innsbruck - Welcker-online.de
innsbruck - Welcker-online.de
innsbruck - Welcker-online.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
gen. Und ein grausamer Frie<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r seinem Namen ins Gesicht<br />
schlägt, hat je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r erkennen will, <strong>de</strong>utlich genug gezeigt, daß<br />
die Menschlichkeit <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong> vielleicht noch geringer ist als es<br />
unsere Siegermenschlichkeit gewesen wäre und gera<strong>de</strong> die merkantilen<br />
Bestimmungen <strong>de</strong>s Vertrages sind die beredtesten Beweise<br />
dafür, daß dieser Krieg nur <strong>de</strong>s »Ma<strong>de</strong> in Germany« willen geführt<br />
wur<strong>de</strong>, wie eine amerikanische Zeitung schon 1914 schrieb<br />
und nicht »Ma<strong>de</strong> in Germany« war, wenn auch <strong>de</strong>r jähe Ausbruch<br />
<strong>de</strong>n Kabinetten von Wien und Berlin zu Lasten fällt. Den tieferen<br />
Ursachen nachzuspüren aber ist Sache <strong>de</strong>r Geistigen und wer von<br />
ihnen auch die Amerikanisierung, »<strong>de</strong>n Kommerz«, <strong>de</strong>m Deutschland<br />
in <strong>de</strong>n letzten 40 Jahren mehr und mehr verfiel, aufs tiefste<br />
bedauerte, kann nicht im Ernste verlangen, daß ein starkes Volk<br />
sich <strong>de</strong>s Wohlstan<strong>de</strong>s hätte für immer begeben sollen und Meer<br />
und die Schätze <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren überlassen; <strong>de</strong>nn in je<strong>de</strong>m<br />
Volke wer<strong>de</strong>n es immer die Wenigen sein, die endlich lernen, <strong>de</strong>n<br />
einzig wertvollen Schatz, <strong>de</strong>n Geist, zu heben. So ging dieser<br />
Krieg letzten En<strong>de</strong>s doch um unser Volk und es gab Tausen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nen<br />
die schweren Fehler unserer Herrschen<strong>de</strong>n nicht verborgen<br />
waren, die aber unfähig, das Geschehen aufzuhalten, in <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Not mit klarem Bewußtsein ihr Leben zum Opfer stellten<br />
für einen Begriff, <strong>de</strong>r ihnen kein Wort, son<strong>de</strong>rn tiefste Notwendigkeit<br />
<strong>de</strong>s Daseins war: Vaterland.<br />
Der Kampf ist aus. Und die Reaktion, wie alle Bewegungen, vieles<br />
über das Ziel hinausschießend, verdammte mit einem male alles,<br />
was uns dazugeführt. Altäre <strong>de</strong>s Glaubens stürzten mit <strong>de</strong>n Thronen,<br />
Gelobtes wur<strong>de</strong> maßlos geschmäht und es begann eine Zeit,<br />
für je<strong>de</strong>n Mann, greulicher als <strong>de</strong>r Krieg: eine ekelhafte Beschmutzung,unseres<br />
Selbst, eine Prostitution an <strong>de</strong>n Feind, ein<br />
Gewinsel um Anhörung <strong>de</strong>r schamlosesten Selbstanklagen. Die<br />
Besten erhoben sich dagegen. Wo blieb <strong>de</strong>r Herold <strong>de</strong>r Wahrheit?<br />
Er trat gestern vor uns hin. Und las uns Schriften eines Kampfes<br />
vor, <strong>de</strong>r längst been<strong>de</strong>t ist, las sie mit einem Pathos, als wollte er<br />
uns aufrufen gegen Fein<strong>de</strong>, die gar nicht mehr sind. Und er führte<br />
uns die Mittel eines Kampfes vor, die niemals, auch im schärfsten<br />
Streit, ein Mann gegen einen an<strong>de</strong>ren gebrauchen sollte, das<br />
schmähliche und feige Mittel, persönliche Schwächen, die mit <strong>de</strong>r<br />
I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s nichts zu tun haben, zur Verhöhnung <strong>de</strong>s Gegners<br />
zu gebrauchen. Mir war Wilhelm II. nie eine sympathische Figur<br />
und immer ein geistiger Feind. Aber ich weiß, daß man aus<br />
<strong>de</strong>m Leben Karl Kraus' Szenen ten<strong>de</strong>nziös ausbeuten könnte, die<br />
ihn sicher noch verächtlicher erscheinen ließen als er Wilhelm<br />
zeichnet. Und in dieser Zeichnung ist keinerlei Kunst, keine Satire,<br />
nichts als Haß, Haß, Haß. Aber nicht <strong>de</strong>r Haß gegen die I<strong>de</strong>e<br />
<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren — <strong>de</strong>nn wäre es <strong>de</strong>r, warum beginge dann Karl Kraus<br />
die namenlose Geschmacklosigkeit, <strong>de</strong>n gestürzten Träger anzuspucken,<br />
<strong>de</strong>n Wehrlosen zu treten? — es ist vielmehr <strong>de</strong>r Haß <strong>de</strong>s<br />
Frem<strong>de</strong>n gegen das Deutsche, <strong>de</strong>r ihn blind macht, daß er vor <strong>de</strong>n<br />
Augen rot sieht und ihn so von allem Geist <strong>de</strong>r Menschheit und<br />
Menschlichkeit entfernt, wie nie einer <strong>de</strong>r von ihm Verspotteten<br />
es je gewesen. Ich wur<strong>de</strong> mir mit einem Schlage bewußt: hier ist<br />
Karl Kraus ohne Maske. Und es war das einzige außer <strong>de</strong>n harm-<br />
55