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Literaturteil 26
Anfang des 18. Jahrhunderts wandelte sich die Bedeutung des Begriffs und wurde fortan verstanden
als „die Meinung der urteilsfähigen, der gut informierten, der verantwortungsbewußten Bürger“, als
„gutes, verantwortungsbewußtes politisches Urteil“ 163 .
Gleich 50 verschiedene Definitionen von öffentlicher Meinung liefert Harwood Childs in seinem Buch
„Public Opinion“ mit dem Kapitel „The Nature and History of Public Opinion“. 164
Noelle-Neumann schreibt zu dem Begriff: „Öffentliche Meinung ist gegründet auf das unbewußte
Bestreben von in einem Verband lebenden Menschen, zu einem gemeinsamen Urteil zu gelangen, zu
einer Übereinstimmung, wie sie erforderlich ist, um zu handeln und wenn notwendig entscheiden zu
können.“ 165
Und in ihrem Buch „Schweigespirale“: „Öffentliche Meinung, das sind Meinungen, Verhaltensweisen,
die man in der Öffentlichkeit äußern oder zeigen muß, wenn man sich nicht isolieren will; in
kontroversen, im Wandel begriffenen Bereichen oder in neu entstandenen Spannungszonen in der
Öffentlichkeit äußern kann ohne Gefahr, sich zu isolieren.“ 166
Etwas allgemeiner formuliert Martin Löffler die öffentliche Meinung als „die in der Bevölkerung eines
Ortes oder Gebietes vorherrschenden Ansichten über Angelegenheiten von allgemeinem
(öffentlichem) Interesse.“ 167
Die öffentliche Meinung hat auch gesellschaftspolitisch eine große Bedeutung, denn sie stellt einen
wichtigen Orientierungspunkt für Regierung und Parteien dar. Ignorieren oder mangelnde Beachtung
ihrer Größe kann fatale Folgen bis hin zum Machtentzug nach sich ziehen, dem einzelnen Mitglied der
Gesellschaft droht die Isolation. Noelle-Neumann schreibt: „Das Ergebnis des Respektierens der
öffentlichen Meinung ist hier wie da Integration, Stärkung des Zusammenhalts und damit Handlungs-
und Entscheidungsfreiheit.“ 168
Den Medien kommt aufgrund ihrer Integrationsfunktion bezüglich der Beeinflussung beziehungsweise
Mitgestaltung der öffentlichen Meinung eine besondere Rolle zu, denn
„aus den Massenmedien entnimmt der einzelne die Information, was er sagen und tun kann, ohne
sich zu isolieren.“ 169
Entstehen kann öffentliche Meinung, wenn Mißstände erkennbar werden oder bisher akzeptierte
Verhältnisse plötzlich als Mißstände gesehen werden. Die Grundlagen für sein Urteil über die
öffentliche Meinung bezieht der einzelne aus der Beobachtung seiner Umwelt und den Medien. 170
Verändert wird die öffentliche Meinung durch eine Interaktion, die sich mit der „Schweigespirale“
erklären läßt: „Schweigespirale heißt: Menschen wollen sich nicht isolieren, beobachten pausenlos ihre
Umwelt, können aufs feinste reagieren, was zu-, was abnimmt. Wer sieht, daß seine Meinung
zunimmt, ist gestärkt, redet öffentlich, läßt die Vorsicht fallen. Wer sieht, daß seine Meinung an Boden
verliert, verfällt in Schweigen. Indem die einen laut reden, öffentlich zu sehen sind, wirken sie stärker,
als sie wirklich sind. Es ergibt sich eine optische oder akustische Täuschung für die wirklichen
Mehrheits-, die wirklichen Stärkeverhältnisse, und so stecken die einen andere zum Reden an, die
anderen zum Schweigen, bis schließlich die eine Auffassung ganz untergehen kann.“ 171
Die Medien können eine solche Schweigespirale leicht in Gang setzen, indem sie oft genug und mit
immer dem gleichen Tenor über ein bestimmtes Thema berichten.
Nachdem nun die Zeitung an sich und ihre diversen Möglichkeiten der Berichterstattung und
Einflußnahme näher erörtert worden sind, wird im Folgenden auf die an den Beißzwischenfällen und
der Diskussion um sogenannte „Kampfhunde“ beteiligten Personen näher eingegangen.
5. Gruppenbildung und Konfrontation
Im Verlauf der seit einigen Jahren anhaltenden, öffentlichen Diskussion um sogenannte „Kampfhunde“
haben sich in der Bevölkerung zwei Fronten herausgebildet – die der Gegner von Restriktionen
hinsichtlich der Hundehaltung und die der Befürworter dieser Restriktionen. „Gegner“ und
163 E. Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, a.a.O., S. 369/370
164 H. Childs 1965, Public Opinion, S. 12-38
165 E. Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, a.a.O., S. 367
166 E. Noelle-Neumann 1980, a.a.O., S. 255
167 M. Löffler 1981, Der Rechtsbegriff der öffentlichen Meinung, in: H. Baier et al., Öffentliche Meinung
und sozialer Wandel. Festschrift für E. Noelle-Neumann. Opladen, S. 69
168 E. Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, a.a.O., S. 368
169 E. Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, a.a.O., S. 381
170 E. Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, a.a.O., S. 381
171 E. Noelle-Neumann, Öffentliche Meinung, a.a.O., S. 378