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Innsbrucker Bevölkerung nachzittert«. Während aber einerseits »<strong>de</strong>r starke<br />

monarchistische und antisemitische Impuls« feststeht, »<strong>de</strong>r von dieser Veranstaltung<br />

ausging«, so ist doch an<strong>de</strong>rseits klar, daß »die Empörung <strong>de</strong>r Mehrzahl<br />

<strong>de</strong>r Hörer nicht monarchistisch, nicht all<strong>de</strong>utsch, nicht antisemitisch<br />

war«:<br />

nein, sie war zum Teil die Empörung <strong>de</strong>s im Tiefsten verletzten<br />

Geschmackes, <strong>de</strong>s nicht min<strong>de</strong>r beleidigten anständigen Tones,<br />

<strong>de</strong>r in einer Gesellschaft halbwegs gut erzogener Menschen, in<br />

<strong>de</strong>r sich auch Frauen befin<strong>de</strong>n, noch immer üblich ist, zum Teil<br />

Enttäuschung über <strong>de</strong>n Vortragen<strong>de</strong>n in einem großen Kreise von<br />

Bewun<strong>de</strong>rern, <strong>de</strong>n er hier hatte, die einen Propheten zu hören kamen<br />

und einen Erzähler mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r guter Wiener jüdischer<br />

Kaffeehauswitze aus <strong>de</strong>r Kriegszeit ertragen mußten.<br />

Einer <strong>de</strong>r besten jüdischen Kaffeehauswitze aus <strong>de</strong>r Kriegszeit, die ich<br />

zur Enttäuschung jenes großen Kreises von Bewun<strong>de</strong>rern erzählte, war <strong>de</strong>r<br />

Schrei <strong>de</strong>s sterben<strong>de</strong>n Soldaten, ferner das Gebet und die <strong>de</strong>n Vortrag durchwalten<strong>de</strong><br />

Anklage gegen ein Schicksal, das die Schlachtenlose so verteilt hat,<br />

daß Patroklus im Verwun<strong>de</strong>tenzug lag und Herr Otto König dafür Feuilletonhonorar<br />

bekam. Aber sein Los ist doch beklagenswerter:<br />

Gera<strong>de</strong> die Besten haben an ihm <strong>de</strong>n Mitkämpfer, vielmehr, <strong>de</strong>n<br />

Vorkämpfer verloren und fragen sich heute in <strong>de</strong>r ersten schmerzlichen<br />

Enttäuschung über <strong>de</strong>n Verlust, ob er ihnen überhaupt jemals<br />

Führer war?<br />

Wie<strong>de</strong>r einer von <strong>de</strong>n Besten, die ich getäuscht habe. Aber offen gestan<strong>de</strong>n<br />

und wenn meine Meinung in dieser Angelegenheit von Belang ist: ich<br />

glaube selbst nicht, daß ich ihnen überhaupt jemals usw. Ich war nicht unter<br />

<strong>de</strong>n vielen, die <strong>de</strong>m Otto König etwas vorgekämpft haben, und daß ich sein<br />

Mitkämpfer beim Einlaß ins Hauptquartier war, ist mir auch nicht erinnerlich.<br />

Ich glaube darum, daß <strong>de</strong>r Verlust, <strong>de</strong>n er an mir erlitten hat, nicht gar so<br />

groß ist und daß er über <strong>de</strong>n ersten Schock bald hinwegkommen dürfte. Ich<br />

hatte immer das ehrliche Bestreben, <strong>de</strong>n Besten meiner Zeit genug zu tun,<br />

wenngleich zu <strong>de</strong>m selbstsüchtigen Zweck, für alle Zeiten gelebt zu haben,<br />

aber es hat nicht sollen sein und was nicht ist, ist nicht.<br />

Karl Kraus im Dienste <strong>de</strong>r Kanaille und <strong>de</strong>r Geschmacklosigkeit —<br />

die Geisteswelt <strong>de</strong>utscher Zunge wird diesen Verlust schwer verwin<strong>de</strong>n.<br />

Ich leichter. Denn ich weiß zu gut, was die Geisteswelt mit ihrer <strong>de</strong>utschen<br />

Zunge während <strong>de</strong>s Kriegs für Persönlichkeiten wie <strong>de</strong>n Erzherzog<br />

Friedrich und an<strong>de</strong>re Ehrendoktoren <strong>de</strong>r Philosophie getan hat, so daß ich ihr<br />

nicht einmal gestatten wür<strong>de</strong>, mir <strong>de</strong>n letzten Liebesdienst, zu <strong>de</strong>m's noch<br />

langte, zu erweisen. Aber König gibt mich doch nicht auf:<br />

106<br />

Und man kann nur hoffen, daß weniger blin<strong>de</strong> und aufrichtigere<br />

Anhänger als die Brennerleute ihm helfen könnten, <strong>de</strong>n Weg zurückzufin<strong>de</strong>n<br />

zur Denkart <strong>de</strong>r Besten, die in <strong>de</strong>utscher Sprache

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