innsbruck - Welcker-online.de
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das Ding um die Nase schwirrt, um mir seine Überlegenheit zu beweisen und<br />
mich die Unzulänglichkeit <strong>de</strong>r Schöpfung beklagen zu lassen und damit ich<br />
zweitausend Fliegen mit einem Schlag treffen könne. Sie aber müssen sich's,<br />
wenn sie etwas aus meinem Leben ten<strong>de</strong>nziös ausbeuten wollen, schon an<br />
<strong>de</strong>m Werk genügen lassen, in <strong>de</strong>m dieses Leben enthalten ist und in <strong>de</strong>m sie<br />
ja genügend Spielraum fin<strong>de</strong>n, ihre sittliche Überwertigkeit zur Geltung zu<br />
bringen, wenn dazu die Eindrücke eines einzigen Abends nicht ausreichen<br />
sollten. Wiewohl es doch einleuchtend ist, daß ich nach einer vieljährigen Tätigkeit<br />
in Schrift und Wort es eben darauf ankommen lassen wollte und »die<br />
Probe, die ich mir selbst auferlegte«, als ich vor die Innsbrucker hintrat,<br />
schon ein Verdikt rechtfertigt. Der Obmann, <strong>de</strong>r es am Schluß <strong>de</strong>s Verfahrens<br />
verkün<strong>de</strong>t hat, war ein all<strong>de</strong>utscher Versicherungsagent. Er soll sich zuvor<br />
noch aus Gewissenhaftigkeit erkundigt haben, ob es <strong>de</strong>nn wahr sei, daß ein<br />
maßgeben<strong>de</strong>r Rassenfanatiker mich <strong>de</strong>n Retter <strong>de</strong>s Ariogermanentums genannt<br />
hat, er glaubte es nicht, als er sah, für wie unrettbar ich es hielt, und<br />
warf <strong>de</strong>s zum Zeichen die Tür <strong>de</strong>s Verhandlungssaales hinter sich zu. Dieser<br />
Vorgang bestimmte die Innsbrucker Journalistik, mich zu erkennen. Sie hatte<br />
mit meiner Tätigkeit abgeschlossen, unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Möglichkeit, daß mir<br />
noch ein satirisches Motiv zuwuchs. Und befeuert von ihrer Weisung stieg <strong>de</strong>r<br />
Aufruhr im Land, <strong>de</strong>r Teufel war gefaßt wor<strong>de</strong>n, als er die Einreisebewilligung<br />
mißbraucht hatte, und nun, da er ohne Maske und manches an<strong>de</strong>re heimfuhr,<br />
faßte ihn Reue, daß er zum <strong>de</strong>utschen Heiland verdorben sei und darum in<br />
Zwietracht mit <strong>de</strong>n Händlern und Wechslern, und er las, die Innsbrucker<br />
Nachrichten bis zum En<strong>de</strong>:<br />
Wie an<strong>de</strong>rs wirkt dies Zeichen auf mich ein!<br />
Du, Geist <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, bist mir näher!<br />
Und so, <strong>de</strong>n Blick nach Osten gewen<strong>de</strong>t, fühle ich mich wie<strong>de</strong>r wie zuhause,<br />
erfasse <strong>de</strong>n Zusammenhang <strong>de</strong>r Literaturen und empfange die Abwechslung,<br />
die das Leben bietet. Mir kann nichts geschehn; vom christlich—<br />
germanischen Schönheitsi<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verwiesen, bleibt mir doch die<br />
Hoffnung, in die Welt <strong>de</strong>r freien Gemeinschaft nicht eingelassen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Haß <strong>de</strong>s einen gibt mich nicht <strong>de</strong>r Gunst <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>rn preis, und ich bin allen<br />
höchst be<strong>de</strong>nklich. Was bleibt in ihrer Hand, da sie mich fassen? Ein Witz<br />
über <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn, und wenn sie's dann vergleichen, ein Wi<strong>de</strong>rspruch. Freilich,<br />
die Parteien durch Verachtung ihres Hasses und ihrer Gunst verwirrend, wird<br />
mein Charakterbild nur solange in <strong>de</strong>r Geschichte schwanken, als sie von<br />
Journalisten geschrieben wird. Sonst mag es sich, sind wir einmal über alle<br />
zeitlichen Veranlassungen hinaus, klar erweisen, daß meine Art, die Welt zu<br />
betrachten, von innen zu <strong>de</strong>n Ansichtssachen gelangt war, von einem Natur-<br />
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