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Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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480<br />

MN<br />

DAV-Rednerwettstreit<br />

Sind Anwälte wirklich<br />

„Edel und Star(c)k“?<br />

Kein leichtes Thema für den 1. Preisträger des Rednerwettstreites<br />

auf dem Deutschen Anwaltstag. Zum fünften<br />

Mal hatte der DAV junge Kollegen (Altersgrenze 39 Jahre)<br />

eingeladen. „Die Rhetorikkultur ist bei den Anwälten noch<br />

entwicklungsfähig. Der große Zuspruch zum Rednerwettstreit<br />

zeigt aber, dass bei der jungen Anwaltschaft das Interesse<br />

daran wächst“, sagte Rechtsanwalt Georg Prasser,<br />

Vizepräsident des DAV und Vorsitzender der Jury, in Hamburg.<br />

Den ersten Platz sicherte sich Rechtsanwalt Dr.<br />

Friedrich Blase (Frankfurt am Main). Auf den zweiten Platz<br />

kam Rechtsanwalt Michael Wappner (Düsseldorf), gefolgt<br />

von Rechtsanwalt Chan-jo Jun (Würzburg). Die Preise sind<br />

mit 2 500 E, 1 000 E und 500 E dotiert. Zur Jury gehörten<br />

neben Prasser: Rechtsanwältin Dr. Lore Peschel-Gutzeit<br />

(Ex-Justizsenatorin in Hamburg sowie in Berlin), Rechtsanwalt<br />

Dr. Bernd Hirtz (Köln), Rechtsanwalt Dr. Ulrich<br />

Scharf (Celle, Vizepräsident der BRAK), Rhetorik-Prof. Dr.<br />

Gert Ueding (Universität Tübingen) und Dr. Thilo von<br />

Trotha (Präsident des Verbandes der Redenschreiber).<br />

Das <strong>Anwaltsblatt</strong> dokumentiert die Rede des 1. Preisträgers<br />

aus der Zentralveranstaltung des 55. Deutschen<br />

Anwaltstags in Hamburg:<br />

Eigentlich war es ja schon absehbar, als Barbara Salesch<br />

als Richterin über unsere Bildschirme flimmerte. In Kürze<br />

würde die sinnreduzierende Medienwelt hierzulande auch<br />

unseren Berufsstand entdecken. Pearsons? ???? konnte man<br />

ja noch als nicht repräsentative „Importware“ abstempeln.<br />

Ally McBeal war dann schon „Kultware“ mit gefährlichen<br />

Speerspitzen, die zu Vergleichen nötigten – sind deutsche<br />

Anwältinnen auch so emotional?? Die Herren blieben aber<br />

noch verschont.<br />

Und nun – seit etwas über einem Jahr – ist es geschehen:<br />

Unsere Schonzeit, meine Damen und Herren, ist<br />

endgültig abgelaufen. Wir werden beobachtet, durchleuchtet,<br />

transparent gemacht. Sie lächeln – warten Sie, das wird<br />

Ihnen vergehen.<br />

Sie haben vielleicht auch nicht gedacht, dass Sie einmal<br />

einen Mandanten hochkantig wieder aus der Kanzlei<br />

schmeißen mussten, weil er reinkam und forsch-fordernd<br />

rumposaunte: „Hier ist meine AdvoCard. Wo ist mein Anwalt?“.<br />

Und wer hat nicht noch gelächelt, als der gerichtsbekannte<br />

und sichtlich noch mitten in seiner letzten BTM-<br />

Straftat verharrende Angeklagte den tapferen Strafrichter<br />

mit „Euer Ehren“ ansprach.<br />

Jetzt warte ich auf den ersten Mandanten, der enttäuscht<br />

eine Kanzlei verlässt, weil er dort nicht die Anwalts-Wahl<br />

zwischen charmant-lässig und selbstbewusst-schlagfertig<br />

hat und schon gar nicht die lockeren Sprüche einander nur<br />

so jagen. Die Menschen in diesem Land – oder jedenfalls<br />

die, für die Montags, 21.15 h zur heiligen Zeit gehört –<br />

werden uns an Felix Edel und Sandra Starck messen.<br />

Aber sind wir wirklich edel und stark? Meine Damen<br />

und Herren, die Antwort kann nur lauten: NEIN. Mit allem<br />

Nachdruck: NEIN. Anwälte sind nicht edel und stark. Ich<br />

AnwBl 8 + 9/2004<br />

Anwaltstag 2004<br />

werde Ihnen das nun begründen – in guter juristischer Manier:<br />

Meine Argumentation basiert auf wörtlichen, systematischen,<br />

historischen und schließlich teleologischen Untersuchungen:<br />

Was heißt denn edel und stark? Diese Eigenschaftswörter<br />

werden im Duden definiert als ... Beschreibt das einen<br />

Anwalt? Ich weiß es nicht. Ist aber auch egal – denn seit<br />

der leidigen Diskussion um die Rechtschreibreform wissen<br />

wir Juristen ja: der Duden ist ein privates Werk – ohne jeden<br />

Normsetzungscharakter. Bleibt daher die Frage anders<br />

herum zu stellen: Was ist ein Anwalt? Nun hat der Duden<br />

in seiner alltäglich gebräuchlichen Taschenbuchausgabe<br />

Wir sind Organe der Rechtspflege –<br />

verbinden Sie damit jemanden, der<br />

edel und stark ist?<br />

hierfür keine Definition. Dafür aber unser Berufsrecht: Wir<br />

sind Organe der Rechtspflege. Ja, meine Damen und Herren;<br />

verbinden Sie mit dem „Organ der Rechtspflege“ jemand<br />

der edel und stark ist. Seit wann kann ein Organ einen<br />

edlen Charakter haben? Und wie soll es stark sein? Ein<br />

Organ ist ein Funktionsteil. Da bekommen Sie keine Emo-<br />

Rechtsanwalt Dr. Friedrich Blase aus Frankfurt am Main:<br />

1. Preisträger des DAV-Rednerwettstreites.<br />

tion hinein. Conlusio: aus dem Wortlaut ist kein Reim zu<br />

machen.<br />

Systematisch – ja, die systematische Untersuchung erscheint<br />

bei dieser Fragestellung auf den ersten Blick ein<br />

schwieriges Unterfangen. Da systematisch von System<br />

kommt, habe ich mich für die Empirie entschieden und bin<br />

mit Stift und Bogen bewaffnet auf die Suche nach anderen<br />

System-Vertretern gegangen. Auf dem Plan standen – das<br />

mag Sie jetzt nervös machen – Richter und Mandanten.<br />

Kaum hatte ich mir den Zugang zu unserem Gerichtsgebäude<br />

in Frankfurt am Main durch Übersteigen einiger<br />

Panzerkrallen, Stacheldrahtzäune und Polizeisperren geebnet,<br />

sollte mein Forschungsausflug bei den Sicherheitsbediensteten<br />

an der Eingangskontrolle jäh enden – was ich<br />

denn hier wolle? Alles Erklären und der Verweis auf die<br />

Forschungsfreiheit in Artikel 5 half nichts. Dem Einfall sei

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