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Karl Kraus eingela<strong>de</strong>n, in Innsbruck zwei Vorlesungen abzuhalten.<br />

Die erste Vorlesung fand am 4. Februar statt; Kraus las Szenen<br />

aus seinem berühmten Drama: »Die letzten Tage <strong>de</strong>r Menschheit«<br />

vor. Die Vorlesung fand stürmischen Beifall; nur bei <strong>de</strong>r letzten<br />

Szene: Wilhelm II und seine Generale, ereignete sich ein Zwischenfall,<br />

<strong>de</strong>r aber durchaus unvermögend war, <strong>de</strong>n starken Eindruck<br />

<strong>de</strong>r Vorlesung zu beeinträchtigen o<strong>de</strong>r zu stören. Der »Zwischenfall«<br />

bestand darin, daß ein Besucher aufstand, <strong>de</strong>n Saal<br />

verließ und dabei <strong>de</strong>monstrativ die Türe zuschlug. Die Ungezogenheit<br />

fand insofern Fortsetzung, als noch zwei o<strong>de</strong>r drei mißvergnügte<br />

Zuhörer <strong>de</strong>n Saal verließen; dagegen wirkte die »Demonstration«,<br />

die vielleicht vorbereitet war, auf die Masse <strong>de</strong>r Zuhörer<br />

so, daß <strong>de</strong>r Beifall für <strong>de</strong>n Vortragen<strong>de</strong>n immer noch stürmischer<br />

und begeisterter wur<strong>de</strong>. In keinem Falle erfor<strong>de</strong>rte aber die Episo<strong>de</strong><br />

irgen<strong>de</strong>ine Beachtung <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>; daß zwei o<strong>de</strong>r drei Leuten<br />

ein Bruchteil <strong>de</strong>r Vorlesung nicht gefiel und sie <strong>de</strong>m Mißfallen<br />

in einer anmaßlichen Weise Ausdruck gegeben haben, kann<br />

selbstverständlich kein Anlaß für eine Amtshandlung <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong><br />

gegen <strong>de</strong>n Vortrag o<strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n Vortragen<strong>de</strong>n sein.<br />

Dennoch hat die Innsbrucker Behör<strong>de</strong> die zweite Vorlesung, die<br />

am 5. Februar stattfin<strong>de</strong>n sollte, verboten, und zwar mit folgen<strong>de</strong>m<br />

Bescheid:<br />

»Vom Stadtmagistrate als Sicherheitsbehör<strong>de</strong> Innsbruck.<br />

2157/S Innsbruck, 5. Februar 1920.<br />

An <strong>de</strong>n Brenner—Verlag (Ludwig Ficker und Kurt Lechner)<br />

in Innsbruck<br />

Der Stadtmagistrat sieht sich veranlaßt, die Abhaltung <strong>de</strong>s heutigen<br />

Vortragsabend durch Schriftsteller Karl Kraus im Musikvereinssaale<br />

in Innsbruck aus sicherheitspolizeilichen Grün<strong>de</strong>n zu untersagen.<br />

Der Bürgermeister.«<br />

Bei diesem erstaunlichen Verbot, das in Inhalt und Form an die<br />

übelsten Gewohnheiten <strong>de</strong>s absolutistischen Staates gemahnt,<br />

fällt vor allem auf, daß es sich we<strong>de</strong>r auf ein Gesetz beruft, noch<br />

einen Rechtsweg eröffnet; <strong>de</strong>r Herr Bürgermeister von Innsbruck<br />

meint anscheinend, daß er keine Gesetze braucht und über ihn<br />

niemand Macht hat. Er sieht sich »veranlaßt« und das müsse doch<br />

genügen. Deshalb verschmäht er auch, das Verbot irgendwie zu<br />

rechtfertigen, <strong>de</strong>nn die Berufung auf »sicherheitspolizeiliche«<br />

Grün<strong>de</strong> ist einleuchten<strong>de</strong>rweise eine Spiegelfechterei. Solche<br />

Grün<strong>de</strong> könnten obwalten, wenn sich zum Beispiel in <strong>de</strong>m Raume,<br />

in <strong>de</strong>m die Vorlesung erfolgen sollte, irgendwelche Baugebrechen<br />

gezeigt hätten, die die Sicherheit <strong>de</strong>r Besucher gefähr<strong>de</strong>n hätten<br />

können. Davon ist natürlich keine Re<strong>de</strong> und es kann ernstlich<br />

nicht vorgebracht wer<strong>de</strong>n. In Wahrheit han<strong>de</strong>lt es sich um folgen<strong>de</strong>s:<br />

Nach <strong>de</strong>r ersten Vorlesung setzte gegen <strong>de</strong>n Vortragen<strong>de</strong>n<br />

eine regelrechte Preßhetze ein. Vor allem wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r »Zwischen-<br />

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