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Anspruch durch sittliche Defekte vor allem ins Wanken geriete —, aber doch<br />

nicht von jenem, das über Völkerschicksale verfügt. Ich will gern glauben, daß<br />

die Unterstellung einer ungeheuerlichen Möglichkeit nur eine glückliche journalistische<br />

Wendung ist, also nur eine jener fluktuieren<strong>de</strong>n Substanzen, die<br />

man so wenig halten kann wie Tinte und von <strong>de</strong>nen man nicht weiß, ob sie einem<br />

in die Fe<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r aus ihr geflossen sind. Ich will glauben, daß sich <strong>de</strong>r<br />

Herr S. O. dabei nichts gedacht hat und, da man doch nicht wissen kann, was<br />

man nicht weiß, und nur wissen kann, daß man nichts weiß, tatsächlich nicht<br />

»weiß«, daß es solche Szenen in meinem Leben gibt, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>shalb, weil ~t<br />

bloß nicht weiß, ob es solche Szenen in meinem Leben gibt, sich halt <strong>de</strong>nkt,<br />

daß es so etwas schon geben wer<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn Journalisten, Journalisten sind wir<br />

alle und Fehler hat a je<strong>de</strong>r gnua. Sollte aber wi<strong>de</strong>r Erwarten sein Wissen doch<br />

ein größeres sein als es nach <strong>de</strong>r Lektüre seines Feuilletons <strong>de</strong>n Anschein hat,<br />

so mache ich ihn rechtzeitig darauf aufmerksam, daß er mir <strong>de</strong>n Wahrheitsbeweis<br />

in weit höherem Maße schuldig bleiben wür<strong>de</strong> als ich <strong>de</strong>m Wilhelm und<br />

daß man das, was ich über diesen glatt von <strong>de</strong>r Wirklichkeit abschreiben<br />

konnte, um die gleiche Wirkung mit mir zu erzielen, schon sehr ten<strong>de</strong>nziös<br />

ausbeuten müßte. Die journalistische Technik eröffnet Möglichkeiten, <strong>de</strong>nen<br />

selbst sie nicht gewachsen ist. Ich halte es für <strong>de</strong>nkbar, daß einer, ob Jud, ob<br />

Tiroler, eine Petite mit Eindrücken machen kann, so daß Bewun<strong>de</strong>rung und<br />

Verachtung, geschickt verteilt, »<strong>de</strong>n Anschein eines Gottesstreiters« kaputt<br />

machen, aber dafür das Bild <strong>de</strong>s redlichen Bekenners ergeben, <strong>de</strong>r sich zu jenen<br />

»Besten« zählt, die da getäuscht wer<strong>de</strong>n konnten 1 . Ich halte es für möglich,<br />

daß einer, <strong>de</strong>r kein Gesicht hat, sich eins dadurch geben möchte, daß er<br />

mir die Maske herunterreißt, wiewohl er doch be<strong>de</strong>nken müßte, daß meine<br />

Geschicklichkeit, die sie durch zweihun<strong>de</strong>rt Vortragsaben<strong>de</strong> gehalten hat, zur<br />

Not auch noch für Innsbruck ausgelangt hätte. Es kann sogar glaubhaft wirken,<br />

daß <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r die Lüge, es sei um mich »gerauft« wor<strong>de</strong>n, weitergibt, das<br />

entlarvte Gesicht »von ekelhafter Eitelkeit gesättigt« schien; wiewohl einer<br />

mich nie bewun<strong>de</strong>rt, wiewohl er nie verstan<strong>de</strong>n haben muß, daß mir ein geschriebener<br />

Satz über ein gesprochenes Buch geht, um mir doch zu glauben,<br />

daß ich die persönliche Wirkung lieber meinem Vortrag als <strong>de</strong>ssen Störung<br />

verdanke, und wiewohl die Befriedigung über <strong>de</strong>n Zusammenschluß einer<br />

Vielheit zur Abwehr von Gewalt sich als ein moralisches Gefühl aus <strong>de</strong>r Situation<br />

begreift. Wenn die Mittelmäßigkeit, die mit ihrem kalten Vorbedacht<br />

auch die elementaren Dinge, die zwischen einem Podium und einem Publikum<br />

spielen, abschätzen zu können glaubt, einmal oben stün<strong>de</strong>, sie wäre, ehe ihr<br />

Mienenspiel einen Triumph bescheinigt, von panischer Angst davongeblasen.<br />

Zu glauben, die »Eitelkeit«, die <strong>de</strong>n Einzelnen zum Partner <strong>de</strong>r Menge berechtigt,<br />

sei eine Untugend, steht <strong>de</strong>m Zeitungshirn so gut an wie die Vermutung,<br />

daß sie sich einen Hinauswurf als persönlichen Erfolg anrechne. Aber<br />

wenn ich schon je<strong>de</strong>r journalistischen Finte, die am an<strong>de</strong>rn Tag das eigene<br />

wie das frem<strong>de</strong> Erlebnis umlügt, Freipaß gebe, so wer<strong>de</strong> ich doch bestrebt<br />

sein, solcher Fertigkeit meine persönliche Existenz zu entziehen. Denn wenn<br />

sie mich angreift, so hat sie mich und nur mich gemeint, und darin bin ich<br />

empfindlich. Während ich — was sicher ein tragischer Fall in <strong>de</strong>r Literaturgeschichte<br />

ist — über einen Innsbrucker Journalisten ausführlicher schreiben<br />

kann als er über mich, und hinterdrein immer sagen könnte, ich hätte nicht<br />

ihn gemeint, son<strong>de</strong>rn alle, und ich wür<strong>de</strong> auch einen Hallstätter Polemiker beachten<br />

und überhaupt sei es mir egal, in welchen Dialekten und Trachten mir<br />

1 Die alten SED—Lumpen im Herbst 1989: “Wie bin ich getäuscht, belogen und betrogen<br />

wor<strong>de</strong>n! Wenn ich das alles gewußt hätte, ...“<br />

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