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Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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502<br />

MN<br />

Unabhängigkeit, das strikte Verbot der<br />

Vertretung widerstreitender Interessen<br />

sowie die gesetzliche Pflicht zur Übernahme<br />

von Pflichtverteidigungs- und<br />

Beratungshilfemandaten. Diese Pflichten<br />

werden ergänzt durch Schweigerechte<br />

und Beschlagnahmeverbote.<br />

Dies alles sind keine „Privilegien“ des<br />

Anwalts. Wenn jetzt Lauschangriffe<br />

auf Anwälte gefordert werden, geht<br />

es nicht um Anwaltsrechte, sondern<br />

um Bürgerrechte. Die Sonderstellung<br />

der Anwälte dient dazu, dem Bürger<br />

bestmöglich zu seinem Recht zu verhelfen.<br />

Bürgerrechte oder freie Marktwirtschaft:<br />

Zwischen diesen beiden Polen<br />

bewegt sich der Anwaltsberuf. Der<br />

Alltag des kleinstädtischen Hausanwalts<br />

hat nur noch wenig gemein<br />

mit dem Berufsleben eines Wirtschaftsjuristen<br />

in einer internationalen<br />

Großkanzlei. Je mehr die Gesetze des<br />

Marktes die eigene Berufsausübung<br />

prägen, desto schattenhafter werden<br />

die Gemeinwohlinteressen, denen der<br />

Anwalt (auch) dienen soll.<br />

Wer dem Bürger künftig die freie<br />

Wahl geben möchte zwischen einem<br />

Anwalt und einem Berater, der weder<br />

unabhängig noch verschwiegen ist,<br />

setzt klare Prioritäten: Marktwirtschaft<br />

vor Bürgerrechte; freie Entfaltung der<br />

Marktkräfte vor der Gewährleistung<br />

des Rechts. Wer zudem Gemeinwohlbelange<br />

als „hohles Pathos“ oder als<br />

„Lobby-Geschäft“ der Anwälte gering<br />

schätzt, hat die Prioritäten bereits gesetzt,<br />

bevor er sie ernsthaft erwogen<br />

hat. Besonders hervorgetan beim vorschnellen<br />

Reden haben sich Anwälte,<br />

die die Berufpflichten ebenso forsch<br />

wie modisch als „Marketing-Instrumente“<br />

anpreisen. Für Anwälte und<br />

Politik heißt es Abschied nehmen. Abschied<br />

von der Vorstellung eines einheitliche<br />

Berufsbildes, das es in der<br />

Wirklichkeit schon lange nicht mehr<br />

gibt. Internationale Großkanzleien arbeiten<br />

marktwirtschaftlich. Sie werden<br />

damit leben können (und müssen), in<br />

zunehmendem Maße der Konkurrenz<br />

anderer Dienstleister ausgesetzt zu<br />

sein. Die kleine Anwaltskanzlei „vor<br />

Ort“ ist mit anderen Maßstäben zu<br />

messen, da sie kein mittelständisches<br />

Unternehmen ist wie jedes andere<br />

auch. Wie immer das neue Gesetz<br />

heißen mag, das an die Stelle des<br />

Rechtsberatungsgesetzes tritt: Differenzierte<br />

Lösungen sind gefragt. Dabei<br />

darf nicht in Vergessenheit geraten,<br />

dass es bei der Sonderstellung der Anwälte<br />

nicht um „Privilegien“ der Anwälte,<br />

sondern um Bürgerrechte geht.<br />

Rechtsanwalt Niko Härting, Berlin<br />

Vertrauensschadensfonds:<br />

Es geht nicht um bewusst<br />

kriminell tätige Kollegen<br />

Leserzuschrift zu dem Kommentar<br />

„Vertrauensschadensfonds der Rechtsanwälte<br />

für kriminelle Kollegen?“<br />

von Rechtsanwalt Dr. Michael Streck<br />

in AnwBl 2004, 212:<br />

Nur so lässt sich ein begründeter<br />

Vertrauensverlust gegenüber den Organen<br />

der Rechtspflege, zu deren Inanspruchnahme<br />

den Einzelnen keine<br />

Alternative zur Verfügung steht, verhindern“.<br />

Mit diesem Kernsatz empfiehlt<br />

der Petitionsausschuss der Bundesregierung<br />

die Einrichtung eines<br />

gesetzlich vorgesehenen Vertrauensschadensfonds<br />

für Rechtsanwälte. Der<br />

Rechtsanwalt Matthias<br />

Schollen aus<br />

Freiburg ist Vorsitzender<br />

des Vertrauensschadensfonds<br />

bei der Rechtsanwaltskammer<br />

Freiburg e. V. Der<br />

Fonds wird gespeist<br />

durch Bußgeldzahlungen,<br />

Ordnungs- und<br />

Geldstrafen, Spenden<br />

sowie Mitgliedsbeiträge.<br />

Petitionausschuss hält für die Ausgestaltung<br />

der obligaten Berufshaftpflichtversicherung<br />

eine ergänzende<br />

Regelung für erforderlich, die auch bei<br />

vorsätzlicher Pflichtverletzung Versicherungsschutz<br />

bietet.<br />

Michael Streck wendet sich mit<br />

seinem Kommentar in AnwBl. 2004,<br />

212 zu Recht und mit guten Gründen<br />

gegen diese Form der Vertrauensschadenvorsorge.<br />

Er „schüttet das Kind jedoch<br />

mit dem Bade aus“, wenn er<br />

auch den bei der Rechtsanwaltskammer<br />

Freiburg als gemeinnützigen Verein<br />

eingerichteten Vertrauensschadenfonds<br />

auf gleiche Ebene mit der<br />

gesetzlichen Vertrauensschadenversicherung<br />

stellt und mit Bausch und<br />

Bogen ablehnt. Die Zielrichtung des<br />

Freiburger Fonds hat ebenso wie übrigens<br />

die des bei der Rechtsanwaltskammer<br />

München eingerichteten Vertrauensschadenfonds<br />

eine wesentlich<br />

andere Nuance als die der gesetzlichen<br />

Vertrauensschadenversicherung.<br />

Persönliches und dem Berufsstand<br />

entgegengebrachtes Vertrauen wird<br />

ramponiert, zukünftiges Vertrauen gefährdet,<br />

wenn Mandanten vorsätzlich<br />

geschädigt werden. Das eher hohe Ansehen<br />

des Berufsstandes mag im<br />

AnwBl 8 + 9/2004<br />

Meinung & Kritik<br />

Großen und Ganzen noch nicht allgemein<br />

gelitten haben, doch tickt unseres<br />

Erachtens für jeden, der dies<br />

hören wollte, unüberhörbar eine Zeitbombe.<br />

Es geht uns in erster Linie<br />

nicht um bewusst kriminell tätige Kollegen,<br />

sondern um die alltäglichen<br />

Grenzfälle unzulänglicher Berufsausübung.<br />

Viel zu viele Kollegen<br />

führen z. B. gar kein Fremdgeldkonto<br />

oder die Organisation ihrer Konten ist<br />

unzureichend. Die Trennung zwischen<br />

fremdem und eigenem Geld ist gefährlich<br />

unscharf. Erkrankt ein solcher<br />

Kollege und kann seinen Amtsgeschäften<br />

nicht mehr nachgehen, rächen<br />

sich diese organisatorischen<br />

Mängel fürchterlich. In der Not wird<br />

von fremdem Geld gelebt. Der Kollege<br />

wird straffällig, ist jedoch einem<br />

bewusst kriminell Tätigen nicht<br />

gleichzustellen.<br />

Solche Fälle, vor deren Existenz<br />

leider viel zu häufig Augen verschlossen<br />

werden, hat unser Fonds im Sinn.<br />

In solchen Fällen können wir helfen.<br />

Darüber hinaus antworten wir in einer<br />

Art berufsständischem Beschwerdemanagement<br />

rasch auf Beanstandungen.<br />

Den Beschwerdeführern widmen<br />

wir ein offenes Ohr und damit, was<br />

nicht zu unterschätzen ist, Zeit. Wir<br />

sind durch persönlichen Einsatz<br />

bemüht, für den Berufsstand verspieltes<br />

Vertrauen wiederzugewinnen.<br />

Nicht zuletzt mildert der Fonds in Härtefällen<br />

materiellen Schaden, wenn der<br />

Geschädigte anderweitig, insbesondere<br />

vom Schädiger selbst, keinen Ersatz<br />

erhalten hat und er hilfsbedürftig<br />

i. S. d. AO ist. Einen Rechtsanspruch<br />

auf materielle Hilfe gibt es hingegen<br />

nicht. Die Mittel, die von uns zur<br />

Hilfe verwendet werden, werden von<br />

den schwarzen Schafen der Zunft z. B.<br />

durch gegen sie verhängte Geldbußen<br />

aufgebracht.<br />

Um bei der Bildsprache von Streck<br />

zu bleiben: Wir meinen nicht, die<br />

Schwester müsse zwangsläufig für den<br />

Bruder haften. Wir denken jedoch,<br />

dass es richtig ist, der Schwester Instrumente<br />

an die Hand zu geben, auf<br />

dass sie in geeigneten Fällen für den<br />

Bruder einstehen kann. Dies ist Ausdruck<br />

einer intakten Familie, die von<br />

Dritten gerade, weil sie füreinander<br />

einsteht, für vertrauenswürdig erachtet<br />

wird. Von Vertrauen leben wir alle.<br />

Was ist hiergegen zu sagen? Nichts,<br />

der freiwillige Vertrauensschadenfonds<br />

ist zur Nachahmung empfohlen!<br />

Rechtsanwalt Matthias Schollen,<br />

Freiburg/Breisgau

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