Ausgabe 1/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Entwicklung der <strong>Olympische</strong>n Spiele der Neuzeit von einem<br />
Fest athletischer Leibesübungen und Wettkämpfe hin zu<br />
Produkten der modernen Unterhaltungsindustrie mit hohem<br />
Marktwert. Allerdings ist dieser langfristige Trend auch nicht<br />
ohne Widersprüche; denn es gibt zweifellos andere Sportarten,<br />
deren Markt- und Medienwert nicht weniger gering ist<br />
als der von Ringen. Man denke nur an die Schießwettbewerbe<br />
oder auch den immer wieder genannten Modernen<br />
Fünfkampf. Sie sind noch Teil der martialischen, kriegerischen<br />
Tradition des olympischen Gentleman-Sports, der<br />
nach den Regeln des Kommerzes und der Medienwirksamkeit<br />
schon lange hätte vom Programm genommen werden<br />
müssen.<br />
Das IOC hat in seiner Charta 25 Kernsportarten und deren<br />
Verbände definiert, aus denen im Grundsatz das olympische<br />
Programm gestaltet wird. Dies bedeutet eine gewisse Beständigkeit<br />
im Wandel des olympischen Programms, das den<br />
Bedürfnissen und Interessen der Zeit angepasst werden soll;<br />
wie dies im Übrigen in der gesamten olympischen Geschichte<br />
der Fall war. Zu diesen 25 Kernsportverbänden gehörte bis<br />
jetzt auch der Internationale Ringer-Verband (International<br />
Federation of Associated Wrestling Styles, FILA). Auf Vorschlag<br />
des Exekutivkomitees entscheidet die Vollversammlung der<br />
IOC über das Programm <strong>Olympische</strong>r Spiele, das aus solchen<br />
Strippenziehen noch zu beherrschen. Ähnlich verhält es sich<br />
mit dem von Olympiafreunden lange schon als Streichkandidaten<br />
Nr. 1 erkannten Fußball. So wie das Millionenspiel bei<br />
Olympia auftritt, passt es nicht ins Programm, das ein Programm<br />
der Besten sein soll. Die Fifa jedoch schickt nur seine<br />
Nachwuchskicker zum IOC, um die Exklusivität seiner WM zu<br />
schützen. Rogges Leute lassen sich das gefallen: Mit dem<br />
mächtigen Fifa-Boss Blatter legt man sich besser nicht an.<br />
Ein Fall von Devotion.<br />
Was verrät das Urteil des Exco noch? Zum Beispiel Mutlosigkeit:<br />
Dem dopingverseuchten Straßenradsport wird wieder<br />
nicht die Rote Karte gezeigt. Zum Beispiel Verführbarkeit:<br />
Jeder neue sportive Jugendkult kommt auf die Kandidatenliste,<br />
mit diesem Trend zum Wischi-Wushi aber wird der Grat<br />
zwischen <strong>Olympische</strong>n Spielen und Zirkus noch schmaler.<br />
Olympia ein „Red-Bull-Event“ (Schwimmer Groß)? Das IOC<br />
kann diesen Eindruck selbst entkräften, wenn es die Schulterniederlage<br />
der Ringer bei der Wiedervorlage der Causa im<br />
Mai zurücknimmt. Bis dahin allerdings muss der leicht verschlafene<br />
Weltverband Fila („Nicht dieser Sport ist überaltert,<br />
sondern seine Führung“, so Schriftsteller und Ex-Ringer John<br />
Irving) das Gesamtpaket Ringen gefälliger als bisher verpackt<br />
haben. Das IOC wird wissen, dass Ringen ohne Olympia tot<br />
wäre. Rogges Club wirklich ein Totengräber?<br />
Kernsportarten (max. 28) und weiteren Sportarten des<br />
Zusatzprogramms besteht.<br />
Die Aufnahme in den exklusiven Kreis olympischer Sportarten<br />
hat ebenso enorme Konsequenzen für die jeweiligen Sportarten<br />
wie ihre Verbannung vom Olymp. Sie entscheiden über ihr<br />
Wachstum oder ihren Niedergang. Deshalb stehen viele Sportarten<br />
bzw. deren Verbände Schlange vor der Tür des IOC und<br />
bitten um Aufnahme in das olympische Programm, weil mit<br />
dieser Adelung Popularität, Geld, Ruhm, Ansehen, Macht im<br />
Sport usw. verbunden sind. Staaten fördern mit Steuergeldern<br />
olympische Sportarten. Fernsehgelder und Sponsorengelder<br />
fließen, Trainings- und Leistungszentren, Olympiastützpunkte,<br />
Trainer und Betreuer können bezahlt werden, und Funktionäre<br />
können zu Sitzungen und Kongressen in aller Welt reisen.<br />
Für das Ringen und die Ringer sind diese materiellen Rahmenbedingungen<br />
wichtig, sogar sehr wichtig. Aber sind sie<br />
auch das Wichtigste beim Ringen? Ringer werden weiterhin<br />
ringen, auch ohne Olympia; möglicherweise ohne Begleitung<br />
von Verbandspräsidenten und ohne professionelle Trainer und<br />
Ärzte, aber weiterhin mit aller Kraft und athletisch-olympischer<br />
Leidenschaft. Und vielleicht auch ohne Doping. Aber<br />
der Verlust ihrer wichtigsten Plattform der Präsentation<br />
bliebe dennoch ein olympisches Armutszeugnis.<br />
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