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Literaturteil 35<br />
<strong>de</strong>r Hund sehr früh zu seinem Besitzer kommt und dieser sich intensiv um ihn kümmert 251 . Eine<br />
gewissenhafte Erziehung und eine Reihe von Unterwürfigkeitsübungen sind „notwendiger Ersatz<br />
natürlichen, artgemäßen Sozialisierungsmilieus“, da ein Hund seinen Herrn und die Familienmitglie<strong>de</strong>r<br />
sonst nicht als überlegene Elternteile, son<strong>de</strong>rn als Geschwister ansieht und es leicht zu<br />
Dominanzumkehr und Rivalitäten kommt. 252 Wird ein Hund von verschie<strong>de</strong>nen Familienmitglie<strong>de</strong>rn<br />
unterschiedlich und von ein und <strong>de</strong>rselben Person inkonsequent behan<strong>de</strong>lt, dann wird er unsicher und<br />
lebt in ständiger Abwehrbereitschaft. 253<br />
Wird ein Hund nicht rassegerecht o<strong>de</strong>r zu reizarm gehalten, bleiben angeborene<br />
Verhaltensbedürfnisse unbefriedigt, <strong>de</strong>r Hund kann sich irgendwann <strong>de</strong>r Situation nicht mehr<br />
anpassen und entwickelt Verhaltensstörungen wie z.B. Stereotypien. Diese Störungen und<br />
Verhaltensabweichungen lassen sich fast ausschließlich auf menschliches Fehlverhalten<br />
zurückführen. 254 So ist auch das Aggressionsverhalten immer das Ergebnis einer Wechselwirkung<br />
zwischen Erbanlagen und Umweltreizen, <strong>de</strong>r Hund nie alleiniger Verursacher eines gefährlichen<br />
Verhaltens. Vernachlässigt wird <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Menscheneinfluß. 255<br />
6.3.4 Aggressionsformen und ihre Ur<strong>sachen</strong><br />
Die unterschiedlichen Formen aggressiven Verhaltens implizieren meist auch gleich die Ursache für<br />
dieses Verhalten.<br />
Es gibt verschie<strong>de</strong>ne Einteilungsmöglichkeiten, die sich entwe<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n Zielobjekten <strong>de</strong>r<br />
Aggression (aggressives Verhalten zum Beispiel gegen <strong>de</strong>n Besitzer, gegen Kin<strong>de</strong>r, gegen Frem<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Hun<strong>de</strong>/Tiere) o<strong>de</strong>r eben nach <strong>de</strong>n Ur<strong>sachen</strong>/Motivationen (Revierverteidigung, Schmerz,<br />
Welpenschutz etc.) richten.<br />
Bei B.v. Beaver zum Beispiel fin<strong>de</strong>t man eine Klassifikation caniner Aggression mit folgen<strong>de</strong>n Punkten:<br />
Dominanz (gegenüber Menschen und gegenüber an<strong>de</strong>ren Hun<strong>de</strong>n), angst-induziert, idiopatisch,<br />
intrasexuell, erlernt, Dinge beschützend, maternal, medizinisch (zum Beispiel Epilepsie, hormonelle<br />
Imbalance, Hydrocephalus, Hypo-/Hyperthyreose), Besitzer beschützend, schmerz-induziert, Spiel,<br />
Beuteschlagen, Selbstverteidigung, geschlechtsbezogen, territorial/beschützend. 256<br />
Der Autor <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit orientiert sich in diesem Fall an <strong>de</strong>r Einteilung von Quandt, die sich<br />
nach <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Motivationen für Aggression richtet:<br />
a) schmerz- o<strong>de</strong>r schreckinduzierte und angst-induzierte Defensivaggression<br />
Bei <strong>de</strong>r schmerz-o<strong>de</strong>r schreckinduzierten Defensivaggression han<strong>de</strong>lt es sich um eine<br />
angeborene, reflexartig ablaufen<strong>de</strong> Abwehrreaktion, die nicht vom Großhirn gesteuert wird und nur<br />
bedingt zu beeinflussen ist (zum Beispiel wenn beim Tierarzt eine Spritze falsch gesetzt wird o<strong>de</strong>r sich<br />
ein Hund schlichtweg erschrocken hat). Diese Form kommt auch beim Menschen vor. 257<br />
Laut Hallgren sind Schmerzen statistisch gesehen die häufigste Ursache für aggressives Verhalten<br />
beim Hund. 258<br />
Bernauer-Münz und Quandt weisen ebenfalls darauf hin, daß aggressives Verhalten auch durch<br />
Erkrankungen und organische Ur<strong>sachen</strong> begrün<strong>de</strong>t sein kann. 259<br />
Eine weitere Form <strong>de</strong>r Defensivaggression ist die angst-induzierte Aggression. Diese Form von<br />
Aggression zeigen Hun<strong>de</strong>, wenn eine kritische Distanz, ihre <strong>In</strong>dividualdistanz, unterschritten wird 260 .<br />
Brunner bezeichnet diese Form, insbeson<strong>de</strong>re bei Wildtieren nach Überschreiten <strong>de</strong>r Fluchtdistanz, als<br />
„Selbstverteidigungsaggressivität“. 261<br />
Vor einer Bedrohung flüchten<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r in die Enge getriebene Tiere gehen in vielen Fällen zum<br />
Gegenangriff über, wenn sie keine an<strong>de</strong>re Ausweichmöglichkeit sehen. Ein Beispiel dafür ist <strong>de</strong>r<br />
„typische Angstbeißer“. 262 Der Angstbeißer zieht im Gegensatz zum echt aggressiven Hund jedoch <strong>de</strong>n<br />
251<br />
F. Brunner 1975, a.a.O., S. 84<br />
252<br />
F. Brunner 1975, a.a.O., S. 85/86<br />
253<br />
F. Brunner 1975, a.a.O., S. 273<br />
254<br />
D. Fed<strong>de</strong>rsen-Petersen 1991b, a.a.O., S.19<br />
255<br />
J. Redlich 1999, “Gefährliche Hun<strong>de</strong>rassen”? Gesetzgebung und Biologie, Seminar <strong>de</strong>r ATF am 16./17.10.1999 in Bonn<br />
256<br />
B. B. Beaver 1999, Gui<strong>de</strong> for Veterinarians, S. 153<br />
257<br />
C. Quandt 2001; Der gefährliche Hund, Fortbildungsveranstaltung am 17.3. 2001 in Berlin<br />
258 A. Hallgren 1997, a.a.O., S. 274<br />
259 H. Bernauer-Münz/C. Quandt 1995, a.a.O., S. 49<br />
260 K. A. Houpt 1998, a.a.O., S. 63<br />
261 F. Brunner 1975, a.a.O., S. 133<br />
262 D. Fed<strong>de</strong>rsen-Petersen 1989, a.a.O., S. 72