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muß ich es tun, um die Spannweite <strong>de</strong>s Zeiturteils über mich zu voller Anschauung<br />

zu bringen und somit das ganze Kunterbunt dieser Zeit, das ich mit<br />

einem Griff ins Ephemere erlebe, und wie erst davon erzählen kann, wenn ich<br />

eine Reise tue. Und so höre man die Geschichte, wie sie, die seit so vielen Jahren<br />

meiner Wirkung erliegen, mir in Berlin und München aufgesessen sind,<br />

bis endlich Innsbruck mir standgehalten hat. Denn Innsbruck hat mich durchschaut.<br />

Mit einem: Bis hierher und nicht weiter! hat es sich <strong>de</strong>m rasen<strong>de</strong>n<br />

Lauf eines Sieggeblen<strong>de</strong>ten, <strong>de</strong>m eine von ihm geblen<strong>de</strong>te Geisteswelt zu Füßen<br />

lag, entgegengeworfen und vermöge <strong>de</strong>r Wahrheitsmacht, die ein paar<br />

Wasteln mit Druckerschwärze und ein Ju<strong>de</strong>nbua aufbieten können, es durchgesetzt,<br />

daß zwar noch, Gott sei's gedankt, ein Hund einen Bissen von mir<br />

nimmt, aber kein Deutschösterreicher, selbst zu <strong>de</strong>n höchsten Bauernpreisen,<br />

mir ihn geben mag. Die Geschichte <strong>de</strong>r menschlichen Entwicklung bis zur<br />

Kulturstufe <strong>de</strong>s Tiroler Antisemitenbun<strong>de</strong>s wird wohl wenig Beispiele zu bieten<br />

haben, wie einer, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Anspruch auftrat, eine Welt von Schiebern<br />

aller Werte und Schän<strong>de</strong>rn aller Worte mores zu lehren, so von eben diesen<br />

entlarvt und mit knüppeldicken Fe<strong>de</strong>rn überzeugt wur<strong>de</strong>, daß er nicht zu ihnen<br />

gehört und die Hän<strong>de</strong> ihm zu reichen es <strong>de</strong>n Unreinen schauert. Dies<br />

irae, dies illa ... Wär' ich hier weg! Mir wird so eng'! ... Der böse Geist, <strong>de</strong>r in<br />

allen Domen <strong>de</strong>utscher Sitte zum Hochgericht über die Natur dräut, wie stand<br />

er hinter mir, um, ein wahrer Deus aus <strong>de</strong>r Rotationsmaschine, eine einfache<br />

Sache zu einem verwickelten Ausgang zu führen. Und wie gelingt ihm solches?<br />

Wie kann das Spülicht es wagen, in jenen Belangen, die ihm doch sonst<br />

verschlossen sind, in <strong>de</strong>n geistigen, das Wort zu nehmen? Wie mochte eine<br />

Gattung, von <strong>de</strong>r sich nur ein Fiebern<strong>de</strong>r vorzustellen wagte, daß sie neben<br />

mir sprechen, mich überschreien könnte, <strong>de</strong>n Mut gewinnen? An welche<br />

druckempfindliche Stelle hat die Preßschurkerei so wirksam gerührt? An die<br />

Ehre! Wie <strong>de</strong>nn? Die Schieber und die Schän<strong>de</strong>r haben sie nicht nur, son<strong>de</strong>rn<br />

zeigen sie auch? Nicht doch. Von Privatehre ist nicht die Re<strong>de</strong>. Aber auch<br />

nicht von jener Ehre, die bekanntlich. das letzte ist, was <strong>de</strong>m Frontmör<strong>de</strong>r<br />

und <strong>de</strong>m Hinterlandsdieb geblieben ist, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Held für sie gefallen<br />

und <strong>de</strong>r außer Verwendung stehen<strong>de</strong> Altar <strong>de</strong>s Vaterlan<strong>de</strong>s gegen frem<strong>de</strong> Valuta<br />

sofort greifbar ist. Son<strong>de</strong>rn von jener an<strong>de</strong>rn allgemeinen Ehre, die nicht<br />

durch das Wesen, son<strong>de</strong>rn durch <strong>de</strong>n Heimatsschein erworben wird, nicht<br />

durch die persönliche Berechtigung zur Menschheit zu zählen, son<strong>de</strong>rn durch<br />

die Zugehörigkeit zu einer innerhalb von Grenzmarkierungen zwar nicht mehr<br />

wei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, aber eben darum umso mehr brüllen<strong>de</strong>n Her<strong>de</strong>, durch jene Verbandsfähigkeit,<br />

die je<strong>de</strong>m Mitglied das Recht gibt; <strong>de</strong>n schrankenlosesten Gebrauch<br />

von <strong>de</strong>n Eigenschaften zu machen, die ihn aus <strong>de</strong>m Verein <strong>de</strong>r<br />

Menschheit ausschließen, und namentlich <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn an<strong>de</strong>rer solcher<br />

Verbindungen zu zeigen, daß seine Farben ihm mehr Recht auf Stupidität gewähren<br />

als <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn. Denn das glauben sie alle, die von <strong>de</strong>r Nationalität leben,<br />

und haben eben das gemeinsam, wodurch sie sich unterschei<strong>de</strong>n. Um an<br />

diesen Ehrenpunkt zu greifen, welcher weit empfindlicher ist als jener individuelle,<br />

<strong>de</strong>r sich vielleicht durch <strong>de</strong>n Vorwurf <strong>de</strong>s Schleichhan<strong>de</strong>ls berührt fühlen<br />

möchte, muß man nicht etwa behaupten, es sei eine Nation von Schleichhändlern.<br />

Einem solchen Anwurf wür<strong>de</strong> höchstens die Replik begegnen, man<br />

habe eben kein nationales Gefühl o<strong>de</strong>r man dürfe nicht generalisieren und so.<br />

Dagegen erfolgt eine puterrote Reaktion <strong>de</strong>r Nationalehre, wenn man an einem<br />

prominenten Einzelfall Wesensmerkmale darstellt, die entwe<strong>de</strong>r nationale<br />

sind o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Duldung, ja Anbetung als ein nationales Merkmal empfun<strong>de</strong>n<br />

wird. Dieser Effekt stellt sich aber, da die Nationalehre ja kein Element,<br />

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