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2007 - Konvent Evangelischer Theologinnen

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Ich habe versucht, es folgendermaßen zu übersetzen, leider unter Verlust der<br />

Reime, die bei Puschkin so mozarthaft leicht aufklingen:<br />

„Die Wüstenväter und die Frauen rein,<br />

Um in der Abgeschiedenheit zu heben sich im Herzen,<br />

Um es, das lang in Sturm und Kampf, zu stärken,<br />

Verfaßten der Gebete viele, göttlich-fromm.<br />

Doch nicht ein einziges von ihnen rührt mich so<br />

Wie jenes, welches wiederholt der Priester<br />

An jenen Trauertagen in der großen Fastenzeit.<br />

Am allermeisten kommt’s mir auf die Lippen,<br />

Stärkt noch im Fallen mich mit ungekannter Kraft:<br />

Herr meines Tags! Den Geist verzagter Müßigkeit,<br />

Der Herrschsucht, dieser Schlange im Verborgenen,<br />

Und des Geschwätzes nicht gib Du der Seele mein.<br />

Nein, sondern gib, zu sehen mein, o Gott, Gebrechen<br />

Und, daß mein Bruder nicht empfang’ von mir Verurteilung.<br />

Und lass den Geist der Demut, der Geduld, der Liebe<br />

Und des Heilsinns mir im Herzen wieder leben auf.“<br />

Fairy v. Lilienfeld hat in den Gesprächen, die ich mit ihr dank ihrer Verwandtschaft<br />

mit meinem Mann führen konnte, immer wieder erwähnt, wie sie ihr<br />

Geburtsdatum mit dem Datum der russischen Revolution zusammensehe.<br />

Heute, 90 Jahre später, nach einem intensiven Wirken als Professorin für die<br />

Theologie und Kirchengeschichte des Ostens, als Russischkennerin, als lutherische<br />

Theologin - mit einer Einstellung, die ich nennen möchte: Freiheit von konfessionellem<br />

Egoismus - lebt sie in einem Wohnheim in Erlangen mit der Beschwerlichkeit<br />

des hohen Alters, die ihr es fast unmöglich macht, das ihr wichtigste<br />

wissenschaftliche Vorhaben zu beenden.<br />

Aber treffend beobachtet und formuliert sie, was nun dieses Lebensstadium mit<br />

sich bringt, auch, was es von der Seelsorge fordert: z.B. die Beachtung der Verschiedenheit<br />

der Alterstufen oder die Befähigung, jenen Satz von der Rechtfertigung<br />

allein aus Gnade auch sich selbst und dem eigenen Nachlassen von Leistungskraft<br />

gegenüber, glaubend tatsächlich wahrzunehmen; oder, ganz schlicht, im<br />

Gottesdienst doch endlich auch wieder die heute so selten gesungenen Strophen<br />

der alten Kirchenlieder gemeinsam zu singen, in denen von der Welt „nach dieser<br />

Welt“, vom „reichen Himmelszelt“, von Gottes „Thron“ und „Christi Garten“,<br />

kurz, von der vielleicht nahe bevorstehenden Zukunft die Rede ist.<br />

90 Jahre nach der Revolution in Russland. Was für eine Lebensspanne! Wenn es<br />

nicht schon geschehen ist, ist es nun, 90 Jahre nach der Oktoberrevolution, möglich<br />

und an der Zeit, solche literarisch-theologische Beobachtungen und Entdeckungen<br />

systematischer zu betreiben.<br />

Ich bin sicher, Fairy v. Lilienfeld mit ihrer Liebe zur russischen Sprache wäre die<br />

Erste, die sich darüber freuen würde!<br />

54 Von Personen - Juni <strong>2007</strong> / <strong>Theologinnen</strong> Nr. 20

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