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56<br />

losen Satiren, was ich ihm an diesem Abend glaubte: die Gemeinheit<br />

und letzte Aussage einer Verworfenheit, die, <strong>de</strong>n eigenen<br />

Haß auszuspeien und eine Eitelkeit <strong>de</strong>s Umstrittenseins zu befriedigen,<br />

selbst die Tragik — <strong>de</strong>nn Tragik ist es doch! — eines meinetwegen<br />

brutalen Größenwahns nicht respektiert, <strong>de</strong>r vernichtet<br />

wur<strong>de</strong> und, eine Hyäne <strong>de</strong>s traurigsten Schlachtfel<strong>de</strong>s, die Leichen<br />

schän<strong>de</strong>t. Wenn das <strong>de</strong>r Geist ist, <strong>de</strong>n er und seine Unentwegten<br />

meinen, dann ist mir die Geistlosigkeit aller Kriegsjahre<br />

zusammen lieber, als die ekelerregen<strong>de</strong> Minute <strong>de</strong>r Offenbarung<br />

solcher Niedrigkeit.<br />

Und er kämpft noch immer gegen <strong>de</strong>n Krieg, <strong>de</strong>r längst zu En<strong>de</strong><br />

ist — o mit welchem Pathos, mit welcher Stimme! Wozu dies? Um<br />

uns immer wie<strong>de</strong>r zu sagen: ich hab doch recht gehabt! Ihm ist<br />

die entsetzliche Zeit gera<strong>de</strong> gut genug, die Zinsen seiner klügeren<br />

Berechnungen, die Früchte seiner Kälte, die ihm freilich je<strong>de</strong> innere<br />

Anteilnahme verbot, einzuheimsen und seine Eitelkeit damit<br />

zu füttern. Dagegen wen<strong>de</strong>n wir uns mit Protest: Es gab Hun<strong>de</strong>rte<br />

und Tausen<strong>de</strong>, die nicht weniger wußten als er, eben jene, die<br />

<strong>de</strong>nnoch ihr Leben opferten o<strong>de</strong>r es täglich zu tun aus tiefem aufrichtigem<br />

Gefühl bereit waren. Ihr An<strong>de</strong>nken und ihre Tat zu beschmutzen<br />

hatte er, <strong>de</strong>r die Schrecken <strong>de</strong>r Schlachten immer nur<br />

beschrieben, aber niemals erlebt hat, nie das Recht, jetzt aber,<br />

nach<strong>de</strong>m kein Kampf ihn mehr zu äußersten Mitteln zwingt, es<br />

<strong>de</strong>nnoch zu tun, ist eine Ruchlosigkeit, <strong>de</strong>nn es ist einem Manne<br />

wohl nichts menschlich größeres zugedacht, als für eine I<strong>de</strong>e, sei,<br />

sie falsch o<strong>de</strong>r richtig (für ihn ist sie immer richtig) in <strong>de</strong>n Tod zu<br />

gehen. Wer dafür nur gelegentlich in die Schweiz ging, bei Butter<br />

und Honig seine Kapitalien zu verzehren und gegen <strong>de</strong>n Geschäftssinn<br />

zu wettern, soll hier — soldatisch gesprochen und ich<br />

hab's in 33 Monaten an <strong>de</strong>r Front gelernt! — das Maul halten.<br />

Wir wissen, wieviel Gemeinheit <strong>de</strong>r Krieg im Gefolge hatte. Über<br />

sie zu richten, sei uns ernstes Amt. Aber wir, wir Deutsche selbst<br />

wollen es tun. Ich bin kein Antisemit, aber ich wehre mich dagegen,<br />

daß ein solcher Ju<strong>de</strong> über uns zu Gericht sitzt, <strong>de</strong>r ja unsere<br />

Vaterlandsi<strong>de</strong>e zu erfassen niemals im Stan<strong>de</strong> ist und in <strong>de</strong>m seit<br />

jeher <strong>de</strong>r Haß groß ist gegen alles, was aus <strong>de</strong>utscher Er<strong>de</strong> gewachsen<br />

ist. Ein Mann, <strong>de</strong>m es nur um die Wahrheit zu tun ist,<br />

<strong>de</strong>r hätte Feld genug, für Künftiges zu streiten, er brauchte nicht<br />

Erledigtes anzugreifen. Wir glauben ihm dies Pathos nicht mehr.<br />

Dieser gestrige Abend hat uns ihn, Karl Kraus, in seiner wahren<br />

Gestalt gezeigt, durchleuchtete alles, was er bisher tat und wir sehen<br />

die Mache eines eitlen Menschen, <strong>de</strong>r klug genug war, sich<br />

<strong>de</strong>n Anschein eines Gottesstreiters zu geben und so die Besten zu<br />

täuschen.<br />

Und wer sein von ekelhafter Eitelkeit gesättigtes Gesicht sah, als<br />

die Bravorufe seiner Getreuen die Empörung Ehrlicher nie<strong>de</strong>rschrieen,<br />

wer auf diesem Gesicht, <strong>de</strong>utlichst für alle, nur die Befriedigung<br />

las, daß um ihn da unten gerauft wer<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r wußte alles<br />

von ihm. Wäre es ihm auch nur eine Sekun<strong>de</strong> ernst gewesen<br />

um das, was er mit tönen<strong>de</strong>n Worten am En<strong>de</strong> vortrug, er hätte<br />

sich nie, niemals so — lächelnd, so befriedigt zeigen können.

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