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maligen Führer <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes in seinem Unglücke verhöhnt.<br />

Sollte Herr Kraus bei <strong>de</strong>r heutigen Vorlesung ähnliche<br />

Werke vortragen, sind weitere Störungen zu erwarten. Als gestern<br />

die Demonstrationen gegen Kraus begannen, verständigte <strong>de</strong>r<br />

dort anwesen<strong>de</strong> Lan<strong>de</strong>shauptmannstellvertreter Dr. Gruener die<br />

Polizei und bewog sie zum Einschreiten. Einige Ruhestörer wur<strong>de</strong>n<br />

arretiert, einige nur zur Ausweisleistung verhalten. Nur dadurch<br />

wur<strong>de</strong> es möglich, <strong>de</strong>n Vortragsabend zu been<strong>de</strong>n.<br />

Die durch Dummheit gemil<strong>de</strong>rte Tücke will mit <strong>de</strong>m Geständnis, daß die<br />

Störung geplant war, also nicht aus <strong>de</strong>r Stimmung <strong>de</strong>s Auditoriums hervorging,<br />

diese für <strong>de</strong>n zweiten Abend präparieren und scheut auch vor Erpressung<br />

nicht zurück. Die Lüge von <strong>de</strong>r abgebrochenen Vorlesung ist aus »diesen<br />

Kreisen« inzwischen nach allen Gegen<strong>de</strong>n telegraphiert wor<strong>de</strong>n. Nun wird sie<br />

mit <strong>de</strong>r Lüge entschuldigt, daß ein Hinauswurf, <strong>de</strong>r sich zwei Minuten vor<br />

<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Programms abgespielt, aber einen Beifall erweckt hat, <strong>de</strong>r das<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Abends erst nach fünf Minuten eintreten ließ, es ermöglicht habe,<br />

diesen überhaupt zu been<strong>de</strong>n. Und daß das »gemeinsame Vorgehen« für <strong>de</strong>n<br />

Moment verabre<strong>de</strong>t war, »sobald Kraus die Satire auf Kaiser Wilhelm zum<br />

Vortrag bringen wer<strong>de</strong>«, beweist eine Vertrautheit <strong>de</strong>r Innsbrucker mit meinem<br />

Programm, die ich selbst am Nachmittag noch nicht hatte. Wie bin ich ihnen<br />

in die Falle gegangen! Aber wenn einer <strong>de</strong>r Menschen, die in Innsbruck<br />

auf Demonstrationen ausgehen, bis halb zehn Uhr dieses Abends eine Ahnung<br />

von <strong>de</strong>m Vorhan<strong>de</strong>nsein dieser »Satire« hatte, will ich <strong>de</strong>m Wilhelm glauben,<br />

daß er es nicht gewollt, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Franz Josef, daß er alles reiflich erwogen<br />

hat. Die Wahrheit ist, daß die von einer vagen Kenntnis meiner Gesinnung,<br />

aber von <strong>de</strong>r festen Absicht, die ihre auszuleben, in <strong>de</strong>n Saal geführten Individuen<br />

im Lauf <strong>de</strong>s Abends ein Dutzend weit besserer Anlässe — etwa das Gespräch<br />

<strong>de</strong>r zwei Diebsgenerale — hatten vorübergehen lassen, weil ihnen füglich<br />

<strong>de</strong>r Laut auf <strong>de</strong>n Lippen erstarb, und erst zum Schluß, da <strong>de</strong>r Ärger über<br />

die eigene Unregsamkeit ihnen Bewußtsein und Haltung gab, ihre Anwesenheit<br />

legitimierten, in<strong>de</strong>m sie die Tür zuschlugen. Daraus ist die ganze Legen<strong>de</strong><br />

von <strong>de</strong>r Tiroler Hohenzollerntreue entstan<strong>de</strong>n, die, schon weil Andreas Hofer<br />

<strong>de</strong>rzeit in Innsbruck <strong>de</strong>r Firmentitel einer G. m. b. H. ist, mit <strong>de</strong>m Volkshel<strong>de</strong>n<br />

vorlieb nimmt, <strong>de</strong>r zu Amerongen in Ban<strong>de</strong>n liegt 1 . Was zuerst ein Zufall,<br />

dann eine Zeitungslüge war, wur<strong>de</strong> nunmehr wirklich ein Motiv, und<br />

Wilhelm wäre für sein Schicksal wie für die Lieblosigkeit seiner Reichs<strong>de</strong>utschen,<br />

die mich gewähren ließen, durch <strong>de</strong>n Aufstand <strong>de</strong>r Tiroler entschädigt,<br />

die mich zwar auch gewähren ließen, aber wenigstens nachträglich empört<br />

waren. Die sollten gewußt haben, welche Schmach ich ihnen ansinnen<br />

könnte? Sie warfen mir im Gegenteil vor, daß ich sie überrumpelt, daß ich das<br />

Programm vor ihnen verheimlicht habe. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger, wenigstens<br />

(in <strong>de</strong>r Vorabendausgabe vom 6. Februar, die noch zum zweiten Vortrag<br />

zurechtgekommen wäre) stellte es so dar:<br />

Der VORTRAG KRAUS war eine Art Konglomeratvorlesung aus »Muskete«<br />

und »Arbeiterzeitung« über Krieg, Vaterland und Offiziere.<br />

Als <strong>de</strong>r Vortragen<strong>de</strong> in einer sowohl <strong>de</strong>n Anstand als auch das<br />

Empfin<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>s Deutschen auf das Empörendste verletzen<strong>de</strong>n<br />

1 Anspielung auf das Gedicht »Zu Mantua in Ban<strong>de</strong>n / Der treue Hofer war … « von Julius<br />

Mosen. Amerongen heißt <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rländische Ort, in <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r geflohene <strong>de</strong>utsche Kaiser<br />

nie<strong>de</strong>rließ.<br />

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