08.10.2013 Aufrufe

innsbruck - Welcker-online.de

innsbruck - Welcker-online.de

innsbruck - Welcker-online.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

lern nicht habe beschämen lassen, die <strong>de</strong>n Militarismus gehaßt hatten und<br />

nun Kriegsgedichte schrieben? Ich hatte es doch leichter, bei mir wär's kein<br />

Umschwung gewesen. Was habe ich also im Krieg gemacht. Belobungsanträge?<br />

Patriotische Aufrufe für Görz? Sonette an die dicke Berta? Terzinen auf<br />

Tiroler Gurgelbisse? Sinnsprüche über die Kriegsanleihe? Re<strong>de</strong>n über Hin<strong>de</strong>nburg?<br />

Photographien von Conrad?<br />

Im Krieg hat Kraus durch mancherlei rücken<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Beziehungen<br />

zu prononzierten Vertretern <strong>de</strong>r Macht wie auch durch die<br />

Kunst seiner geschickt lavieren<strong>de</strong>n Gesinnung die Gefahr von seiner<br />

Person abzuleiten gewußt, irgendwie für seinen Hintertürlpazifismus<br />

einstehen zu müssen. Ich stand, mit Arbeitern und Soldaten,<br />

von Bajonetten umgeben, er saß, seinen Lobkowitzen ergeben,<br />

unter Aristokraten, Lakaien und Machthabern.<br />

Wie, ich war also in Gefahr? Sollte als ostentativer Verherrlicher <strong>de</strong>s Militarismus,<br />

<strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls, <strong>de</strong>r Autokratie eingezogen wer<strong>de</strong>n? Nicht doch. Ich umschmeichelte<br />

<strong>de</strong>n Militarismus vor <strong>de</strong>m Krieg, schwenkte — ganz wie die an<strong>de</strong>rn,<br />

die ihn verabscheut hatten — nach <strong>de</strong>r Kriegserklärung prompt um, zu<br />

irgen<strong>de</strong>inem dunklen Zweck, <strong>de</strong>r mir noch nicht nachgewiesen ist, und nun,<br />

im Krieg, um die Gefahr von meiner Person abzuleiten, nützte ich die Beziehungen<br />

zu prononzierten Vertretern <strong>de</strong>r Macht aus, die mir <strong>de</strong>n Rücken<br />

<strong>de</strong>ckten. Den Militärs, die freilich die mächtigsten waren, hatte ich abgesagt.<br />

Aber <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>l war mir noch geblieben. Überdies lavierte ich auch geschickt<br />

mit meiner Gesinnung, in<strong>de</strong>m — was unschwer nachzuweisen ist — auf je<strong>de</strong>n<br />

pazifistischen Aufsatz, <strong>de</strong>r mir schon <strong>de</strong>n Kragen zu brechen drohte, fix ein<br />

kriegerischer Aufsatz in <strong>de</strong>r Fackel folgte, <strong>de</strong>r dann, nebst <strong>de</strong>r Protektion<br />

durch einen Machthaber bei <strong>de</strong>n Machthabern, alles glücklich ins Reine<br />

brachte. Sonnenschein stand von Bajonetten umgeben; ich saß in<strong>de</strong>ssen —<br />

mit Eisner von Eisenhof und Dobner von Dobenau — unter Aristokraten, Lakaien<br />

und Machthabern. Nur zu einer Zeit, wo Sonnenschein bereits in <strong>de</strong>r<br />

Konsumanstalt saß, stand ich vor einer Anklage wegen Verbrechens gegen die<br />

Kriegsmacht, die das Armeeoberkommando betrieb. Längst war ich als das<br />

»Haupt <strong>de</strong>s Defätismus in Österreich« angeschrieben, aber dank meiner geschickt<br />

lavieren<strong>de</strong>n Gesinnung hatte man mir nichts beweisen können; <strong>de</strong>nn<br />

öffentlich sprach ich wohl das Äußerste gegen <strong>de</strong>n kriegführen<strong>de</strong>n Staat, aber<br />

heimlich wagte ich mich wie<strong>de</strong>r nicht hervor. Ein Duckmäuser. Als es zu En<strong>de</strong><br />

ging, schien's Ernst zu wer<strong>de</strong>n. Da rettete mich <strong>de</strong>r böhmische A<strong>de</strong>l, zu jener<br />

Zeit, knapp vor <strong>de</strong>m böhmischen Abfall, ein prononzierter Vertreter <strong>de</strong>r<br />

Macht. So erklärt Sich alles. — Nur nicht, wie ich geistig so leben konnte, daß<br />

für Schwachsinnige doch etwas wie ein Wi<strong>de</strong>rspruch <strong>de</strong>r Meinungen in <strong>de</strong>r<br />

Hand bleibt, die sie, von meiner Konsequenz gegen <strong>de</strong>n Krieg befangen, aus<br />

<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>nsheften und <strong>de</strong>n Kriegsheften <strong>de</strong>r Fackel einzelweis kapieren.<br />

Aber <strong>de</strong>n muß ich bestehen lassen. Denn wenn ich mich auch von je<strong>de</strong>m Ungefähr,<br />

von je<strong>de</strong>m Nichts, von je<strong>de</strong>m Zeitungsblatt zur Sprache bringen lasse,<br />

so wird man doch nicht im Ernst glauben, daß ich mich von solchen Vorwän<strong>de</strong>n<br />

zur Re<strong>de</strong> stellen ließe über Dinge, die meine »Gesinnung« betreffen; daß<br />

ich Bekenntnisse ablegen wer<strong>de</strong>, warum ich die Welt einmal vom Aufgang und<br />

einmal vom Untergang betrachtet habe und warum es zwischen <strong>de</strong>n Sprüchen<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche gibt. Und daß ich geneigt wäre, je<strong>de</strong>n Tropf separat über die<br />

Eselsbrücke zwischen meinen Standpunkten zu geleiten. Nur zum Spaß, wenn<br />

ich ihn mittenwegs sich selbst überlassen kann, will ichs tun; <strong>de</strong>nn unten an-<br />

67

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!