Tradition2.pdf (Download) - Medienwissenschaft
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Sisyphusarbiet angesichts des chaotischen Zustandes, in dem<br />
sich der größte Teil der Bestände befand“ . Heinrich<br />
selbst schreibt, daß bei der Übergabe und Übernahme der<br />
Museumsinventarien und der dazu gehörigen Sammlungen „die<br />
verschiedenen Gegenstände alle chaotisch durch-, über- und<br />
untereinander als rudis indigestaque moles in mehreren<br />
Gemächern aufgeschichtet lagen“ . In kurzer Zeit<br />
kann er dieses Übelstandes Herr werden und dem Trägerverein<br />
des Hauses, der mährischen Ackerbaugesellschaft, ausführliche<br />
Kataloge der Sammlungen vorlegen; Hucke wählt hier Worte, mit<br />
denen Friedrich Nietzsche philologische Hermeneutik als Wille<br />
zur Macht (über Wissen) identifiziert hat.<br />
Archäologisches Rauschen, kulturelle Signale<br />
Reines Speichergedächtnis liegt vor, wenn die Daten<br />
buchstäblich in Fächern (-thek) lagern wie bits in den arrays<br />
von computer memory; keine (narrative) Ordnung der Historie,<br />
sondern die Kompartmentalisierung von Gedächtnis.<br />
Übertragungsverluste sind materialiter eine Funktion ihrer<br />
Container: "Der Zufall vernichtet gerne gattungsweise :<br />
Nicht einzelne Bände, sondern Hunderte von Kisten (und das<br />
heißt eben: ganze Fonds) gingen bei der Rückführung des<br />
Vatikanischen Archivs von Paris nach Rom verloren." 75 Doch erst<br />
ein Verzerrungsgitter (Esch) läßt die Lücken bemessen.<br />
Tatsächlich bedarf der Transport von Gedächtnis nicht nur der<br />
medialen Trägermedien (Papier, Papyrus), sondern auch der<br />
Übertragungsmedien (Container). So wurden etwa Dokumente der<br />
Gemeindearchive in der frühen Neuzeit "im günstigen Fall in<br />
einer Truhe aufbewahrt, aber wer jeweils die Truhe in seiner<br />
Obhut hatte, ist nicht sicher“ 76 . Régis Debray betont in seiner<br />
Mediologie, daß die Übertragung von Inhalten nicht an das<br />
gleichzeitige Existieren von Sender und Emfänger gebunden ist,<br />
sondern auch über Generationen hinweg, also diachron erfolgen<br />
kann; Shannons Nachrichtenübertragungsmodell wird hier timebased,<br />
zum Prozess einer différance. 77 Zum medium wird für<br />
Debray eine Art Black Box des Komplexes von Milieu und<br />
Technologie, das Dazwischen von Input und Output: die<br />
"Transmission" ist es, die aus Ideen (Wörter, Buchstaben,<br />
Photonen) Ideologien (Gesetze, Institutionen) werden läßt. 78<br />
Neurobiologie arbeitet mit einem Gedächtnisbegriff, der den<br />
Akzent auf das Prozedurale setzt, um zu erklären, was<br />
75<br />
Esch 1985: 549, unter Bezug auf: Remigius Ritzler, Die Verschleppung der päpstlichen Archive unter<br />
Napoleon I, in: Römische Historische Mitteilungen VI-VII (1962-64), 144-190<br />
76<br />
Wolfgang Schmale, Archäologie der Grund- und Menschenrechte in der Frühen Neuzeit: ein deutschfranzösisches<br />
Paradigma, München (Oldenbourg) 1997, 355<br />
77<br />
Régis Debray, Für eine Mediologie, in: Lorenz Engell u. a. (Hg.), Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen<br />
Theorien von Brecht bis Baudrillard, Stuttgart (DVA) 1999, xxx<br />
78<br />
www.wired.com/archive/3.01/debray.html (Zugriff: März 2001)<br />
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