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Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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518<br />

MN<br />

§ 61 InsO – BGH zu<br />

Grenzen der<br />

Verwalterhaftung *<br />

Rechtsanwalt Alexander Weinbeer<br />

Allianz Versicherungs-AG, München<br />

Im letzten Jahr war es aufgrund einer Reihe obergerichtlicher<br />

Urteile zu erheblicher Unsicherheit unter den<br />

Insolvenzverwaltern in Bezug auf die Frage gekommen,<br />

unter welchen Voraussetzungen sie für Masseverbindlichkeiten<br />

nach § 61 InsO einzustehen haben. Namentlich die<br />

Entscheidungen des OLG Hamm vom 16.1.2003 zu den Az.<br />

27 U 45/02 (NZI 2003, 263 = ZInsO 2003, 474 = ZIP<br />

2003, 1165) und 27 U 46/02 statuierten für den Insolvenzverwalter<br />

gerade bei der von Seiten des Gesetzgebers verstärkt<br />

intendierten Betriebsfortführung Gefahren, die eine<br />

Aushöhlung dieser mit dem neuen Insolvenzrecht verbundenen<br />

Zielsetzung und den Rückzug auf die weniger haftungsträchtige<br />

Liquidation und sofortige Gläubigerbefriedigung<br />

befürchten ließen. Der BGH hatte sich aufgrund<br />

der vorgenannten Urteile erstmals mit der persönlichen<br />

Haftung des Insolvenzverwalters zu befassen und präzisierte<br />

den Anwendungsbereich des § 61 InsO durch seine<br />

beiden Entscheidungen vom 6.5.2004 zu den Az. IX ZR<br />

48/03 (ZInsO 2004, 609) und IX ZR 50/03.<br />

1. Entscheidungsinhalt<br />

Insbesondere hatte der BGH der Frage nachzugehen, ob<br />

eine Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO nur<br />

bei der pflichtwidrigen Begründung von Masseverbindlichkeiten<br />

in Betracht komme oder ob – so das OLG Hamm –<br />

die Ersatzpflicht bereits dann eintrete, wenn der Insolvenzverwalter<br />

Masseschulden bei ihrer Fälligkeit nicht erfüllen<br />

könne. Das Berufungsgericht nahm dabei eine Haftung<br />

nach § 61 Satz 1 InsO an, weil die Vorschrift nach ihrem<br />

„umfassenden Wortlaut“ eine entsprechende Auslegung zuließe.<br />

Zudem ergäbe sich aus der Gesetzesbegründung, dass<br />

der Gesetzgeber wieder eine Verschärfung der Haftung in<br />

Richtung auf die ältere Rechtsprechung bewirken wollte,<br />

um so die Möglichkeiten zur Unternehmensfortführung zu<br />

verbessern (ebenso Pape, ZInsO 2003, 1013 ff.; EWiR<br />

2003, 829 f.; mittlerweile aber wohl anders in ZInsO 2004,<br />

605 ff.).<br />

Der BGH folgt der Auffassung des OLG Hamm nicht.<br />

Er legt § 61 Satz 1 InsO zunächst wortlautgetreu aus und<br />

beschränkt die daraus resultierende Verwalterhaftung ausschließlich<br />

auf die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten<br />

(s. a. Laws, MDR 2003, 787, 792 f.). Auch<br />

lehnt er eine Ausweitung der Verwalterhaftung aufgrund der<br />

Regierungsbegründung (BT-Drucks. 12/2443, S. 129) ab<br />

und betont, dass sich der eingeschränkte Anwendungsbereich<br />

des § 61 InsO auch aus der Vorgeschichte der Vorschrift<br />

ergibt (vgl. zur Entstehungsgeschichte der §§ 60 ff.<br />

InsO und den Gründen der Neuregelung auch Pape,ZInsO<br />

2003, 1013 ff.; Weinbeer, AnwBl. 2004, 48 ff.).<br />

In diesem Zusammenhang weist der BGH aber darauf<br />

hin, dass der Verwalter den Entlastungsbeweis nach § 61<br />

Satz 2 InsO im Allgemeinen nur durch eine kontinuierlich<br />

fortgeschriebene und plausible Liquiditätsplanung führen<br />

könne. Resultiert die Liquiditätsprognose nicht aus einer<br />

präzisen Berechnung der Einnahmen und Ausgaben sowie<br />

aus einer realistischen Einschätzung noch ausstehender Forderungen<br />

und der künftigen Geschäftsentwicklung, könne<br />

sich der Verwalter nicht entlasten. Insbesondere sollen Forderungen<br />

dann ausscheiden, wenn ernstliche Zweifel daran<br />

bestehen, ob sie in angemessener Zeit (nicht) realisiert werden<br />

können.<br />

Zudem stellt der BGH fest, dass ein Ausfallschaden<br />

i. S. d. § 61 InsO jedenfalls dann vorliegt, wenn die Masseunzulänglichkeit<br />

angezeigt wurde und keine ohne weiteres<br />

durchsetzbaren Ansprüche bestehen, aus denen die Massegläubiger<br />

befriedigt werden können. Wenn eine freiwillige<br />

Erfüllung von Ansprüchen ausgeschlossen ist, müssen sich<br />

die Massegläubiger nicht auf einen möglicherweise langjährigen<br />

Rechtsstreit über ungewisse Ansprüche verweisen<br />

lassen. Eine i. R. d. Verteilung nach § 209 Abs. 1 InsO zu<br />

erwartende Quote ist vielmehr entsprechend § 255 BGB zu<br />

berücksichtigen.<br />

Einen weiteren Schwerpunkt der Entscheidungen bilden<br />

auch die Hinweise des BGH zum Umfang des nach § 61<br />

InsO erstattungsfähigen Schadens, der sich auf das negative<br />

Interesse beschränken soll. Damit schließt sich der BGH<br />

der überwiegenden Literaturmeinung an, die den<br />

Anknüpfungspunkt für eine Haftung nach § 61 InsO in<br />

dem enttäuschten Vertrauen des Geschäftspartners sieht,<br />

und begründet dies insbesondere mit systematischen und<br />

historischen Gesichtspunkten sowie Sinn und Zweck des<br />

§ 61 InsO. Denn der eigentliche Haftungsgrund des § 61<br />

InsO liegt im Eingehen einer Masseverbindlichkeit trotz<br />

voraussichtlicher Masseunzulänglichkeit bzw. in der unterlassenen<br />

Warnung des Vertragspartners, der einen entspr.<br />

Hinweis auf die drohende Masseinsuffizienz bei Geschäftsabschluss<br />

erwarten dürfe. Dies stellt – worauf der BGH zu<br />

Recht hinweist – einen typischen Fall der Vertrauenshaftung<br />

dar. Konsequenterweise lehnt der BGH daher auch die<br />

Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer ab, weil die Ersatzleistung<br />

nicht auf einem Leistungsaustausch beruht.<br />

Schließlich geht das Gericht noch auf die häufig in der<br />

Praxis anzutreffenden (Form-)Schreiben von Insolvenzverwaltern<br />

ein, in denen mehr oder weniger deutlich die Zahlung<br />

offener Masseverbindlichkeiten zugesagt wird. Der<br />

BGH deutet dabei an, dass derartige, eher floskelhafte Zusagen<br />

i. d. R. schwerlich genügen dürften, um eine Garantiezusage<br />

in Form einer persönlichen Haftungsübernahme<br />

des Verwalters annehmen zu können (so auch LG Dresden,<br />

Urt. v. 5.3.04 – 10 O 3672/03 – (unveröff.), das schon aus<br />

dem Umstand, dass derartige Zusagen regelmäßig namens<br />

des Insolvenzverwalters erfolgen, ein persönliches Einstehenwollen<br />

ablehnt).<br />

2. Fazit<br />

AnwBl 8 + 9/2004<br />

Haftpflichtfragen<br />

Der BGH hat erfreuliche Klarstellungen in Bezug auf<br />

die Voraussetzungen der Verwalterhaftung nach § 61 Satz 1<br />

InsO und den Umfang der Schadensersatzpflicht, die auf<br />

das negative Interesse beschränkt wird und nicht die Umsatzsteuer<br />

umfasst, geschaffen, nachdem gerade letztgenannte<br />

Gesichtspunkte in Entscheidungen zu § 61 InsO<br />

bislang wenig Berücksichtigung fanden (vgl. hierzu auch<br />

Pape, ZInsO 2003, 1013, 1017; 2004, 605 f.). Problematisch<br />

erscheint die Begründung für die Annahme eines Ausfallschadens<br />

i. S. d. § 61 InsO, insbesondere wenn es nur zu<br />

einer zeitweiligen Masseunzulänglichkeit gekommen war.<br />

Unklar bleiben schließlich auch die Anforderungen an die<br />

Liquiditätsplanung. Hier bleibt abzuwarten, ob die Instanzengerichte<br />

eine praxisgerechte Auslegung finden werden.<br />

* Ergänzung zu Weinbeer, AnwBl 2004, 48.

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