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<strong>de</strong>n ich ihnen selbst bereite, macht mir nicht bange und ich wage die Überschätzung,<br />
die in einem Essay über »Sonnenschein und die Ursachen« gefun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n könnte, weil <strong>de</strong>r Mann vielleicht noch weniger Talent hat als Heine<br />
Charakter. Höher als je<strong>de</strong> Rücksicht auf einen ästhetischen Horizont, <strong>de</strong>r<br />
es nie begreift, daß ein breites Geschwätz von zwei Seiten knapp mit vierzig<br />
abgetan wer<strong>de</strong>n kann, steht mir die Pflicht, eine ungewarnte Jugend endlich<br />
von unüberlegten Eingriffen in meine Entwicklung abzuhalten und sie ein für<br />
allemal mit <strong>de</strong>m Rate zu beruhigen, daß sie im Zweifelsfall, ob sie sich an meine<br />
heutige o<strong>de</strong>r an meine ältere Ansicht über eine und dieselbe Frage zu halten<br />
habe, getrost annehmen soll, daß ich bei<strong>de</strong> habe, und sich nicht weiter<br />
<strong>de</strong>n kostbaren Kopf zerbrechen. O<strong>de</strong>r sie kann sich die Lösung <strong>de</strong>s Rätsels<br />
noch einfacher damit erklären, daß ich so beschei<strong>de</strong>n bin, es als die geringste<br />
Folge <strong>de</strong>s Weltkriegs anzusehen, daß ich meinen Standpunkt geän<strong>de</strong>rt habe.<br />
Denn ganz wie die trägen und korrupten Leute, <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Krieg Gelegenheit<br />
und Vorwand geboten hat, sage ich zur Beglaubigung von allem was uns nun<br />
schief und schlecht dünkt — und ich <strong>de</strong>nke, mit weit besserem Recht —: Ja,<br />
lieber Herr, jetzt war Krieg! Und da ist <strong>de</strong>nn das nackte Leben nicht nur ein<br />
Problem gewor<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn als das letzte zurückgeblieben, und nicht, wie die<br />
Idioten, die uns so weit gebracht haben, vermuten, die Ehre. Und weil es <strong>de</strong>nn<br />
so ist und in solcher Zeit die Politik, die es verschul<strong>de</strong>t hat, keinen an<strong>de</strong>rn Inhalt<br />
haben kann als dieses Problem und weil auch alle Kulturkritik nun auf<br />
nichts an<strong>de</strong>res hinausläuft als es zu verlangen, so verschmelzen Weltanschauung<br />
und Politik zu elementarer For<strong>de</strong>rung und so kann es wohl geschehen,<br />
daß jene, schon in <strong>de</strong>r Vorkriegszeit politisch gewertet, und diese, auf <strong>de</strong>m alten<br />
Weg zur Natur erreicht, etwas wie einen Wi<strong>de</strong>rspruch ergeben, <strong>de</strong>r ebensowenig<br />
wie das ganze Buch schuld ist, wenn es im Zusammenstoß mit einem<br />
Kopf hohl klingt. Es kann schon sein, daß von <strong>de</strong>r Verachtung <strong>de</strong>r Politik zu<br />
<strong>de</strong>m Wunsch, daß die Notwehr gegen ihre Folgen ihr Inhalt sei, für <strong>de</strong>n Oberflächling<br />
keine Brücke führt. Aber er soll getrost annehmen, daß ich, wenn ich<br />
durch Erlebnis <strong>de</strong>s Denkens und Fühlens zu <strong>de</strong>m Postulat gelangt bin, allen je<br />
bejahten Lebenswert zu opfern, um das Leben, das ihn doch erschafft, zu retten,<br />
mich darum nicht geän<strong>de</strong>rt habe, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r gleiche geblieben bin, und<br />
nicht zuletzt darin, daß ich jene, die durch die Phrase zu <strong>de</strong>r gleichen For<strong>de</strong>rung<br />
gelangt sind und schon vor mir, nicht als Mitkämpfer gelten lasse, son<strong>de</strong>rn<br />
ablehne wie eh und je. Welche Enthüllung, daß ich für die Menschlichkeit<br />
konservativ und gegen <strong>de</strong>n Pofel, <strong>de</strong>r sie bedroht o<strong>de</strong>r von ihrer Erhaltung<br />
lebt, revolutionär bin!<br />
Aber was hilfts, es zu sein, was hilfts es zu sagen. Die junge Literatur<br />
will gar nicht gewarnt sein, sie wird sich ihr Vorurteil gegen mich, das sie sich<br />
nachträglich erworben hat, nicht nehmen lassen, und die Gespenster, wie ich<br />
ihrer aufgeregten Phantasie eines vorstelle, sind bei weitem keine so guten<br />
Revenants wie die Hausierer. Ich <strong>de</strong>nke, daß das Motiv meines Gesinnungswechsels<br />
und <strong>de</strong>r sonstigen Geschäfte noch oft auftauchen und daß noch mancher<br />
Anhänger Lust bekommen wird, an mir zu en<strong>de</strong>n, und mancher Ehrgeizige,<br />
seine Sporen an mir zu verlieren. Was schafft ihm die Illusion, sie zu gewinnen?<br />
Was bewirkt, daß Leute, die eben noch glücklich waren, mir hereinfallen<br />
zu dürfen, nun <strong>de</strong>n Rausch genießen können, mich zu »<strong>de</strong>maskieren«?<br />
Und daß man ihnen, wenigstens solange <strong>de</strong>r Anfall dauert, wirklich glaubt, sie<br />
fühlten sich dazu »gezwungen«, nicht durch pathologischen, son<strong>de</strong>rn durch<br />
ethischen Beruf? Nichts weiter als <strong>de</strong>r Tonfallschwin<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>n die Zeitung ermöglicht,<br />
und <strong>de</strong>r Sperrdruck, <strong>de</strong>n sie für solche Emotionen zur Verfügung<br />
stellt. Wenn einer, selbst in richtiger Zitierung, Sätze ausbricht und ausruft zu<br />
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