25.07.2013 Aufrufe

Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

Entwurf_Titel_2 1..1 - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

AnwBl 8 + 9/2004 509<br />

Mitteilungen MN<br />

Syndikusanwälte<br />

Unternehmen prüfen<br />

Anwaltshonorare strenger *<br />

Syndikusanwälte: Kosten für externe Rechtsberatung explodieren/„Kanzleien<br />

sind normale Zulieferer“<br />

Dr. Joachim Jahn, Frankfurt<br />

„Die Zeiten, in denen Anwaltsrechnungen als gottgegeben<br />

hingenommen wurden, sind vorbei.“ Mit diesen Worten<br />

bringt Hans-Peter Benckendorff von der Deutschen Bank<br />

die neue Haltung von Syndikusanwälten in Unternehmen<br />

gegenüber ihren niedergelassenen Kollegen auf den Punkt.<br />

„Unsere Anwaltskosten steigen jährlich exponentiell“,<br />

sagte Benckendorff auf dem 55. Deutschen Anwaltstag in<br />

Hamburg. Mittlerweile hätten sie die Schwelle von 200<br />

Millionen Euro deutlich überschritten. Die Konsequenz:<br />

Sein Geldinstitut hat das Kontrollsystem für die Honorarnoten<br />

freier Advokaten verfeinert. „Demnächst haben wir<br />

dafür ein sehr detailliertes Netz, das die Anwälte nicht nur<br />

begrüßen werden.“<br />

Die Rechtsabteilungen der Wirtschaftsunternehmen gehen<br />

mittlerweile strenger mit den Kanzleien um als früher.<br />

Dr. jur. Joachim Jahn ist Redakteur bei der<br />

Frankfurter Allgemeinen Zeitung.<br />

Die Fluglinie Lufthansa etwa hat kürzlich einen Auftrag<br />

zur Rechtsberatung von ihrer allgemeinen Einkaufsabteilung<br />

über das Internet ausschreiben lassen. Auch beschäftigt<br />

sie eigens eine Firma, die sich um die Prüfung der Honorarnoten<br />

kümmert, wie Benckendorff berichtet. Und der<br />

Lebensmittelkonzern Nestlé hat unlängst die Zahl der Sozietäten,<br />

mit denen er weltweit zusammenarbeitet, zur Kostenreduzierung<br />

von 1.500 auf bloße zwei zurückgefahren.<br />

Benckendorff: „Wenn Sie mit Anwälten länger über deren<br />

Rechnungen als über inhaltliche Fragen diskutieren müssen,<br />

stimmt etwas nicht.“<br />

Dass der Einkauf externer Rechtsberatung aus Sicht der<br />

Firmenjuristen nichts anderes mehr ist als der Bezug von<br />

Bleistiften oder Gummidichtungen vom Zulieferer, machte<br />

für die Arbeitsgemeinschaft der Syndikusanwälte auch Holger<br />

Strnad von dem Aschaffenburger Unternehmen Pass IT-<br />

Consulting deutlich. Solche Aufträge würden immer dann<br />

vergeben, wenn man nach einer „Make or buy“-Entscheidung<br />

die eigene Rechtsabteilung entsprechend schlank halten<br />

wolle. Für Strnad gehört die Einschaltung auswärtiger<br />

Anwälte zur „Kernkompetenzstrategie“ und sollte dem allgemeinen<br />

„Beschaffungsmanagement“ unterworfen werden<br />

– nach dem Motto „So billig wie möglich, so hochwertig<br />

wie nötig“. Bei den Einkaufspreisen macht er bei Standardleistungen<br />

einen Abschlag; seine Zusammenarbeit beschränkt<br />

er auf vier bis fünf spezialisierte Kanzleien, die er<br />

möglichst selten wechselt. Am liebsten vereinbart Strnad<br />

Fixpreise, mit einer nach Euro und Stundenzahl bemessenen<br />

Obergrenze. Nachbesserungen seien bei unvorhersehbar hohem<br />

Zeitaufwand möglich, aber nur nach festen Regeln.<br />

Dass all das trotzdem nicht ohne Vertrauen geht, räumte<br />

Strnad ein: Ob die abgerechneten Stunden nicht künstlich<br />

aufgebläht würden, könne er nur auf Plausibilität hin<br />

prüfen.<br />

„Jetzt sind die Anwälte dran“, mokierten sich Zuhörer<br />

aus der Anwaltschaft, die sich als neues Jagdopfer sahen.<br />

Sie witterten einen „Handel wie auf dem Basar“. Doch<br />

Dietrich Rethorn, Chefsyndikus der Landesbank Hessen-<br />

Thüringen, machte an ein paar Beispielen deutlich, wo für<br />

Unternehmen als Mandanten die Schmerzgrenze liegt. Wenig<br />

erfreut zeigte sich Rethorn etwa über eine anonymisiert<br />

auf die Leinwand projizierte Originalrechnung, in der es<br />

lapidar hieß: „Für unsere Leistungen berechnen wir<br />

29.700 Euro Honorar nebst 68,70 Euro Kopien schwarz/<br />

weiß und 0,30 Euro Telefon.“ Für seinen Geschmack standen<br />

die aufgeführten Auslagen in keinem rechten Verhältnis<br />

zur Gesamtsumme.<br />

Konsterniert ist der Banksyndikus häufig auch über die<br />

Aufschlüsselung der abgerechneten Stunden: Posten wie<br />

das Anlegen einer Akte, die Korrektur von Schriftsätzen<br />

oder die Unterrichtung eines zur Vertretung einspringenden<br />

Anwalts gehörten gar nicht auf die Rechnung – ebenso wie<br />

das „Erfassen des Sachverhalts“, die Besprechung eines<br />

Anwalts mit Partnerstatus mit mehreren angestellten Nachwuchskollegen<br />

(„Associates“) sowie die Lektüre eines<br />

Fachaufsatzes. All das sei vielmehr Teil der generellen<br />

Büro-, Fort- und Ausbildungskosten. „Manche Kanzlei hat<br />

22 Stunden verbraten, bevor die Sache richtig beginnt –<br />

und Spezialisten, die wir eigens wegen ihrer Fachkenntnis<br />

beauftragen, lassen sich erst mal vom Büro die Materie in<br />

aller Breite von Adam und Eva an aufbereiten.“<br />

Rethorns Rat: „Bei der Rechnung kommt es zum<br />

Schwur, ob die gesamte Zusammenarbeit geklappt hat.“<br />

Aus seiner Sicht passen dazu keine Honorarnoten, die unbesehen<br />

aus dem kanzleiinternen Abrechnungssystem ausgedruckt<br />

und an den Auftraggeber geschickt werden. Was<br />

er kritisiert, seien keineswegs Missbräuche oder Stundenschinderei,<br />

sondern sei ein Effekt der extremen Arbeitsteilung<br />

in großen Wirtschaftssozietäten. Dabei sieht der Bankjurist<br />

in besser aufbereiteten Abschlussrechnungen sogar<br />

einen preiswerten Werbeträger mit der Chance zum Aufbau<br />

einer nachhaltigen Mandantenbeziehung.<br />

Renate von Tirpitz, Syndika bei Robert Bosch, machte<br />

deutlich, unter welchem Kostendruck in der Konjunkturflaute<br />

auch Rechtsabteilungen stehen. Auf sie kamen<br />

Vorgaben der Geschäftsführung zu, einen festen Prozentsatz<br />

ihres Budgets an Reisekosten, Seminaren und Anwaltshonoraren<br />

einzusparen. Dann gehe sie schon mal auf lang bewährte<br />

Kanzleipartner zu, sagte von Tirpitz, und bitte diese<br />

darum, die Stundensätze zu senken und auf praxisferne<br />

Gutachten zu verzichten. „Drei abgerechnete Stunden für die<br />

Erstellung der Rechnung – da wundert man sich dann<br />

schon“, nannte sie als Beispiel für enttäuschte Erwartungen<br />

an Kosteneinsparung und Transparenz bei den Beratern. Ihr<br />

Rezept: Feste Richtlinien, die für beide Seiten die Spielregeln<br />

verbindlich festlegen und als Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

im Vertrag vereinbart werden.<br />

* Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 26.5.2004. E Alle Rechte<br />

vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung<br />

gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!