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ich, einräumen: er verstehe es zwar nicht — aber es scheine ihm hier doch<br />

eine schlechte Ansicht zu Gunsten einer bessern verlassen.<br />

Mag Kraus weiterhin die »Neue Freie Presse« unter <strong>de</strong>n geistreichen<br />

Pseudonymen »Crêpe <strong>de</strong> Chine« o<strong>de</strong>r »Ingenieur Berdach«<br />

mit seiner Mitarbeit beehren, mag Kraus, <strong>de</strong>r sich als Aftermieter<br />

Maximilian Har<strong>de</strong>ns und Moriz Benedikts einführte, seine »Sehnsucht<br />

nach aristokratischem Umgang« bei Austerlitz o<strong>de</strong>r wo immer<br />

befriedigen, mag mich seine Gefolgschaft verhöhnen, wenn<br />

ich bekenne, daß <strong>de</strong>r Stimmenimitator Kraus als schwarz—gelb—<br />

rote Nummer <strong>de</strong>s allzu geduldigen Varietés Wien Anerkennung<br />

verdient.<br />

Dies ist 'ne törichte Figur: sie fahre wohl, <strong>de</strong>nn ich will ohne Kunst zu<br />

Werke gehn. Ich hatte schon Lebenslaufburschen, die meine Stimme besser<br />

imitiert haben. Der Ingenieur Berdach ist keine unrühmliche Erinnerung; unter<br />

<strong>de</strong>m Pseudonym »Crepe <strong>de</strong> Chine« habe ich nie etwas <strong>de</strong>r Neuen Freien<br />

Presse zukommen lassen, wohl aber einer kleinen Revue, die vor einem Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt<br />

bestan<strong>de</strong>n hat, also zu einer Zeit, wo Sonka noch Großes erwarten<br />

ließ. Die »Sehnsucht nach aristokratischem Umgang«, in Anführungszeichen<br />

gesetzt, ist die echt literatenhafte Verwertung <strong>de</strong>s Titels einer Satire,<br />

in<strong>de</strong>m sie entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Kenntnis bei <strong>de</strong>n Lesern <strong>de</strong>s Neuen Wiener Journals<br />

voraussetzt o<strong>de</strong>r sie glauben machen will, daß ich solche Sehnsucht hatte<br />

o<strong>de</strong>r habe. Die Gelegenheit soll aber nicht versäumt sein, zu sagen, daß ich<br />

sie allerdings »bei Austerlitz befriedigen« könnte und daß nur eine Rasse, bei<br />

<strong>de</strong>r ich sie nie befriedigen konnte, hierin eine Antithese begrinsen kann. Aber<br />

um <strong>de</strong>n Begriff auch in seiner herkömmlichen Geltung zu gebrauchen und<br />

weil ich <strong>de</strong>nn die Kriegszeit hindurch »meinen Lobkowitzen ergeben, unter<br />

Aristokraten, Lakaien und Machthabern saß«, so sei einer emporstreben<strong>de</strong>n<br />

Schicht von Revolutionären noch die folgen<strong>de</strong> Enthüllung ermöglicht: Wenn<br />

einer dieser Lobkowitze, <strong>de</strong>m es übrigens trotz prononzierter Macht nicht gelungen<br />

ist, von <strong>de</strong>r Front in eine Lebensmittelanstalt einzurücken, nicht auch<br />

sonst einer wäre, <strong>de</strong>ssen Umgang <strong>de</strong>n Verzicht auf <strong>de</strong>n mit sämtlichen<br />

Schmierfinken <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Blätterwal<strong>de</strong>s lohnt, weil er geistiger, freier und<br />

sogar a<strong>de</strong>liger <strong>de</strong>nkt als ein kommunistischer Literat, so hätte er sich schon<br />

dadurch, daß ich ihm das Kriegserlebnis <strong>de</strong>s Gedichtes »Der Bauer, <strong>de</strong>r Hund<br />

und <strong>de</strong>r Soldat« verdanke, mehr um die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Menschheit verdient gemacht<br />

und mehr um die <strong>de</strong>utsche Literatur als alle jene, die uns die Freiheit<br />

ihrer Rhythmen gebracht haben und zur neuen Weltordnung durch eine aufgelöste<br />

Syntax führen. Ferner verpflichte ich mich, vor tausend kommunistischen<br />

Arbeitern, selbst wenn darunter hun<strong>de</strong>rt geistige wären, <strong>de</strong>n Vorzug<br />

solchen aristokratischen Umgangs so überzeugend darzustellen, daß jene<br />

schon verstehen wür<strong>de</strong>n, was ich unter A<strong>de</strong>l verstan<strong>de</strong>n habe, und selbst diese<br />

zu kapieren anfingen, daß zwischen meinen Ansichten vor <strong>de</strong>m Krieg und<br />

meiner Haltung im Krieg und nun auch nach <strong>de</strong>m Krieg eigentlich gar kein so<br />

arger Wi<strong>de</strong>rspruch ist. Denn Krieg war Krieg und da hab' ich mein Bündnis<br />

mit <strong>de</strong>m Menschen ausgebaut und vertieft. Du mußt verstehn, aus Eins mach<br />

Zehn. Doch nur fort aus meiner Hexenküche! »Denn ein vollkommner Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren« — wenn ihnen die<br />

Kraft fehlt, die sie zum Mittelpunkt reißt. Doch die ungewarnte Jugend läßt<br />

sich nicht warnen, son<strong>de</strong>rn zitiert Sätze aus meinem Blendwerk:<br />

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