir den Zugang zu unserem Gerichtsgebäude<br />
in Frankfurt am Main durch Übersteigen einiger<br />
Panzerkrallen, Stacheldrahtzäune und Polizeisperren geebnet,<br />
sollte mein Forschungsausflug bei den Sicherheitsbediensteten<br />
an der Eingangskontrolle jäh enden – was ich<br />
denn hier wolle? Alles Erklären und der Verweis auf die<br />
Forschungsfreiheit in Artikel 5 half nichts. Dem Einfall sei