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Literaturteil 33<br />
Lorenz sieht in intraspezifischer Aggression eine system- und lebenserhalten<strong>de</strong> Vorraussetzung für<br />
eine Gemeinschaft, eine Verteilung nämlich gleichgesinnter Lebewesen über <strong>de</strong>n zur Verfügung<br />
stehen<strong>de</strong>n Lebensraum 224 .<br />
Der Begriff <strong>de</strong>r Dominanzaggression für das aggressive Verhalten eines Hun<strong>de</strong>s gegenüber seinen<br />
Sozialpartnern kann nach Meinung von Bernauer-Münz und Quandt aufgrund neuer ethologischer<br />
Ergebnisse nicht mehr verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. 225 Auch Hallgren ist <strong>de</strong>r Ansicht, daß Ungehorsam keine<br />
Wi<strong>de</strong>rsetzlichkeit <strong>de</strong>s Hun<strong>de</strong>s darstellt, son<strong>de</strong>rn auf unzureichen<strong>de</strong>m Training basiert. 226<br />
Aggressive Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen und Verhaltensweisen sind in aller Regel Scheinkämpfe mit<br />
charakteristischer Beißhemmung und dienen <strong>de</strong>r Ausbildung und <strong>de</strong>m Bestand von Rangordnungen. 227<br />
Zur Tötung kann es dann kommen, wenn z.B. in einem Zwinger ein von <strong>de</strong>r Gruppe als „asozial“<br />
betrachtetes o<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>s Tier nicht fliehen kann und so immer wie<strong>de</strong>r Aggressionen bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
hervorruft 228 o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r Aggressionstrieb als Urinstinkt sich nicht rechtzeitig über ein „Ventil“<br />
entlädt und übermäßig aufgestaut wird. 229 Der „Prügelknabe“ dient dann als Blitzableiter,<br />
Unterwerfungsgesten wer<strong>de</strong>n nicht beachtet.<br />
6.3.2 Grundlage und Motivation von Aggression<br />
Trumler hält <strong>de</strong>n „nicht überzüchteten, unverbogenen, normalen Hund“ für ein überaus soziales<br />
Lebewesen und hat die einfache Grundregel: „Ein Hund, <strong>de</strong>r einen Menschen beißt, hat seine<br />
Grün<strong>de</strong>.“ 230<br />
Hallgren ist <strong>de</strong>r gleichen Meinung: „Hun<strong>de</strong> sind aggressionsgehemmte Tiere. Wer<strong>de</strong>n sie wütend, gibt<br />
es hierfür einen angemessenen Grund. Es liegt nicht in ihrer Art, an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r gleichen Gattung<br />
physisch zu verletzen. Dies gilt sowohl für an<strong>de</strong>re Hun<strong>de</strong> als auch für Menschen, da die Hun<strong>de</strong> auf<br />
bei<strong>de</strong> geprägt wor<strong>de</strong>n sind.“ 231<br />
Auch Schöning ist <strong>de</strong>r Auffassung, daß es, abgesehen von echten und als pathologisch einzustufen<strong>de</strong>n<br />
Verhaltensstörungen, für je<strong>de</strong>s Verhalten eines Hun<strong>de</strong>s, insbeson<strong>de</strong>re ein aggressives, immer ein<br />
Motiv und einen Auslöser gibt. 232 Juhr gibt zu be<strong>de</strong>nken, daß Hun<strong>de</strong> einen durchschnittlichen<br />
<strong>In</strong>telligentsquotienten von 74 besitzen, was in etwa <strong>de</strong>m eines vierjährigen Kin<strong>de</strong>s entspricht. Sie<br />
kennen keine Moral o<strong>de</strong>r ein Gewissen, son<strong>de</strong>rn sie han<strong>de</strong>ln nach Verknüpfungen und vorgegebenen<br />
Regeln. 233<br />
Reetz weist darauf hin, daß neben vielen Einflußfaktoren wie Jugen<strong>de</strong>ntwicklung und Sozialisation,<br />
Status, Alter o<strong>de</strong>r Territorium, und trotz dieser starken Wechselwirkung zwischen Umwelt und<br />
Aggressionsverhalten <strong>de</strong>nnoch dieses Verhalten innerhalb einer Rasse o<strong>de</strong>r Zuchtlinie in gewissen<br />
Grenzen festgelegt ist. 234 „Aggressives Verhalten, normaler Bestandteil <strong>de</strong>s Sozialverhaltens auch bei<br />
Haus<strong>hund</strong>en, kann also in bestimmter Ausprägung und unter beson<strong>de</strong>ren Gegebenheiten zum<br />
Ausdruck eines gestörten Organismus-Umwelt-Gefüges und damit <strong>In</strong>dikator für Verhaltensstörungen<br />
(und Lei<strong>de</strong>n) wer<strong>de</strong>n, so zum Beispiel auch bei genetischen Defekten als Folge unbiologischer<br />
Zuchtauslese.“ 235<br />
Lorenz hält die Aggression für „das Ergebnis einer vererbten spontanen Ten<strong>de</strong>nz (...), <strong>de</strong>ren<br />
Eigenschaften <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r biogenetischen Triebe für Nahrungsaufnahme nahezu gleich sind.“ 236 Sie ist<br />
für ihn neben Fortpflanzung, Nahrungserwerb und Flucht eine <strong>de</strong>r vier großen Motivationsquellen<br />
eines Lebewesens. 237<br />
Obwohl Manning die Aggression als biogenetischen Trieb ablehnt, haben zahlreiche Versuche ergeben,<br />
daß die genetische Komponente bei <strong>de</strong>r Aggressionsentwicklung tatsächlich eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle<br />
224<br />
K. Lorenz 1963, Das sogenannte Böse, S. 48<br />
225<br />
H. Bernauer-Münz/C. Quandt 1995, Problemverhalten beim Hund, S. 56<br />
226<br />
A. Hallgren 1997, Hun<strong>de</strong>probleme-Problem<strong>hund</strong>e, S. 74-76<br />
227<br />
K. Senglaub 1978, Wild<strong>hund</strong>e-Haus<strong>hund</strong>e, S. 55/56<br />
228<br />
E. Trumler 1997b, a.a.O., S. 183<br />
229<br />
E. Trumler 1997b, a.a.O., S. 185<br />
230<br />
E. Trumler 1997b, a.a.O., S. 160<br />
231<br />
A. Hallgren 1997, a.a.O., S. 273<br />
232<br />
B. Schöning 1999, Gefährliche Hun<strong>de</strong>, in: Dtsch. Tierärzteblatt 7, S. 678<br />
233<br />
C. Juhr 2000, Muß mein Hund zum Psychiater?, Vortrag am 1.2.2000 in <strong>de</strong>r Urania in Berlin<br />
234<br />
I.C. Reetz 1997, Qualzüchtungen beim Hund, in: Dtsch. tierärztl. Wochenschrift 104, S. 70<br />
235<br />
D. Fed<strong>de</strong>rsen-Petersen 1999, Gutachten, in: VDH, "Kampf<strong>hund</strong>e"? Gefährliche Hun<strong>de</strong>? - Neue wissenschaftliche<br />
Gutachten, S. 9-18<br />
236 K. Lorenz in: A. Manning 1979, a.a.O., S. 129<br />
237 K. Lorenz 1995, a.a.O., S. 92